Stefanie Purle
Scarlett Taylor - Libelle
Band 5
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Inhaltsverzeichnis
Titel Stefanie Purle Scarlett Taylor - Libelle Band 5 Dieses ebook wurde erstellt bei
Widmung Widmung Für Frank Du besitzt die seltene Gabe, Kritik in Zuckerwatte zu packen und mit einer Prise Humor zu würzen. Danke für dein Interesse und deine Begeisterung! Du ahnst nicht, wie viel mir das bedeutet.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Impressum neobooks
Für Frank
Du besitzt die seltene Gabe,
Kritik in Zuckerwatte zu packen und
mit einer Prise Humor zu würzen.
Danke für dein Interesse
und deine Begeisterung!
Du ahnst nicht,
wie viel mir das bedeutet.
Der Herbst kam mit dem Ostwind zusammen und pustete innerhalb weniger Tage auch den letzten Rest des Sommers davon. Den Himmel sieht man jetzt nur noch in eine Decke aus grauen Wolken eingehüllt, die den Regen, der uns im Sommer fehlte, jetzt doppelt und dreifach nachliefern. Das Wasser sammelt sich in dreckigen Pfützen, auf denen braun-orange Blätter wie unförmige Boote dahinsegeln. Unter meinen Füßen knacken Eicheln und Kastanien, die auf dem Bürgersteig verstreut liegen. Die Äste der Bäume sind schon fast kahl. Es sieht aus, als versuchen sie mit ihren dürren Fingern die Wolkendecke beiseite zu schieben, um endlich wieder etwas von der wärmespendenden Sonne zu sehen. Doch leider gelingt es ihnen nicht. Stattdessen peitscht der Wind auch die letzten Blätter von ihren Zweigen und lässt sie wie ein Konfettiregen aus Rot, Orange, Braun und Gelb zu Boden schweben.
Ich bin auf dem Weg zu einem Treffen mit meiner Tante Elvira. Sie hat mir gestern eine SMS geschrieben und mich zu einem letzten Eis in der örtlichen Eisdiele eingeladen, bevor nächste Woche die Saison beendet ist. Zuerst wollte ich mit dem Bulli fahren, doch dann habe ich es mir beim Anblick der letzten bunten Herbstblätter in den Baumwipfeln anders überlegt. Ich liebe diese Jahreszeit. Erst recht, seitdem ich eine Hexe, oder besser gesagt eine Druidenhexe bin. Für mich hat jede Jahreszeit ihren eigenen Reiz, doch die Farben des Herbstes mag ich am liebsten und nutze deshalb jede Möglichkeit, um draußen zu sein. So habe ich viel mehr Gelegenheit, das herumwirbelnde Laub zu betrachten, dem Ruf der Krähen zu lauschen und den typisch erdigen Duft des Herbstes zu genießen.
Ein eisiger Windhauch fegt über die Straße hinweg und ich klappe den Kragen meines weinroten Wollmantels hoch. Meine Jackentaschen sind voll mit glänzenden Kastanien und besonders schönen Eicheln. Gerade als ich mich bücke, um eine weitere Kastanie aufzuheben, höre ich Elvira meinen Namen rufen.
„Scarlett! Hier bin ich!“
Ich blicke auf und sehe sie an der gegenüberliegenden Straßenseite stehen. Sie steckt in einem Ungetüm von hellblauem Steppmantel und hat einen ewig langen weißen Schal um ihren Hals gewickelt, dessen Enden vom Wind in alle Richtungen gezerrt werden.
„Hey Elvira!“, rufe ich zurück und schaue über die Straße. „Warte, ich komme.“
Sie nimmt mich in den Arm, sobald ich sie erreicht habe und drückt mich fest. „Schön, dass du Zeit hattest“, sagt sie und blickt mich an. „Neuer Mantel?“
„Ja“, antworte ich und kann nicht umhin, ihre glasigen Augen zu bemerken. „Alles okay bei dir?“
„Ja, ja, natürlich“, sagt sie rasch und wischt über ihre Augen. „Der Wind.“
Dann hakt sie sich bei mir ein und wir laufen die restlichen hundert Meter zur Eisdiele gemeinsam.
Der Fahrradstand, der noch vor knapp zwei Wochen kaum genügend Platz für all die bunten Kinderfahrräder bot, ist nun leer, bis auf ein einzelnes schwarzes Herrenrad, das vom Wind in Schräglage versetzt wurde. Vor dem Eingang, wo sonst mehrere Tische mit Rattan-Stühlen standen, steht nun nichts mehr außer einem ausgeblichenen Plastik-Sonnenschirmständer, um den der Wind kleine Laubhaufen herum drapiert.
Wir gehen hinein und Elvira lotst mich zu einer Nische im hinteren Bereich des Raumes. Schweigend endledigen wir uns unserer Jacken und ich spüre ein seltsames Unbehagen in mir aufsteigen. Elvira ist so anders als sonst, ihre ganze Haltung wirkt angespannt.
„Und du bist sicher, dass mit dir alles okay ist?“, frage ich, als wir uns setzen.
Sie nickt, ohne mich anzusehen, doch dann geht ihr Nicken in ein Schulterzucken und schließlich in Kopfschütteln über.
„Was ist los?“ Ich strecke die Hand über den Tisch aus, doch sie verbirgt ihre Hände in ihrem Schoß.
Mit einem halbherzigen Lächeln sieht sie mich endlich an und holt Luft. „Ich muss dir etwas sagen“, überwindet sie sich schließlich.
Sofort mache ich mir Sorgen. „Ist was mit Mama? Geht es ihr gut? Geht es dir gut?“
„Ja, ja“, beruhigt sie mich und senkt die Lider. „Es geht uns gut.“
Erleichtert lehne ich mich zurück. „Was ist es dann? Was musst du mir sagen?“
Wieder holt sie Luft und reibt ihre Hände unter dem Tisch, vermutlich um sie aufzuwärmen und gleichzeitig Zeit zu schinden. Man kann deutlich sehen, dass sie mit sich hadert.
„Na los, nun spuck schon aus“, fordere ich sie auf und lache, doch sie stimmt nicht in mein Lachen ein, sondern sieht mich ernst an.
„Ella und ich werden umziehen.“
Blinzelnd begegne ich ihrem Blick, während ich die Information verarbeite. „Okay… Wird Mama das Gästezimmer zu klein?“
Elvira schüttelt mit dem Kopf. „Nein. Wir werden wegziehen. Weg von hier.“
Für einen Moment scheint die Zeit stillzustehen. „Weg von hier“, wiederhole ich murmelnd und Elvira nickt. „Und wohin?“
„Ella möchte an die Küste, sie wollte schon immer ans Meer.“
„An die Küste?“, unterbreche ich meine Tante lautstark.
Der Kellner schaut verdutzt und neugierig zu uns, auch die wenigen Gäste drehen sich zu uns um.
„Ja, an die Küste. Rund drei Stunden Fahrt von hier.“
Ich verstehe es nicht und schüttle mit dem Kopf. „Aber wieso? Warum so weit weg?“ Meine Stimme klingt weinerlich, obwohl ich eher verwundert als traurig bin.
„Ich denke, die Küstenluft wird Ella guttun. Sie muss mehr raus, braucht mehr Bewegung. Sie kann nicht den ganzen Tag nur auf diesem Sessel sitzen!“
„Das sehe ich genauso“, antworte ich. „Aber das kann sie doch auch hier! Sie kann genauso gut hier spazieren gehen.“
Meine Tante schüttelt mit dem Kopf. Ihr graues Haar mit den auffallend weißen Strähnen, die vom Töten hunderter dunkler Wesen herrühren, fällt in ihr Gesicht. Sie streicht es sich hinter die Ohren, bevor sie mich ernst ansieht. „Nein, das kann sie nicht“, sagt sie. „Nicht hier.“
Es dauert ein wenig, bis es in meinem Kopf Klick macht. Dabei ist es nicht so, dass ich mir der Tatsache, dass meine Mutter Angst vor mir und meinesgleichen hat, nicht bewusst wäre. Es ist eher so, dass ich mir diesen Gedanken nicht zugestehen mag, da es einfach zu weh tut.
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