Stefanie Purle
Scarlett Taylor - Mitternacht
Band 7 der "Scarlett Taylor"-Reihe
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Stefanie Purle Scarlett Taylor - Mitternacht Band 7 der "Scarlett Taylor"-Reihe Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Impressum neobooks
„Darling, du könntest dir einfach wünschen, deine Mutter wiederzusehen.“
Ich gebe einen quiekenden Schrei von mir und falle vor Schreck beinahe von der Toilette. „Wer spricht da?“, frage ich und ziehe hastig meine Unterhose hoch.
Im nächsten Moment steigt schwarzer Rauch unter dem Türspalt hervor und manifestiert sich zu einem knapp drei Meter hohen Mann, mit asiatischen Gesichtszügen, mattschwarzer Haut und Augen in derselben Farbe. Er kreuzt die Arme vor der Brust und vollführt eine knappe Verbeugung.
„Guten Morgen, Meisterin“, sagt er und lächelt mich an, sodass die spitzen Enden seines Ziegenbartes nach oben schnellen.
„Dschinn!“, zische ich, als sei sein Name ein Schimpfwort. „Was fällt dir ein, hier einfach so reinzuplatzen?“
Die riesige, schwarze Gestalt zuckt mit den nackten Schultern. „Du wolltest wissen, wer da spricht. Also habe ich mich gezeigt. War das etwa nicht dein Wunsch?“
Fassungslos blicke ich das rabenschwarze Ungetüm an. Sogar die Zähne sind mattschwarz und nur ein Glänzen auf seiner Pupille verrät, in welche Richtung er gerade schaut. Ich habe ja schon vieles in meinem Leben gesehen, aber dieser drei Meter große, muskulöse Dschinn mit den mandelförmigen Augen, dem gezwirbelten Ziegenbart und seinem freien Oberkörper, der hier am frühen Morgen, nur in einer Art schwarzer Seidenhose bekleidet barfuß in meinem privaten Bad erscheint, setzt dem Ganzen noch die Krone auf.
„So habe ich das natürlich nicht gemeint! Ich bestehe schon auf meine Privatsphäre!“, keife ich und drehe ihm den Rücken zu, während ich mir die Hände wasche.
„Ist das ein Wunsch?“
„Nein!“, schreie ich ihn an und in diesem Moment fliegt die Badezimmertür auf.
„Scar… Ach, du meine Güte!“ Chris tritt einen Schritt vor und taumelt beim Anblick des übergroßen Dschinns zwei Schritte wieder zurück. „Das… Das ist der Dschinn!“
„Ein cleveres Bürschchen hast du dir da geangelt, Meisterin.“
Chris ignoriert seine Worte. „Hast du ihn gerufen? Warum?“
Ich trockne mir die Hände ab und seufze. „Nein, ich habe ihn nicht gerufen. Glaub mir, ich kann darauf verzichten bei meiner Morgentoilette von einem pechschwarzen Ungetüm beobachtet zu werden!“
„Und warum ist er dann hier?“, will Chris wissen und deutet mit dem Arm auf den Dschinn, während er ihn misstrauisch mustert.
„Meine Meisterin braucht mich nicht zu rufen. Ich kann ihr jederzeit erscheinen, wann immer ich will, solange sie noch nicht alle Wünsche verbraucht hat“, erklärt der Dschinn und nimmt halb schwebend auf dem Rand der Badewanne Platz.
„Du darfst wieder in deiner Lampe verschwinden, okay? Ich rufe dich, wenn ich dich brauche!“
Ein hochnäsiges Lachen erklingt. „So funktioniert das leider nicht, Meisterin. Aber sei´s drum. Fürs erste will ich dich in Frieden lassen. Aber ich komme wieder. Früher oder später. Vergiss das nicht. Und dann wirst du dir etwas wünschen müssen. Ansonsten bin ich nicht mehr so freundlich und charismatisch.“ Er zwinkert mir zu und seine Umrisse lösen sich in schwarzem Nebel auf, der ebenso schnell verschwindet, wie er gekommen war.
„Den hatte ich fast vergessen“, gibt Chris zu, schüttelt mit dem Kopf und blickt dem dunklen Schatten hinterher, der dicht überm Teppichboden kriechend im Schlafzimmer verschwindet. „Was willst du mit ihm machen?“
„Keine Ahnung“, winke ich ab und schlüpfe in meine Jeans. „Er ist nicht gerade mein Hauptproblem. Um ihn kümmere ich mich, nachdem ich meine Mutter gefunden habe. Meine echte Mutter, nicht das seelenlose Double, mit dem wir bislang abgespeist wurden.“
Chris stützt sich am Rand des Waschbeckens ab und legt die Stirn in Falten. „Du denkst also echt, dass die Frau, die aus dem Wachkoma erwacht ist, nicht deine Mutter war?“
Ich beginne heftig zu nicken. „Ja, ganz sicher! Das würde auch erklären, warum sie mich nie sehen wollte, und warum sie immer Angst vor mir hatte, kaum etwas gesagt hat und nur aus dem Fenster starrte. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass das nicht meine echte Mutter war!“
„Dann glaubst du also auch, dass deine echte Mutter die ganze Zeit im Kerker der Libelle hockte? All die Jahre?“
„Ich weiß nicht, seit wann sie da unten war. Vielleicht haben sie sie auch gegen ein Double ausgetauscht, kurz nachdem ich meine Macht aktiviert habe, oder bevor der Fluch von ihr genommen wurde. Keine Ahnung.“
Ein paar Momente lang sieht Chris mir nachdenklich beim Anziehen und Haarebürsten zu und schweigt. „Kann es vielleicht sein, dass du dir wünschst, sie wäre die ganze Zeit über ein Double gewesen, weil das bedeuten würde, dass eure Beziehung doch nicht kaputt ist?“
Mit mürrischem Gesicht stehe ich vorm Spiegel und creme meine Haut mit beinahe schlagenden Bewegungen meiner Hände ein. Ich will ihm nicht Recht geben, weil es einfach zu weh tut. Wenn die Frau, die aus dem Wachkoma erwacht ist, wirklich meine Mutter ist, dann muss ich einsehen, dass unsere Beziehung nicht mehr die ist, die sie vor dem Koma war. Wenn sie wirklich meine Mutter ist, dann werde ich akzeptieren müssen, dass sie nichts mit mir zu tun haben will und lieber weit weg an die Küste gezogen ist, um mich bloß nicht zu oft zu sehen.
„Wir werden sie schon finden, Scarlett“, sagt Chris nun, kommt auf mich zu und zieht mich an sich, um mir einen Kuss auf den Scheitel zu drücken.
Nachdem ich im Bad fertig bin, überlasse ich es Chris und gehe hinunter in das kleine Büro, das mittlerweile zu meinem persönlichen Hexenzimmer geworden ist. In den Kommoden und Schränken bewahre ich diverse Zutaten für Zaubersprüche auf, und das Bücherregal quillt vor uralten Grimoires und Schattenbüchern beinahe über. Ich ziehe eine Schublade vom Schrank auf und hole ein Pendel mit einem schwarzen Onyx-Stein daran heraus. Dann suche ich nach einer Landkarte, die auch die Küstengebiete zeigt, immerhin war meine Mutter zuletzt offiziell mit Elvira in ihrem Häuschen an der Küste. Ich schlage den Straßenatlas auf und blättere ihn durch, bis ich die richtige Karte gefunden habe. Dann nehme ich mir das Pendel, lasse den Onyx ausschwingen und konzentriere mich auf meine Mutter.
Ich brauche nichts Persönliches von ihr und auch kein Foto, damit der Zauber funktioniert. Sie ist meine Mutter, unser Blut ist das Band, das uns verbindet. Also schließe ich kurz die Augen, rufe mir ihr Gesicht und ihre Stimme in Erinnerung und lasse alle Anspannung fallen. Erwartungsvoll schlage ich die Augen auf und bewege meinen Arm mit dem Pendel sachte über die Karte. Doch es geschieht nichts. Ich fahre einen Bereich von rund einhundert Kilometern um ihren neuen Wohnsitz ab, doch das Pendel reagiert nicht. Es schwingt nicht, sondern hängt nur starr herab und macht rein gar nichts.
Es sollte nicht so sein, aber in gewisser Weise freut es mich, dass das Pendel nicht reagiert, denn das kann nur bedeuten, dass meine Mutter nicht mehr an der Küste ist (und es vielleicht auch niemals war), was die Chance erhöht, dass sie womöglich doch in der Libelle ist (auch wenn es die Kerker dort nun nicht mehr gibt).
Читать дальше