Nachdem ich an der Kasse einen fünfstelligen Betrag zu zahlen hatte, verzog ich keine Miene. Als die Verkäuferin verdutzt fragte, ob ich mir sicher wäre, dass die Summe korrekt sei, antwortet ich ihr machohaft: „Ja, das wird schon so stimmen.“
Das Lesegerät zeigte allerdings eine Fehlermeldung an und ich sollte mich einen kurzen Augenblick gedulden.
Nach einigen unangenehmen Minuten standen zwei Sicherheitsleute hinter mir, die mich in das Büro des Filialleiters geleiteten. Dort warteten wir nur sieben Minuten bis die Polizei eintraf. Warum kommt die Polizei, wenn ich sie brauche eigentlich erst nachdem es zu spät ist und wegen mir stehen sie Herrschaften schon nach ein paar Augenblicken da ?
Die beiden Beamten zeigten mir ihre Ausweise, die ich so noch nicht gesehen hatte. Ich betrachtete das Zeichen auf der Marke des kleineren Beamten etwas näher. Dort war ein Globus abgebildet in dem ein Schwert steckte, die Waage der Justitia und in kleinen Buchstaben stand dort „Interpol“ geschrieben.
Mein Herz schlug schneller, meine Beine fingen an zu zucken und ich hatte einen Kloß im Hals, wie ich es noch nicht erlebt hatte.
„Kennen Sie diese Frau, Herr Polder?“
Ich blickte auf das Foto, das mir der Beamte vor die Nase hielt.
„Ja leider.“
„Wissen Sie, was diese Frau beruflich macht?“
„Ja nichts, außer sich durchzuschnorren.“
„Das, Herr Polder, ist so nicht ganz richtig.“
Nach endlosem Verhör und einer Nacht auf dem Revier stellte sich schließlich heraus, dass mein ‚kubanischer Drache‘ sehr wohl gearbeitet hat. Nur war das alles andere als legal. Und ihre krummen Geschäfte wickelte sie allesamt über meine Kreditkarte ab. Vielleicht hätte ich ab und an mal mein Konto checken sollen.
Meine Kreditkarte zu sperren half mir nichts mehr, denn das Dispo war bis zum letzten Cent ausgereizt und mein Girokonto leer.
Hatte ich doch vor ein paar Wochen noch ein zumindest scheinbar perfektes Leben, hatte ich jetzt – gar nichts mehr.
Von meinem Golden Retriever und meiner Freundin, die sich als schwerkriminelle Drogendealerin in der Oberliga entpuppte, fehlen bis heute sämtliche Spuren.
Sie können, auch ohne eine Ehe geschlossen zu haben, alles verlieren. Also achten Sie, obwohl Sie frisch verliebt sind und alles in Ordnung zu sein scheint, auf Ihre Finanzen und auf die Beziehungen zu Ihren Freunden und Verwandten.
Denn es gibt Menschen mit einer psychopathischen Persönlichkeitsstörung die sich Gaslighting nennt. Diese Menschen nehmen Ihnen unter Umständen noch viel wertvollere Dinge weg als Ihre Verwandten und Freunde. Manipulieren Sie und setzen Sie psychischer Gewalt aus, die schwerer zu ertragen ist, als ein leergeräumtes Bankkonto. Zudem können Sie durch Desorientierung und Manipulation solcher Personen Ihr Selbstbewusstsein verlieren.
Rückblick
Dass mein Akku im Alter von 30 Jahren schon einmal nur zu ca. 40 % geladen war, erkannte ich nicht – bzw. wollte es erst Jahre später wahrhaben. Wie konnte es dazu kommen?
Nun, ich war 24 Jahre alt, hatte eine Handwerkerausbildung absolviert und bis hierhin sieben Jahre auf dem Bau gearbeitet. Neben diesem Job hatte ich noch viele weitere Nebentätigkeiten, um mein einfaches Leben finanzieren zu können. Auch damals schon nahm ich bei größter Hitze und Eiseskälte jede Überstunde und jeden neuen Auftrag eines Nebenjobs dankend an. Dass ich mich damit von meinen Sorgen und Problemen abgelenkt hatte, war mir damals nicht klar.
Ich stand gerade auf dem Dach eines Holzhauses, als ich mir mal wieder mit voller Wucht den Zimmermannshammer auf den Daumen schlug. Ich verfluchte gerade die ganze Welt und diese harte Arbeit, denn gemocht habe ich diese Tätigkeit nie. Sie war halt einfach gut bezahlt und ich war irgendwie ‚aufgehoben‘. Ich beobachtete gerade meinen Vorarbeiter, wie er mit einem Bausachverständigen die Rohbauabnahme durchführte. Dieser Mann hatte keine dreckigen Finger und keinen blutenden Daumen und musste ‚nur‘ ein paar Dinge begutachten.
Das will ich auch werden.
In jenem Moment kam mir diese wahnwitzige Idee.
Ich muss einfach nur studieren, dann habe ich ein leichteres Leben!
Wenn ich mir etwas vornahm, dann zog ich es auch durch. Wie man allerdings studieren konnte, ohne einen Schulabschluss zu besitzen, wusste ich damals noch nicht. Doch der Gedanke an ein besseres Berufsleben verfestigte sich, also fing ich an zu recherchieren und alle möglichen Leute um Rat zu fragen, bis sich mir der Weg offenbarte. Durch meine Handwerkerausbildung, hatte ich bereits meinen Hauptschulabschluss nachgeholt. Und den Realschulabschuss sowie das Abitur konnte man an einer Berufsoberschule nachholen.
Also saß ich tatsächlich ein paar Monate später wieder in der Schule und freute mich über Bildung, Wissen und auf eine Zeit, die leichter werden würde. Doch es wurde nicht leichter – sondern härter. Mein Einkommen beschränkte sich auf ein paar hundert Euro BAföG, weshalb ich gezwungen war, neben der Schule weiterhin arbeiten zu gehen. Dass ich ursprünglich keinen Schulabschluss besaß und irrsinnigerweise versuchte mein Abitur nachzuholen, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt, und dass ließen mich sowohl die Mitschüler, als auch die Lehrkräfte täglich spüren. Doch der Gedanke an die Schmach zurück auf den Bau zu gehen und mich von meinen Handwerkskollegen auslachen zu lassen, weil ich es nicht geschafft hatte, hinderte mich am Aufgeben. Obwohl 1/3 der Mitschüler, die alle besser ausgebildet waren als ich, durch die Abiturprüfungen gefallen waren, obwohl mir so viele Lehrkräfte rieten mein Vorhaben abzubrechen, bestand ich mein Abi beim ersten Versuch und schrieb mich sogar an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften ein, um tatsächlich zu studieren.
Das Studium war nochmals eine andere Hausnummer und forderte mich mehr als nur zu 100 %. Jeden Morgen fuhr ich mit meinen drei Kommilitonen in einer Fahrgemeinschaft rund eine Stunde zur Hochschule, um dort i. d. R. von 8:00 bis 18:00 Uhr viel zu viel Stoff eingetrichtert zu bekommen. Anschließen wieder eine Stunde zurück nach Hause, kurz was gegessen, um dann einen Kilometer im Hallenbad zu schwimmen, oder zum Thaiboxen zu fahren. Wieder ab nach Hause, den Stoff vom Vortag aufgearbeitet, bzw. ab hinter eine Bar und Bier oder Holunderblütenlikör bis in die frühen Morgenstunden ausgeschenkt. In den Semesterferien konnte ich mir auch keine Auszeit gönnen, da ich keinen finanziellen Puffer hatte, also verbrachte ich wochenlang auf Baustellen und nahm wieder jede bezahlte Überstunde dankbar an, fuhr nachts noch für ein Reisebüro Klienten zu Flughäfen und versuchte mein Glück im Casino. Zwischen all den Terminen hatte ich noch jede Menge Treffen mit Freunden und Dates wie am Fließband. Während den Prüfungsphasen, saß ich wochenlang täglich von 8:00 bis 23:00 Uhr, ohne nennenswerte Pausen, über den Büchern, um gute Noten zu schreiben können.
Das Wort ‚Stress‘ existierte damals in meinem Wortschatz noch nicht. Dass ich oft mit Erkältungen im Bett lag, ignorierte ich und Verletzungen vom Kampfsport waren für mich Trophäen. Sagen zu können, dass ich 12 Prüfungen in 10 Tagen geschrieben hatte, erfüllte mich mit Stolz und ich erhaschte mir dabei immer ein wenig Mitgefühl von anderen.
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