Ich hatte meine Berufung gefunden und, zeitlich sowie finanziell, alles im Griff.
Einen gesunden Lebensstil zu pflegen, machte ich zu meinem Hobby, wozu, neben gesunder Ernährung und rauchfreiem Leben, auch regelmäßige Besuche im Fitnessstudio zählten, welches ich natürlich ebenfalls wohnungsnah auswählte, um nicht unnötig Zeit auf der Strecke zu verschwenden. Seit Jahren war ich nicht mehr erkältet, sondern kerngesund, durchtrainiert und lebensfroh wie nie. Meine Hobbys, Freunde und Familie teilte ich mit meiner Freundin. Sie war eine kleine zierliche und warmherzige Frau mit einer Ausstrahlung, die jeden auf Anhieb überwältigte.
Es war herrlich. Ich war glücklich. Ich war zufrieden mit mir und meinem Leben, mit dem, was ich beruflich erreicht und privat geschaffen hatte. Ich hatte mir mein eigenes Traumleben erschaffen und fühlte mich, als wäre ich endlich angekommen. Alle Anstrengungen der letzten Jahrzehnte, alle Hürden, die ich genommen hatte, trugen endlich Früchte. Durch die Prozessoptimierung, was ohnehin meine Lieblingstätigkeit geworden war, hatte ich trotz der vielen Termine, sowohl beruflich als auch privat, ein geregeltes Leben, was komplett nach dem Terminkalender funktionierte.
Jedes erfolgreich abgeschlossene Projekt im Konzern, jeder geknackte Umsatzrekord beim Verkauf von Holunderblütenlikör und jede bestandene Prüfung im Masterstudiengang beflügelten mich noch mehr.
Die Erfolge ließen mich von noch mehr träumen von dem, was ich noch alles erreichen könnte und welche Unsummen an Geld und Glück noch in mein Leben fließen könnten.
Es war alles gut.
Alles war so, wie ich es mir gewünscht hatte und in meinen kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können.
Mein Akku war voll – es war alles optimal …
Auch wenn Ihnen in Ihrem Leben alles perfekt erscheinen mag, hinterfragen Sie einfach mal, ob Sie Ihren Traum leben oder den eines anderen Menschen! Ließen Sie sich durch eine Firma, durch Personen in Ihrem Umfeld, oder von der Gesellschaft ein Leben aufdiktieren und haben schon lange aufgehört, auf die innere Stimme zu hören?
Führen Sie wirklich Ihr Traumleben, oder ist das alles nur eine Fassade nach außen, von der Sie mittlerweile selbst geblendet wurden.
Ein fauler Apfel im Korb reicht aus
… dachte ich zumindest.
Das wahre Wesen meiner Freundin lernte ich leider erst nach ihrem Einzug bei mir, der viel zu früh kam, kennen, was – und da kann ich beim besten Willen keinem Kritiker widersprechen – einfach nur dumm war. Ihre Ansprüche wuchsen ins Unermessliche. Ihre Vorstellungen, wie man ein Leben zu führen hat, waren von einem ganz anderen Planeten. So kam ihr während unseres Urlaubs auf Kuba die Idee, dass ich uns eine Jacht kaufen und ich weniger arbeiten, dafür jedoch mehr Boot fahren sollte. Darüber, wie ich das finanzieren sollte, machte Sie sich keine Gedanken, sie wollte einfach nur in Luxus leben und verschwendete auch keinen Gedanken daran arbeiten zu gehen, denn das sei unter ihrem Niveau. In ihrer vielen Freizeit wurde es ihr zu langweilig, also sorgte sie dafür, dass ich meinen zweiten Job verlor, um mehr Zeit mit mir verbringen zu können.
Nach ein paar Monaten fand ich heraus, dass der Zigarrenhandel und die 24 Oldtimer auf Kuba, von denen sie so oft erzählte, gar nicht ihr gehörten, sondern sie dort nur die Post bearbeitet hatte.
Wir stritten uns immer häufiger wegen ihren unzähligen Lügen, aber rausschmeißen konnte ich sie nicht, denn sie war nur für mich mehrere tausend Kilometer nach Deutschland gezogen.
Eines Abends kam mein Freund Andi zu uns zum Fußballschauen vorbei, worauf ich mich schon seit Tagen freute, da ich ihn schon lange nicht mehr gesehen hatte. Das Bier war kaltgestellt und die Snacks standen bereit, sodass es ein richtig geiler Championsleague-Abend werden konnte.
Da hatte ich die Rechnung nur leider ohne meinen ‚kubanischen Drachen‘ gemacht. Denn der flog alle paar Minuten durchs Bild und hatte ganz wichtige Dinge, wie Saugen und mit dem Hund spielen, zu erledigen.
Meine Freundin setzte sich neben uns auf die Couch und telefonierte so laut, dass wir vom Fußball gar nichts mehr verstanden und ich den Fernseher noch lauter stellen musste. Sie brüllte mich an, was das sollte, weil sie das für eine Unverschämtheit hielt und ich keinen Anstand hätte. Wir brüllten uns gegenseitig so lange an, bis sie im Schlafzimmer verschwand.
Endlich Ruhe , dachten Andi und ich und verdrehten beide die Augen. Nach ein paar Minuten kam die erste SMS, die ich ignorierte.
Es folgten drei weitere, sodass ich doch neugierig geworden war, wer mir so spät noch schrieb. Ich zeigte Andi mein Smartphone, worauf er sagte, dass die Alte nicht ganz dicht sei. Auch ich konnte nur den Kopf schütteln. Als ich auch diese Nachrichten nicht beantwortete, klingelte tatsächlich mein Handy – es war meine Freundin. Als ich nicht ranging, brüllte sie wie eine Wahnsinnige aus dem Schlafzimmer, dass ich ‚Arschloch‘ drangehen solle, ansonsten könnte ich was erleben! Bis zum Ende des Spiels, und das ging lang, da wir das Glück einer Verlängerung inklusive Elfmeterschießen hatten, terrorisierte sie uns mit Anrufen, Nachrichten und Gebrülle aus dem Schlafzimmer.
Es war das letzte Mal, dass Andi zu uns zu Besuch kam. Ehrlich gesagt, war es das letzte Mal, dass überhaupt einer von meinen Freunden oder meiner Familie zu Besuch bei uns war.
Das Telefonieren mit meinen Verwandten und Freunden wurde auch immer anstrengender und peinlicher, weil sie jedes Gespräch boykottierte, sodass ich schon gar nicht mehr ranging, wenn jemand anrief.
Es war eine schreckliche Beziehung, die mich eine Menge Nerven kostete und während der ich am liebsten die ganze Nacht im Büro verbracht hätte, anstatt in die Drachenhöhle zurückzufahren.
Es war ein Dienstagabend, als ich total übermüdet nach Hause kam und mich auf ein heißes Bad und meine Couch freute. Als ich jedoch in meine Wohnung kam, traute ich meinen Augen kaum.
Die Bude und der Keller waren komplett leergeräumt. Alle Schränke, alle Teppiche, die Waschmaschine, alle Gegenstände, selbst die Einbauküche des Vermieters – einfach alles war weg. Selbst meinen geliebten Hund hatte sie mitgenommen.
Wie in Trance schloss ich die Tür und ging in die Kneipe nebenan, um Fußball zu schauen und ein paar Biere zu trinken. Ich konnte einfach nicht fassen was gerade geschehen war und brauchte eine Weile, um mich zu sammeln.
Was mach ich denn nun? Und worauf schlaf ich denn jetzt?
Im Kofferraum waren noch meine Wandersachen von der letzten Tour, also schlief ich ein paar Nächte auf meiner Isomatte. Gekocht habe ich Dosenfutter auf meinem kleinen Gaskocher und gespeist habe ich in meinem Anzug im Schneidersitz auf dem Boden meiner leergeräumten Wohnung.
Es dauerte eine Weile, bis ich mich langsam wieder fing, kalkulierte kurz, was mich der Sachschaden kosten sollte und tröstete mich mit dem Gedanken an mein überdurchschnittliches Gehalt und der Vorstellung, dass ich mir einfach alles neu kaufen würde.
Ich fuhr zu einem nahgelegenen Möbelhändler und packte mehrere Einkaufswägen voll mit allem möglichen Zeug, was man braucht und auch nicht braucht. Suchte mir neue Schränke, ein Bett und eine Couch aus und beauftragte die Lieferung zu mir nach Hause.
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