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Wie Festhalten im Alltag wirkt
„So ein Mist!“ Du hast …
den Bus verpasst,
deine Lieblingstasse fallen lassen oder
schon wieder einen Strafzettel fürs Falschparken bekommen, weil die Amateure von der Stadtplanung in deinem Viertel zu wenige Parkplätze eingeplant haben.
Du bist je nach Veranlagung leicht verärgert bis panisch aufgelöst oder außer dir vor Wut. Warum? Weil du festhältst. Du hältst daran fest, dass …
du pünktlich zu deinem Termin kommen solltest,
deine Lieblingstasse gefälligst heil sein soll oder
die Welt und vor allem die Stadtplaner dir etwas schulden, und zwar einen freien Parkplatz direkt vor deiner Haustür.
» Je mehr Erwartungen und Ansprüche wir im Alltag haben, desto holpriger und leidvoller wird er.
Es gibt Myriaden kleine Begebenheiten wie diese, die jeder von uns ständig im Alltag erlebt. Kannst du dich an die letzte Situation erinnern, in der du an einer Erwartung festgehalten hast?
Raum für dich und deine Gedanken
Aber damit nicht genug. Diese kleinen Alltagssituationen sind nur die Spitze des Eisbergs:
Wie Festhalten im Laufe des Lebens wirkt
Auch wenn wir etwas herauszoomen und unser Leben als Ganzes betrachten, wirkt das Prinzip des Festhaltens. Nehmen wir einmal an, du wünschst dir Sicherheit und Ruhe. Da ist erst einmal nichts schlimmes dabei. Wirkt hier das Festhalten? Das Festhalten wirkt dann, wenn du bewusst versuchst, mehr Sicherheit und Ruhe in dein Leben zu holen. Zum Beispiel könnte es sich derart auswirken, dass du dich verstärkt deinem Beruf und deiner Karriere zuwendest. Du möchtest mehr Geld verdienen und immer unersetzlicher in der Firma werden, damit sie dich nicht entlassen können und du dich irgendwann endlich einmal auf den Lorbeeren ausruhen kannst. Doch Reichtum und Karriere bringen neue Probleme mit sich: Du beginnst dich davor zu fürchten, dass dein Reichtum gestohlen werden könnte und du deinen Status in der Arbeit verlieren könntest. Jetzt musst du noch wachsamer sein, um mögliche Konkurrenten erkennen und ausschalten zu können und deine Position sowie dein Hab und Gut zu schützen. Vielleicht spielst du mit dem Gedanken, zu Hause eine Sicherheitsfirma zu engagieren, um über dein Vermögen und deine Sicherheit zu wachen. Die würde allerdings nicht umsonst arbeiten, weshalb du nun noch mehr Geld brauchst, um den Reichtum zu schützen, den du hast. Auf der Arbeit kommen immer mal wieder junge und aufstrebende Kollegen nach, gegen die du dich durchsetzen und deine Stellung verteidigen musst. Du wolltest Sicherheit und Ruhe herbeiführen doch jetzt lebst du in ständiger Angst.
» Je mehr wir uns auf ein bestimmtes Ziel ausrichten, desto mehr halten wir uns selbst davon ab, es zu erreichen.
Auf diese und noch viel verschlungenere Arten wirkt dieses Prinzip im Leben eines jeden Einzelnen. Fällt dir ein passendes Beispiel aus deinem Leben ein?
Raum für dich und deine Gedanken
Doch auch hier macht das Prinzip des Festhaltens noch lange nicht halt …
Wie Festhalten in der Gesellschaft wirkt
Zoomen wir noch eine Ebene höher. Sogar vor großen gesellschaftlichen Themen macht das Festhalten nicht halt, wie Laotse uns im Tao Te King verdeutlicht:
„Je mehr Verbote es gibt, desto weniger tugendhaft werden die Leute sein. Je mehr Waffen es gibt, desto weniger sicher werden die Leute sein. Je mehr Hilfsgelder es gibt, desto weniger selbstbewusst werden die Leute sein.“[Fußnote 6] (Laotse)
Das sind eigentlich ganz logische Folgen, die sich jedes Kindergartenkind herleiten könnte, aber Regierungen auf der ganzen Welt machen immer und immer wieder die gleichen Fehler:
Sie versuchen, etwas zu kontrollieren, und bewirken das Gegenteil.
Sie verschärfen die Gesetze und provozieren damit mehr Straftaten.
Sie schaffen Regularien und damit auch den Drang, gegen sie zu verstoßen.
» Je mehr wir etwas kontrollieren wollen, desto mehr geraten die Dinge außer Kontrolle.
Warum fällt es uns so schwer, loszulassen und den Menschen zu vertrauen? Es gibt ja sogar Experimente, die bestätigen, dass es besser funktioniert, wenn man weniger kontrolliert. Beispielsweise in den Niederlanden, wo man die Stadt Bohmte von Verkehrsschildern und Ampeln befreite und durch die vermeintliche Unsicherheit sicherere Straßen schaffte, weil die Leute ohne Vorschriften mehr Rücksicht aufeinander nahmen. Aber auch hier ist das universelle Prinzip des Festhaltens noch lange nicht an seinem Ende angelangt …
Wie das Festhalten länderübergreifend auf der ganzen Welt wirkt
Noch weiter herausgezoomt: die Erde. Vom Weltall aus gesehen ein sehr friedliches und idyllisches Fleckchen. Doch wer hier heimisch ist weiß, dass der Schein trügen kann.
Kriege
Massenmorde
Terroranschläge
All das macht uns das Leben hier schwer. Warum? Weil wir festhalten.
Länder rüsten sich mit Atomwaffen, weil sie an ihrer Sicherheit festhalten.
Ganze Völker werden ausgerottet, weil einzelne Machthaber an ihrem Rassenwahn festhalten.
Menschen fliegen mit Flugzeugen in Wolkenkratzer, weil sie an ihrem Glauben festhalten.
Und all das teilweise sogar im Namen des Friedens! Weil Menschen daran festhalten, ihn bewahren, und dafür kämpfen wollen.
» Je mehr wir die Welt retten wollen, desto eher zerstören wir sie.
Aber auch das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange …
Wie das Festhalten im ganzen Universum wirkt
Ich habe ja schon angedeutet, dass ich das Festhalten für ein universales Prinzip halte. Und deshalb macht es natürlich auch nicht vor den größten Maßstäben halt.
» Je weiter wir durch moderne Teleskope in den Weltraum hineinschauen können, umso unerreichbarer werden die Objekte der Betrachtung für uns.
Zum einen wegen der enormen Entfernungen, die nur noch in Lichtjahren gemessen werden können (Ein Lichtjahr entspricht der Strecke, die das Licht in einem Jahr zurücklegt, was etwa 9,461 Billionen Kilometer sind). Zum anderen sind diese Objekte unerreichbar, weil sie gar nicht mehr so existieren, wie wir sie heute betrachten, da ihr Licht aufgrund der enormen Entfernungen schon Millionen oder Milliarden von Jahre unterwegs ist. Allgemein gilt bei der Erforschung des Universums und des Lebens folgendes:
» Je tiefer wir vorstoßen und je mehr wir erfahren, desto mehr Fragen werfen wir auf und desto mysteriöser scheint alles zu werden.
der Urknall
schwarze Löcher
das menschliche Gehirn
Nur einige solcher Beispiele. Du siehst, dass dieses universelle Prinzip wirklich auch universell zu gelten scheint. Und nein. Auch das war es noch nicht mit der Wirkung des Festhaltens. Wir können noch einen Schritt weiter gehen …
Wie Festhalten in den Bausteinen des Universums wirkt
Ein grundlegendes Problem in der Wissenschaft ist heute Folgendes: Die Beobachtung von Teilchen beeinflusst gleichzeitig ihr Verhalten. Ein schönes Beispiel dafür ist das Doppelspaltexperiment. Ich will nicht näher ins Detail zum Versuchsaufbau gehen. Falls dich das Experiment interessiert, kannst du im Internet mehr dazu erfahren. Uns interessiert im Moment nur der Grund, weshalb dieses Experiment entwickelt wurde: Es geht dabei darum, das Verhalten von kleinsten Teilchen nachzuvollziehen. Das Problem? Beobachtet man die Teilchen während des Experiments, verhalten sie sich anders, als wenn man sie nicht beobachtet! Wir haben also keine Chance, das Verhalten der Teilchen in ihrem natürlichen unbeobachteten Zustand zu erforschen. Auch dies ist das Prinzip des Festhaltens bzw. des willentlichen Herbeiführens. Es ist ähnlich wie mit dem Licht in deinem Kühlschrank: Im geschlossenen Zustand leuchtet das Licht darin nicht. Sobald du dieses Verhalten beobachten willst und ihn aufmachst, um nachzusehen, leuchtet das Licht wieder.
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