Im vierten und umfangreichsten Teil des Buches widmen wir uns dann voll und ganz diesem Weg. Dem Erlangen und Umsetzen dieser fundamentalen Fähigkeit des Loslassens im eigenen Leben. Du wirst erfahren, wie du das Loslassen als Lebenseinstellung verinnerlichen kannst und es dadurch fast automatisch und mühelos in deinem Leben anwenden wirst. Hier wirst du außerdem viele Beispiele und konkrete Anwendungstipps finden. Zur Umsetzung brauchst du aber unbedingt das Vorwissen aus den übrigen Teilen des Buches.
Teil 5: Loslassen und dann?
Im letzten Teil wollen wir die praktische Anwendung etwas näher beleuchten. Vor allem auf das Thema Meditation wollen wir hier näher eingehen, da Meditation das perfekte Werkzeug ist, um den Prozess des Loslassens zu unterstützen. Außerdem schauen wir uns an, wie es weitergeht, wenn du erfolgreich losgelassen hast. Am Ende fassen wir noch einmal die wichtigsten Erkenntnisse des ganzen Buches zusammen.
Die Lösung wartet an jeder Ecke
Das Buch hat zwar einen gewissen Aufbau, aber das eigentliche Loslassen steckt in jedem Kapitel, in jeder Seite. Die Essenz der Kunst des Loslassens ist nichts, was man präzise in wenigen Worten wiedergeben könnte. Und doch genügt ein kurzer Augenblick, um sie zu verinnerlichen. Deshalb ist diese Essenz in jedem einzelnen Teil dieses Buches zu finden. Vom Anfang bis zum Ende. Selbst hier in der Einleitung ist sie schon mehrfach enthalten. Sie begegnet uns immer wieder in einem etwas anderen Gewand und aus einem anderen Blickwinkel. Vielleicht erkennst und verstehst du sie noch nicht beim ersten oder zehnten Mal, aber am Ende des Buches wirst du sie vollständig verinnerlicht haben und ganz genau wissen, wovon ich hier rede. Bist du bereit?
Es tut mir leid, dass ich dich so lange mit dieser Einleitung aufgehalten habe. Aber wie bei allem im Leben, ist es auch bei diesem Buch wichtig, seinen Kontext zu kennen, um seinen Inhalt entsprechend einordnen zu können. Beginnen wir nun mit dem zweiten und wichtigsten Teil des Buches. Beantworten wir die Frage, warum wir leiden. Denn nur wenn wir die Ursache unseres Leides kennen, können wir auch dort ansetzen und etwas ändern:
Teil 2
Warum du leidest (Festhalten)
Wie du dir selbst das Leben schwer machst
„Der Ursprung all unserer Probleme ist unser Unvermögen, loslassen zu können.“
(Buddha)
Pssst. Ich möchte dir ein Geheimnis verraten. Aber nicht irgendein Geheimnis … Es ist DAS Geheimnis des Lebens. Deines Lebens! Nenn es den Heiligen Gral, den Stein der Weisen oder den Schlüssel zum Glück, denn genau das wirst du damit erlangen. Es ist das Geheimnis davon, warum du leidest und wie du dich von diesem Leid befreien kannst. Egal, worum es geht … Dieses Geheimnis, das besser gehütet ist als die Kronjuwelen der Queen, versteckt sich in den folgenden Aussagen:
Je mehr du die Liebe festzuhalten versuchst, desto mehr entrinnt sie dir.
Je mehr du versuchst, einen Menschen für dich zu gewinnen, desto eher scheiterst du damit oder vertreibst ihn sogar.
Je mehr du dich selbst suchst, desto weniger weißt du, wer du wirklich bist.
Je mehr dir an einem Erfolg liegt, desto eher versagst du.
Je mehr du Anspannung und Stress unterdrückst, desto schlimmer brechen sie aus.
Je mehr du deine Angst unterdrückst, desto größer wird sie.
Je mehr Sicherheiten du im Leben haben willst, desto unsicherer wird es.
Na, hast du das Muster durchschaut? Das sind nur einige wenige Beispiele aus verschiedenen Lebensbereichen, in denen dieses Geheimnis mehr oder weniger offensichtlich wirkt. Im Verlauf dieses Buches werden uns noch viele weitere Beispiele begegnen. Dahinter steckt ein elementares Prinzip:
» Je mehr du etwas willst, desto weniger bekommst du es!
Unsere Absicht, etwas zu erreichen, führt in Kombination mit unserem Unvermögen, das große Ganze zu überblicken, stets dazu, dass wir am Ende selbst das Gegenteil bewirken. Der Philosoph und Psychotherapeut Paul Watzlawick veranschaulicht das in seinem Buch „Anleitung zum Unglücklichsein“ eindrucksvoll anhand der folgenden kurzen Geschichte:
Der verlorene Schlüssel oder „mehr desselben“
„Unter einer Straßenlaterne steht ein Betrunkener und sucht und sucht. Ein Polizist kommt daher, fragt ihn, was er verloren habe, und der Mann antwortet: »Meinen Schlüssel.« Nun suchen beide. Schließlich will der Polizist wissen, ob der Mann sicher ist, den Schlüssel gerade hier verloren zu haben, und jener antwortet: »Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber dort ist es viel zu finster.«“[Fußnote 4] (Paul Watzlawick)
Welchen „Schlüssel“ suchst du?
Wie der Betrunkene in der Geschichte suchen wir alle nach den Lösungen für unsere Probleme und nach dem Schlüssel zu unserem persönlichen Glück. Und genau wie der Betrunkene suchen wir meist am falschen Ort, weil wir bestimmte Muster nicht loslassen können oder wollen. Bei dem Betrunkenen ist es das Muster, dass man zum Suchen Licht braucht. Bei uns ist es zum Beispiel das Muster, dass wir nicht ohne Nikotin oder Alkohol glücklich sein können oder dass Klammern in einer Beziehung und große Eifersucht ein Liebesbeweis seien.
» Im Endeffekt stehen wir uns mit diesen Mustern und Glaubenssätzen bei der Lösung unserer Probleme und der Erreichung unseres Glücks selbst im Weg.
Das grundlegende Prinzip, das hier wirkt, ist das Festhalten. Ich bezeichne das Festhalten gerne als die Kunst, sich das Leben schwer zu machen. All unser Leid, all unsere Probleme und all das, was uns von unserem Glück trennt, hat hier seine Wurzeln. Wir wollen uns natürlich anschauen, warum das so ist:
Festhalten bedeutet nicht nur, in einer Beziehung zu klammern oder daran festzuhalten, dass man nur unter einer Laterne einen Schlüssel suchen kann. Festhalten ist viel mehr als das. Es ist ein Synonym für jegliches absichtsvolles Handeln. Die Chinesen nennen dieses Prinzip „Yu Wei“ und meinen damit „willentliches Herbeiführen“ oder „gelenktes Handeln“. Weitere Umschreibungen sind:
Anhaften
Lenken
Kontrollieren
Steuern
Forcieren
Erzwingen
Wollen
Sobald du etwas bewusst und willentlich herbeiführen willst, wie zum Beispiel in einem Wettkampf zu siegen oder deine Beziehung zu erhalten, hältst du fest. Du versuchst, zu lenken, zu kontrollieren und dem Leben eine Richtung vorzugeben.
» Festhalten ist wie dem großen Fluss ein neues Bett zu graben.
Aber warum ist das etwas Schlechtes? Schließlich haben wir schon vielen Flüssen ein neues Bett gegraben!
Warum Festhalten die Ursache allen Übels ist
Es scheint zunächst nicht zwangsläufig schädlich zu sein, festzuhalten. Wir tun das doch alle. Und Flüssen ein neues Bett zu graben ist uns auch nicht fremd. Haben wir Menschen doch schon vielfach in natürliche Flussläufe eingegriffen und sie begradigt. Warum sollten wir das nicht tun, wenn wir es doch können? Weil es Leid mit sich bringt. Nicht bloß für das Ökosystem des Flusses, das massiv beeinträchtigt wird, sondern auch direkt für uns. Zum Einen sind zum Beispiel Hochwasser und Überschwemmungen eine große Gefahr solcher Eingriffe. Der natürliche Verlauf von Flüssen ist oft durch unzählige Windungen gekennzeichnet, die die Wassermassen bremsen. Nimmt man ihm diese Windungen durch eine Begradigung, fließt das Wasser schneller und tritt bei Starkregen oder wenn es dann doch einmal auf eine Kurve stößt viel schneller über die Ufer. Zum Anderen sorgt der natürliche Verlauf von Flüssen auch für eine natürliche Reinigung des Wassers. Schau dir das Wasser in den Flüssen unserer Ballungszentren an: modrig, dreckig, fast tot. Da willst du weder drin baden, geschweige denn davon trinken. Warum erzähle ich dir das? Weil es mit dem Festhalten beziehungsweise dem gelenkten Handeln in unserem Leben genauso läuft. Wir denken, dass wir etwas Gutes bewirken, wen wir festhalten, aber die Folgen können wir meist nicht abschätzen. Nicht einmal, wenn wir es wollten. Wir schränken unser eigenes Leben ein, durch selbst geschaffene Dämme und Begradigungen aus Erwartungen und Meinungen anderer. Genau wie dem Fluss nehmen wir uns so die Möglichkeit, uns selbst zu reinigen und sind hoffnungslos dem ganzen Müll und den Schadstoffen ausgeliefert, die ständig in uns hineingekippt werden. Und wenn dann wirklich einmal eine Regenzeit in unserem Leben folgt, treten wir schnell über die Ufer, sind außer uns oder geraten in Panik.
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