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Wahrscheinlich kannst du es dir im dritten Beispiel schon selbst herleiten. Der Vollständigkeit halber führen wir unsere Überlegungen dennoch fort: Warum leidest du nach dem Verlust deines Partners?
1 Zum einen ist da dein Ideal …von einer glücklichen Beziehungdass dein Partner dir treu sein solldass du einen beziehungsweise genau diesen Partner brauchst, um glücklich zu sein
2 Zum anderen gibt es die Realität, die dieser Erwartung ganz und gar nicht entspricht:deine Beziehung ist gescheitertvielleicht hat dich dein Partner sogar betrogendu bist wegen all dem todunglücklich
» Deine Erwartung der „heilen“ Beziehungswelt trifft auf die enttäuschende „echte“ Welt und verursacht dein Leid und deinen Schmerz.
Die Box und die Bauklötzchen
Bei dem Aufeinandertreffen von unseren Erwartungen und der Realität muss ich immer an ein Spielzeug denken, dass ich als Kind hatte. Es bestand aus einer Box, die verschiedene Bauklötzchen beinhaltete. Darunter waren zum Beispiel Würfel, Zylinder, Dreiecke oder Kugeln. Der Deckel der Box hatte verschiedene Öffnungen, durch die man die Klötzchen in die Box befördern konnte. Diese Öffnungen waren jedoch durch ihre Form und Größe so beschaffen, dass immer nur das richtige Klötzchen durch die richtige Form passte. Die Kugel passte nicht durch die quadratische Öffnung und der Würfel nicht durch das dreieckige Loch usw. Einzig bei Zylinder und Kugel war ein Schummeln möglich, was aber durch ihre unterschiedliche Größe recht offensichtlich war.
Warum erzähle ich dir nun von meinem alten Kinderspielzeug? Weil es genau dasselbe Prinzip ist, nach dem unsere Konflikte mit der Welt entstehen: Die Welt und die Ereignisse und Dinge in ihr, das sind die Bauklötzchen. Deine Erwartungen und Ideale sind die Öffnungen, durch die du die Welt hindurchzuzwängen versuchst. Erwartungen sind also die Schablone, die du für deine Welt schaffst. Und wenn du nun ein Klötzchen durch eine Öffnung zu drücken versuchst, die nicht dazu passt, dann leidest du. Da stellt sich natürlich die Frage nach der Ursache dieses Problems.
Wer hat Schuld an deiner Misere? Ist es die Realität beziehungsweise deine Umwelt oder ist es deine Erwartung und damit du selbst? Sind es die Klötzchen oder ist es die Schablone? Die Antwort ist nicht immer eindeutig. Deshalb widmen wir uns dieser Frage im nächsten Kapitel.
» Je größer der Unterschied zwischen deinen Erwartungen und der Realität, desto größer sind deine Probleme.
All deine Probleme entstehen immer und ausnahmslos durch das Aufeinandertreffen von zwei Dingen:deiner Erwartung von der Welt, wie sie sein sollteder Realität, die diesem Ideal nicht entspricht
Sowohl das Ausbleiben der einen als auch der anderen Bedingung würde die Entstehung des Problems verhindern
Wer ist also Schuld? Du oder die Realität?
Was sind die beiden Faktoren, die für die Entstehung deines aktuellen Problems verantwortlich sind? Wie lautet deine Erwartung? Wie sieht die Realität aus, auf die sie trifft?
Wer ist schuld, du oder die Welt?
„Wenn der Bauer nicht schwimmen kann, ist grundsätzlich die Badehose schuld.“
(Lebensweisheit)
Wenn es zu einem Konflikt kommt, wird immer schnell die Frage nach einem Schuldigen laut. Wer hat angefangen? Wer hat das Problem durch welche Handlung verursacht? Wo ist der Verantwortliche? In Wahrheit gibt es so etwas wie einen Schuldigen nicht. Wir haben gesehen, dass ein Problem niemals durch eine Ursache alleine ausgelöst wird. Es sind immer zwei Faktoren notwendig. Und so ist es auch in jedem anderen Konflikt. Damit ein Konflikt entstehen und bestehen kann, braucht es immer zwei.
„Ein Bock alleine stößt nicht.“
Das hat meine Mutter immer gesagt. Stell dir vor, du bist sauer und legst dich mit jemandem an, der einfach nicht reagiert. Du kannst toben und ausrasten soviel du willst, wenn der andere nicht mitmacht, dann entsteht auch kein Streit. Und so ist es auch mit all unseren anderen Problemen und unserem Leid.
» Wenn einer der beiden Faktoren nicht „mitmacht“, entsteht auch kein Problem.
Deshalb lässt sich auch kein eindeutiger „Schuldfaktor“ ausmachen. Es ist wie bei den Bauklötzchen und den Öffnungen in der Box. Hast du das falsche Klötzchen oder benutzt du das falsche Loch? Das ist aber keine schlechte Nachricht, sondern eine gute: Wenn an der Entstehung eines Problemes immer zwei Faktoren beteiligt sind, dann gibt es auch immer mindestens zwei Ansatzpunkte, um dieses Problem zu lösen! Wie lauten die beiden Ansatzpunkte?
Die zwei Möglichkeiten, um dein Leid zu lösen
Wenn ein Klötzchen nicht durch die Öffnung passt, dann können wir entweder ein anderes Klötzchen versuchen oder wir versuchen das passende Loch zu finden. Und wenn Klötzchen und Öffnung hier sinngemäß für Welt und Erwartung stehen, dann bleiben uns am Ende logischerweise die folgenden beiden Möglichkeiten, um uns von unserem Leid zu befreien:
1 Wir passen die Welt an unsere Schablone an.
2 Wir passen unsere Gedanken bzw. die Schablone an die Welt an.
Du kannst dir sicher schon denken, dass Möglichkeit a) nicht immer und überall funktioniert. Aber warum geht das nicht? Es wäre doch so schön einfach …
Warum wir die Welt nicht immer ändern können
Die Welt lässt sich nichts vorschreiben. Sie gehört keinem und nichts auf der Welt gehört dir. Nicht einmal das, was du für dein Eigentum hältst. Darauf werden wir später im Buch noch ganz genau eingehen. Für die Lösung deines Problems bedeutet das: Du hast absolut gar keine Macht über Dinge, die außerhalb von dir selbst liegen. Nur über das, was in dir liegt, kannst du wirklich verfügen. Oder wie es der Autor und Motivationstrainer Jack Canfield ausdrückte:
„Die Ernte kannst du nicht ändern – wohl aber was du aussäst.“
(Jack Canfield)
Leider ist es aber genau der entgegengesetzte Weg, auf dem wir immer wieder versuchen, unsere Probleme zu lösen. Wir wollen die Welt verändern. In gewissen Grenzen gelingt uns das meist auch ganz gut. Aber es ist wie mit den Bauklötzchen in meinem Kinderspiel: Wenn du immer nur versuchst, das richtige Klötzchen für die Form zu finden, wirst du das Spiel nie gewinnen. Irgendwann sind alle Würfel durch die quadratische Öffnung gewandert und du hast nur noch Dreiecke und Zylinder rumliegen, die nicht durch deine Schablone passen. Diese äußere Art der Problemlösung erscheint also zwar oft einfacher und schneller ist aber auf lange Sicht sehr begrenzt. Schauen wir uns dazu ein Beispiel an: Sagen wir, du hast den Gedanken, dass die Menschen in deiner Umgebung immer recht freundlich sein sollten. Kannst du die Welt nun so hinbiegen, dass alle deine Mitmenschen freundlich zu dir sind? Immer und überall? Ich denke nicht. Du kannst sie belehren, als gutes Beispiel vorangehen oder ihnen einen Gutschein für einen Knigge-Kurs schenken. Doch am Ende wird immer mindestens ein schlecht gelaunter Stinkstiefel dabei sein. Das muss nicht einmal immer derselbe sein. Jeder hat ja mal einen schlechten Tag. Eine passende Metapher dafür sind schreiende Babys im Flugzeug. Weißt du, was deren bemerkenswerteste Eigenschaft ist?
» Auf jedem Flug gibt es mindestens ein schreiendes Baby.
Und du kannst nichts dagegen tun. Du kannst dir einen Platz möglichst weit vorne oder hinten reservieren, ausschließlich Business-Class buchen oder schon drei Wochen vor dem Flug dafür beten, dass es dieses eine Mal kein schreiendes Baby auf deinem Flug geben wird. Oder zumindest nicht in der Nähe deines Sitzplatzes. Und doch richtest du nichts dagegen aus. Wir können schreiende Babys nicht von unseren Flügen entfernen. Das sollten wir auch nicht, schließlich waren wir ja selbst einmal so kleine hilflose Geschöpfe, die sich ausschließlich durch ihre Stimme bemerkbar machen konnten. Wir können aber lernen, mit schreienden Babys umzugehen.
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