Beispiel 2: Ängste und Selbstzweifel
Hier ist es genauso wie beim Stress im Alltag: Warum hast du Ängste und Zweifel vor dem Sprechen vor einer Gruppe? Weil dich jemand zu dem Vortrag gedrängt hat? Weil es eine Voraussetzung für deinen Beruf oder deine Ausbildung ist? Nein. Du hast Angst und zweifelst, weil du in dir die Erwartung hast, bei einem Vortrag vor einer Gruppe gut zu sein. Wäre es dir egal, was das Publikum von dir halten würde, könntest du ganz entspannt und locker auf die Bühne treten und den schlechtesten Vortrag aller Zeiten halten und dich dabei sogar noch amüsieren. Aber das willst du nicht.
» Es ist deine Überzeugung, mit der du dir selbst Angst machst.
Und jetzt sage nicht, dass man aber von dir verlangt, dass der Vortrag gut sein soll. Das ist eine Falle, in die wir oft tappen, weil es einfach so verlockend erscheint, die Verantwortung für unsere Probleme abzugeben. Wir nutzen jede Ausfahrt, die wir kriegen können. Wenn jemand von dir verlangt, dass der Vortrag gut sein soll und du deswegen Angst und Zweifel hast, dann liegt das nicht an dieser Forderung. Es liegt an deinem Ideal, dass du diesen Jemand nicht enttäuschen willst!
Auch hier gilt das gleiche Prinzip: Warum quält dich der Kummer über den Verlust deines Partners? Weil er abgehauen ist und dir das Herz gebrochen hat? Weil er einen neuen Partner gefunden hat? Weil es nun einmal so ist und so zu sein hat, dass man beim Verlust einer Liebe trauert? Nein. Du hast in deinem Kopf die Erwartung, dass du diesen Partner brauchst, um glücklich zu sein. Mag sein, dass du dieses Ideal nicht selbst entworfen und bewusst gesetzt hast. Aber du hast es angenommen. Von der Gesellschaft, deinen Eltern, Freunden, den Medien … ganz egal. All diese Instanzen sind nicht für dein Leid verantwortlich. Und auch dein Partner, der dich verlassen hat, ist nicht für dein Leid verantwortlich.
» Du bist verantwortlich für deinen Kummer, weil du die Erwartung, mit diesem Menschen glücklich zu sein, trotz aller Widerstände zwingend erfüllen willst.
Ich weiß, das hörst du nicht gerne. Mir ging es genauso. Es ist eine bittere Pille, aber du musst sie schlucken, wenn du dich von deinem Leid lösen willst.
Warum es so wichtig ist, dass du die Erwartungen hinter deinen Problemen erkennst
Dies alles zu erkennen und zu verstehen ist ein extrem wichtiger Schritt. Wenn du verstehst, dass nicht die Umwelt an sich, sondern das Zusammentreffen deiner Erwartungen mit den Tatsachen deiner Umwelt die Ursache deiner Probleme sind, dann ist auch deren Lösung nicht mehr alleine von deiner Umwelt abhängig, sondern von dir. Du öffnest eine Tür und nimmst dir die Macht zurück, deine Probleme selbst zu lösen. Damit dir das auch gelingt, schauen wir uns im nächsten Kapitel unsere Erwartungen etwas genauer an: Wie entstehen sie? Wie funktionieren sie? Wie können wir sie beeinflussen? Die gemeinsame Antwort auf all diese Fragen lautet nämlich: Durch unsere Gedanken.
» Du bist verantwortlich für dein Problem. Immer. Nur wenn du das verstehst, kannst du es lösen.
Die Konflikte zwischen unserer Erwartung und der Welt sind wie Formen, die nicht durch die Öffnung in die Box passen.
Wir neigen dazu, die Verantwortung für unsere Probleme an unsere Umwelt abzugeben und die richtige Form für unsere erwartete Öffnung zu suchen.
Es ist naheliegend, einfach, wird uns so beigebracht und ist von der Gesellschaft anerkannt, so vorzugehen.
Aber dieses Verhalten lähmt uns auch, denn nur das, was in unserer eigenen Macht steht, können wir auch beeinflussen.
In einem gewissen Maß ist es sinnvoll, zu versuchen, eine Lösung im Außen zu finden (Beispiel schlagender Partner).
Diese äußeren Möglichkeiten sind aber meist begrenzt, ähnlich wie die Formen derselben Art in einem Klötzchen-Set.
Für absolut jedes Problem kannst du aber die Verantwortung übernehmen, wenn du die Ursache nicht mehr in deiner Umwelt, sondern in deinen Erwartungen an sie siehst. Du suchst nicht mehr nur die passenden Formen, sondern die passenden Öffnungen.
Dieser Ansatz macht dich wieder handlungsfähig und ermöglicht es dir, dich von deinen Erwartungen und damit auch von deinem Leid zu befreien.
Damit dir diese Befreiung gelingt, musst du natürlich in der Lage sein, deine Erwartungen und Ideale zu erkennen. Der Schlüssel dazu sind deine Gedanken.
Was kannst du tatsächlich in deiner Umwelt tun oder von ihr verlangen, um dein größtes Problem zu lösen? Inwieweit ist dafür eine Änderung deiner inneren Haltung erforderlich? Wo gelangst du mit äußeren Methoden an die Grenzen? Wie kannst du dir die Macht zurückholen, dein größtes Problem selbst zu lösen, wenn du im Außen nicht mehr weiter kommst?
Die Quelle unserer Erwartungen
„Im Anfang war das Wort“[Fußnote 7] (Joh 1, 1, LU)
Jeder kennt diesen Spruch. Dabei ist er ziemlich frei übersetzt. Im griechischen Original heißt das Wort nämlich „Logos“ und dieser Begriff wird in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedlich verwendet. Unter anderem im Sinne von „Wort“ und „Rede“ sowie deren Gehalt („Sinn“). Logos bezeichnet aber auch das geistige Vermögen, zum Beispiel die „Vernunft“ und das „Denken“. Meiner Meinung nach sollte der Spruch deshalb lauten:
» „Im Anfang war der Gedanke.“
Denn unsere Gedanken erschaffen unsere Welt. Deine Gedanken sind der Ursprung deiner Erwartungen und damit auch die Gestalter deiner Welt:
„Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.“
(aus dem Talmud)
Wie deine Gedanken deine Erwartungen formen (und dein Leben lenken)
„Nichts ist so, wie es scheint.“
(Sprichwort)
Kennst du diesen Spruch? Er ist falsch! Alles ist nämlich ganz genau so, wie es scheint. Und zwar wie es dir scheint. Nehmen wir das wohl bekannteste Beispiel: Ein Glas, das bis zur Hälfte mit Wasser gefüllt ist. Ist es halbvoll oder halbleer? Was meinst du? Keine Sorge, ich will nicht herausfinden, ob du Optimist oder Pessimist bist. Dieses Beispiel soll dir nur eines zeigen: Du entscheidest es! Durch deine Gedanken. Je nachdem, wie deine Gedanken dazu sind, lebst du also entweder in einer Welt mit halbvollen oder halbleeren Gläsern. Und so ist es mit allem da draußen: Die ganze Welt ist genauso, wie du sie siehst. Genauer gesagt so, wie du sie denkst.
Wenn du oft an unfreundliche Kollegen denkst, lebst du in einer Welt voller unfreundlicher Mitarbeiter.
Wenn du oft an gute Freunde und gemeinsame Unternehmungen denkst, lebst du in einer Welt voll mit diesen Dingen.
» Wer die Kontrolle über seine Gedanken hat, hat die Kontrolle über seine Welt!
Leider sind die meisten dieser Gedanken unbewusst. Sie haben sich über viele Jahre bei uns „eingenistet“ und sind in der Regel nur schwer wieder zu ändern oder loszuwerden. Das Wasser hilft uns dabei, diesen Vorgang zu verstehen:
Der Weg des Wassers – wie unsere Erwartungen entstehen
Bleiben wir beim Beispiel von unserem Bach aus dem vorigen Kapitel: Stell dir vor, deine Gedankenkraft, der Stoff, aus dem deine Gedanken sind, wäre Wasser. Die Fülle aller möglichen Wege, die deine Gedanken in deinem Kopf nehmen können, das ist eine große vielseitige Landschaft. Sie können nach links, nach rechts, geradeaus oder sogar im Kreis fließen. Nun lasse einen Gedanken entspringen. Irgendwo inmitten dieser riesigen Landschaft voller Möglichkeiten sprudelt ein kleiner Gedankenbach aus einer Quelle hervor und bahnt sich seinen Weg. Welchen Weg nimmt er? Genau wie das Wasser in der Natur nehmen auch unsere Gedanken immer den leichtesten Weg. Kein Bach würde sich die Mühe machen, einen Hügel oder gar einen Berg hinaufzufließen. Und so tun es auch unsere Gedanken nicht.
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