Ich habe meine Frau kennengelernt, als ich die Suche nach einer Partnerin aufgegeben und das Alleinsein akzeptiert hatte.
Wir haben durch Zufall ein schönes Zuhause gefunden, als wir gar nicht danach gesucht haben.
Ich habe meine Leidenschaft, das Schreiben, entdeckt, als ich gar nicht mehr damit rechnete.
Die Lösung eines Problems fällt mir oft dann ein, wenn ich gar nicht daran denke, zum Beispiel unter der Dusche.
Ein Geldsegen flattert meist dann ins Haus, wenn ich gar nicht damit rechne.
Meine Texte werden meist dann richtig gut, wenn ich sie einfach nur für mich schreibe.
Probleme im Alltag lösen sich wie von selbst, wenn ich sie bereits akzeptiert und vergessen habe.
Meine Gesundheit verbesserte sich oft, nachdem ich eine Krankheit vollkommen akzeptiert und mich damit abgefunden hatte.
Ich bin mir sicher, du hast in deinem Leben auch schon etwas Ähnliches festgestellt. Falls dir gerade etwas einfällt, kannst du es gerne hier aufschreiben:
Aber warum ist das oft so, dass sich unsere Probleme genau dann lösen, wenn wir sie akzeptieren und loslassen?
Wie die Lösung durch Loslassen funktioniert (ohne Hokuspokus)
Manchmal kommt die Erlösung von innen heraus. Zum Beispiel weil du feststellst, dass du das, was du dir zuvor wünschtest, gar nicht mehr brauchst und auch so glücklich sein kannst. Oder weil du sogar einen Segen und neue Möglichkeiten in einer Situation sehen kannst, die zuvor nur ein unliebsames Problem war. Manchmal ist es aber auch tatsächlich so, dass sich die äußeren Umstände genau dann zu fügen scheinen, wenn wir nicht mehr daran festhalten und diese Fügung bewirken wollen. Dann erschaffen wir nicht mehr diesen aktiven Widerstand, den wir mit dem Festhalten immer erzeugen und das Leben und unser Überbewusstsein haben Raum zum Wirken.
» Es ist im Endeffekt immer unsere innere Einstellung, die die Lösung herbeiführt – ganz ohne Hokuspokus.
Du siehst, dass es sich durchaus lohnt, den Prozess des Loslassens näher zu erforschen. Das wollen wir im Folgenden anhand unserer praktischen Beispiele aus dem Leben tun und genau feststellen, wie du durch Loslassen dein Problem lösen kannst. Um uns aber zunächst einmal das Grundprinzip dieser Fähigkeit des Loslassens vor Augen zu führen, nehmen wir ein allgemeines Beispiel, das jeder nachvollziehen kann: den Atem.
Dein Atem – warum Loslassen überlebenswichtig ist
Dein Atem ist ein wundervolles Phänomen. Er eignet sich perfekt, um das Prinzip des Loslassens zu verstehen und zu üben. Wir werden uns später eine sehr hilfreiche Atemtechnik anschauen, die dir beim Loslassen hilft. Zunächst musst du aber Folgendes verstehen:
» Du kannst deinen Atem sowohl bewusst kontrollieren als ihn auch von selbst fließen lassen und ihn durch dein Überbewusstsein steuern lassen.
Den Atem festhalten = Leid
Nun stell dir vor, dein Atem ist etwas, das du unbedingt willst und brauchst. Viel vorstellen musst du dir da nicht, denn du brauchst ihn ja. Ohne deinen Atem könntest du nicht überleben. Also verfährst du nach dem üblichen Muster des Festhaltens. Weil du Angst hast, deinen Atem zu verlieren, hältst du ihn an. Was passiert? Du wirst nicht lange am Leben sein.
» Je mehr du deinen Atem durch Anhalten behalten willst, desto mehr verlierst du ihn.
Den Atem loslassen = Erlösung
Wenn du deinen Atem aber loslässt, stellst du fest, dass er immer wieder zu dir zurückkommt. Du musst ihn nicht bewusst kontrollieren und anhalten. Du gibst ihm die Freiheit, zu kommen und zu gehen, wann immer er will und deshalb kommt er immer wieder. Du kannst ihn ruhigen Gewissens fließen lassen und darauf vertrauen, dass er immer wieder zurückkommen wird. Unsere normale Atmung ist keine kontrollierte, bewusste oder absichtliche Atmung. Sie ist spontan und absichtslos, aus sich selbst heraus. Es ist viel mehr ein „Atmen lassen“, als ein Atmen. Wir vertrauen darauf, dass der Atem wieder kommt, wenn wir ihn loslassen. Das ist das Prinzip des wahren Loslassens. Und genauso wirkt es im Alltag, in der Liebe und überall sonst im Leben.
» Loslassen ist wie ein befreites Ausatmen in dem Wissen, dass der Atem viel tiefer zurückkommen wird.
Aber nicht nur der Atem ist ein anschauliches Sinnbild dafür. Auch unser ständiger Begleiter in diesem Buch, bietet uns mehr als eine passende Metapher dazu …
Der Weg des Wassers – warum du loslassen musst, wenn du etwas halten willst
„Wasser, das man im Tümpel sammelt und festhält, wird ungenießbar. Wasser, das man im Bach strömen lässt, bleibt frisch und klar.“
(Unbekannt)
Im Kapitel über das Festhalten haben wir dieses Prinzip ebenfalls mithilfe des Wassers veranschaulicht. Falls du dich nicht mehr erinnern kannst, es ging um dieses schnelle Experiment:
„Fülle ein Behältnis mit Wasser. Greif hinein und versuche das Wasser mit deinen Händen festzuhalten. Zieh sie heraus. Drücke so fest wie möglich zu, damit dir auch nichts verloren geht. Was hast du in der Hand?
Nichts.“
Wenn du dich aber vom Festhalten befreist, bist du in der Lage, das Wasser wirklich aus dem Behälter zu holen.
» Forme eine offene Schale mit deinen Händen und das Wasser sammelt sich darin.
So ist es mit dem Wasser, so ist es mit deinem Atem, so ist es mit deinem Partner und so ist es mit allen Dingen in deinem Leben! Wenn du sie krampfhaft festzuhalten versuchst, entrinnen sie dir. Wenn du sie aber loslässt und ihnen Raum gibst, obgleich der Gefahr, dass sie dir jemand wegnehmen könnte, dann gedeihen sie. Sei wie die offene Schale, nicht wie die geschlossene Faust. Das ist wahres Loslassen.
Was wahres Loslassen bedeutet
Das Prinzip, das wir gerade kennengelernt haben, ist „Wu Wei“ oder das wahre Loslassen. Es ist das Gegenprinzip zu dem im zweiten Teil vorgestellten „Yu Wei“, dem Festhalten. Die Begriffe „Wu Wei“ und „Yu Wei“ stammen aus dem Chinesischen und aus den Anfängen des Daoismus, als diese beiden Prinzipien zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte festgehalten wurden (um 400 v. Chr. in Laotses Tao Te King).
„Wu“ bedeutet „nicht“.
„Wei“ ist das „Handeln“, „Machen“, „Aktiv sein“ oder „Anstrengen“.
„Wu Wei“ wird oft übersetzt mit:
„absichtsloses Handeln“
„Enthaltung eines gegen die Natur gerichteten Handelns“
„Handeln durch Nicht-Handeln“ (Wei Wu Wei)
Gemeint ist aber letzten Endes nichts anderes, als das Loslassen, so wie wir es hier besprechen.
Warum Loslassen nicht Nicht-Handeln bedeutet
Im Daoismus sieht man das Vollkommene als an sich leer, weich und spontan an. Wie das Wasser. Und genauso sollte auch das Handeln sein. Das heißt, ohne dass der bewusste Verstand eingreift, sich den Umständen anpassend und intuitiv.
» Die treffendste Übersetzung von „Wu Wei“ wäre somit „Nicht-Eingreifen“ oder einfach „Loslassen“.
Damit stellt das Loslassen das Gegenteil des Festhaltens dar, das wir als „gelenktes Handeln“ oder „willentliches Herbeiführen“ kennengelernt haben. Wu Wei bedeutet aber nicht, dass man gar nicht handelt, sondern dass die Handlungen spontan in Einklang mit dem Tao, der Natur, dem, was ist, entstehen und so intuitiv das Notwendige getan wird, aber nicht in Übereifer oder blindem Aktionismus. Auf den genauen Unterschied gehen wir im folgenden Kapitel näher ein. Jedenfalls wäre alles andere wieder Yu Wei und somit Festhalten. Oder wie Dschuang Dsi sagt:
Читать дальше