Warum das Trennen zum Sterben führt
Das ist keine neue Erkenntnis. Es ist und war schon immer so. Du musst dich nur einmal in der Natur umschauen:
Trenne einen Apfel vom Baum und der Apfel stirbt.
Trenne den Baum von der Erde und der Baum stirbt.
Trenne die Erde von der Sonne und die Erde stirbt.
Nach diesem Muster verfährt das Leben auch bei dir: Trenne ein Ego von allem und das Ego stirbt. Das lehrt uns sogar die Bibel. In meinen Augen steht auch die Geschichte von Adam und Eva im Paradies als Metapher für dieses Phänomen des Trennens und Sterbens.
Warum das Ego die eigentliche Ursünde ist
„[...] aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet!
Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß: An dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.
Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von seiner Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß.“[Fußnote 14] (Gen 3, 3-6, LU)
Für mich beschreibt dieser Akt die Abspaltung des Egos, das ab einem gewissen Zeitpunkt als eigenständig wahrgenommen wird. Der vermeintliche Erkenntnisgewinn geht einher mit dem Verlust der Einheit und der „Herrlichkeit“. Wie die Geschichte weiterging, wissen wir alle. Mit den Folgen dieser sogenannten Ursünde kämpfen wir ja noch heute. Die Quelle und Ursache all unseres Leidens und letztendlich auch unseres Sterbens liegt also darin, dass wir uns als getrennt vom Ganzen und als eigenständige Individuen wahrnehmen, die unabhängig existieren können. Und das ist auch zugleich der Grund dafür, warum wir so große Angst vor dem Tod haben:
Warum du Angst davor hast, zu sterben
Wenn etwas separiert ist, dann ist es alleine und hilflos. Stell dir einfach vor, wie in der Natur ein einzelnes Tier von seiner Herde getrennt wird. Was passiert dann? Richtig, es bekommt Angst. So auch unser Ego. Das Ego hat Angst, zu verschwinden, weil es alles zu sein scheint, was dich ausmacht. Das Ganze ist schon fast komisch, so als würdest du den Ast absägen, auf dem du sitzt und dann immer mehr Angst vor dem drohenden Absturz bekommen. Du bist dir nicht mehr darüber bewusst, dass du mehr als dein Ego bist und dass der Ast, an den du dich so klammerst, Teil von etwas viel Größerem ist! Deshalb stirbst du und deshalb hast du Angst davor. Nun kennst du also den Grund für deine Angst vor dem Tod, aber was kann man dagegen tun? Der Apfel ist doch schon vom Baum, oder?
Was du gegen die Angst vor dem Tod tun kannst
Ja und nein. Der Apfel ist zwar gepflückt, sprich das Ego ist separiert, aber in dieser Angelegenheit ist es keine Einbahnstraße. Einen wirklichen Apfel bekommst du nicht wieder an den Baum. Zumindest nicht so, dass er weiterleben kann. Mit deinem Ego geht das aber schon. Dein Ego existiert nämlich nicht physisch, im Gegensatz zum Apfel. Es ist nur ein geistiges Konstrukt aus Erinnerungen, Gedanken und Emotionen, das du als eigenständig seiendes Objekt wahrnimmst und zu deinem Ich erklärt hast. Das macht die Lösung des Problems simpel: Hör auf, dein Ego als eigenständig seiendes Objekt wahrzunehmen!
„Leichter gesagt als getan … Wie soll das gehen? Ich bin doch mein Ego! Mein Ego liest das hier doch gerade! Soll ich aufhören mich selbst wahrzunehmen?“ , denkst du jetzt vielleicht. Nein, so funktionier es nicht, aber es gibt einen Weg …
Die Ego-Wahrnehmung verändern
Im Problem selbst liegt auch schon die Lösung verborgen: Wenn es dir möglich ist, dein Ego als etwas eigenständiges wahrzunehmen, dann bedeutet das, dass da „im Hintergrund“ noch etwas anderes sein muss, das in der Lage ist, das Ego als etwas eigenständiges wahrzunehmen. Und dieses Etwas im Hintergrund, das ist das „Mehr sein“ und das, was uns mit allem anderen verbindet. Ich nenne es, das wahre Selbst. Du musst dir einfach nur darüber bewusst werden, dass deine Wahrnehmung deines Egos nur eine Perspektive ist. Diese kannst du ändern, jederzeit. In Teil 4 dieses Buches, wenn es um den Weg zum wahren Loslassen geht, werden wir uns gleich als erstes detailliert damit auseinandersetzen, wie dieser Perspektivwechsel aussiehst und wie du ihn durchführen kannst. Denn der erste und wichtigste Schritt auf dem Weg des Loslassens ist die Überwindung des Egos und damit der Ursache all unseres Leides.
Das Ego – Ausgangspunkt all unseres Leides
Wir haben erkannt, dass all unser Leid und all unsere Probleme im Leben letzten Endes in unserem Ego verwurzelt sind. Das ist generell erst einmal nichts Schlechtes. Schließlich half und hilft uns diese Egofunktion, zu überleben. Aber oft macht sie uns auch das Leben schwer, da sich die Umstände geändert haben und das Ego zum Übertreiben neigt („lieber einmal mehr Angst haben, als einmal zu wenig“).
» Da wir nun die Ursache all unserer Probleme kennen, können wir uns endlich mit der Lösung beschäftigen.
Im nächsten Kapitel fassen wir das bisher Gesagte noch einmal kurz zusammen und gehen dann direkt über zur Lösung.
» Das Ego ist der Urquell all unserer Probleme und all unseres Leides.
Das Ego ist ein Überlebensinstrument, das jeder für die Zeit seines Lebens bekommt – eine vorübergehende Form, die unser Wesen umgibt, solange es auf sich alleine gestellt ist.
Es ist wie die Festplatte deines PC, die du mit der Zeit füllst und von den Gefahren des Netzes abgrenzen und schützen willst.
Das sind seine Hauptaufgaben und die nimmt es gewissenhaft wahr.
Da sich unsere Lebensumstände aber geändert haben, sind diese Funktionen heute oft fehl am Platze oder übertrieben.
Das Ego erzeugt Stress, Versagensängste, Selbstzweifel, Liebeskummer und viele andere Erscheinungen, die unserer Gesundheit und unserem Wohlergehen oft nicht zu-, sondern eher abträglich sind.
Unser Ego erzeugt unsere Ängste und Sorgen, die uns in Negativspiralen reißen und wegen denen wir am Ende festhalten.
Da wir nun die Ursache all unserer Probleme kennen, können wir uns auch mit der Lösung beschäftigen.
Wie lässt sich die Angst, die hinter deinem aktuellen Problem steckt, auf dein Ego zurückführen? Wie dient dieses Verhalten seinem Überleben und wie sabotiert es dein Wohlbefinden?
Warum du leidest
„Die Ursache Ihres Leids liegt nicht im Leben draußen, sondern in Ihnen als Ihr Ego. Sie legen sich selbst Begrenzungen auf und machen dann vergebliche Anstrengungen, sie zu überwinden.“
(Ramana Maharshi)
All dein Leid, all deine Probleme und all dein Festhalten lassen sich am Ende auf einen Ausgangspunkt zurückführen: dein Ego. Zur Verdeutlichung führen wir uns einmal die Zusammenhänge an einem Beispiel vor Augen.
Beispiel – der Prozess des Festhaltens
Wir nehmen das zweite Beispiel „Ängste und Selbstzweifel“, da es für jeden gut nachvollziehbar ist. In allen anderen Fällen und auch bei deinem eigenen individuellen Problem verhält es sich aber genauso:
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