In diesem Gewässer lauert ein Ungetüm. Dieses Ungetüm ist endlich der wahre Kern all unserer Probleme …
Welche Verlustängste bringen dich dazu, bei deinem aktuell größten Problem festzuhalten? Worin hast du schon so viel investiert? Was hast du zum Bestandteil deiner Identität gemacht? Woran hast du dich gewöhnt?
Des Pudels Kern
„Das Ego in Gestalt der Ich-Vorstellung ist die Wurzel des Baumes aller Wahnvorstellungen: Wird sie vernichtet, ist aller Wahn gefällt.“
(Ramana Maharshi)
Nun gelangen wir endlich zum Zentrum all unserer Verlustängste, Sorgen, Negativität, Erwartungen, allen Festhaltens und schließlich all unserer Probleme.
» Der Auslöser für all das ist unser Ego.
Jetzt fragst du dich wahrscheinlich erst einmal zurecht, was das überhaupt genau ist, dieses „Ego“? Ständig und überall hört man ja davon, dass das Ego gepusht oder gezähmt, gestreichelt oder herausgefordert wird. Werfen wir also einmal einen genaueren Blick darauf …
Der Begriff Ego ist an sich etwas negativ behaftet, verwenden wir ihn doch in Wörtern wie „egoistisch“ oder „egozentrisch“. Das Ego an sich ist aber keine schlechte Sache. Es ist im Grunde nichts weiter als ein Werkzeug. Es ist eine Einrichtung, die wir im Laufe der Jahrmillionen unserer Evolution entwickelt haben, um unser Überleben zu sichern.
» Das Ego ist ein Instrument, das unser Überleben sichert.
Wie sichert es unser Überleben? Indem es uns abgrenzt. Dadurch, dass das Ego eine Ich-Identität erschafft, sorgt es gleichzeitig dafür, dass wir darauf achten, diese Ich-Identität zu erhalten. Ohne Ego würden wir nicht unterscheiden können, was wirklich wir sind und was nicht und demnach auch nicht so gut für unser eigenes Überleben sorgen können. „Überleben“, das war ja auch das Stichwort der vorherigen Kapitel. Aber unser Ego hat auch noch ein paar andere Funktionen übernommen und neigt dazu, sie manchmal übereifrig auszuüben. Schauen wir uns deshalb einmal an, was das Ego denn da im Einzelnen macht.
Wie dein Ego funktioniert (und was es mit deinem PC zu tun hat)
Das Ego ist eine Art Schutzhülle um dein Selbst. Es beginnt im Kindesalter zu wachsen und wird durch äußere Einflüsse bekräftigt und immer größer und härter. Schon, dass du den Unterschied zwischen „mein“ und „dein“ lernst, ist ein solcher Einfluss, der eine der ersten dünnen Schichten zwischen deinem eigenen Selbst und deiner Umwelt erschafft.
» Dein Ego gibt dir eine klare Grenze. Eine Grenze zwischen „Ich“ und allen anderen.
Das Ego dient als Identifikator, als unverwechselbarer und einzigartiger Fingerabdruck eines Individuums. So wie dein Körper auf materieller Ebene aus dir ein Individuum macht und dich gegen die Umwelt abgrenzt, so grenzt dich das Ego auf der geistigen Ebene gegen die Umwelt ab und macht dein Ich greifbar. Es gibt dir Persönlichkeit. Durch all die Erfahrungen, die dein Ego im Leben sammelt, wird es einzigartig. Erfolge, Fehlschläge, verlorene Freundschaften und Liebschaften, Schmerzen, Freuden … all das wird Teil von dir. Weil diese Funktion deines Egos so abstrakt und schlecht vorstellbar ist, wollen wir das Ganze einmal anhand der folgenden Metapher nachvollziehen, die jeder mit einem PC und einem Internetanschluss leicht verstehen kann.
Warum dein Ego wie dein PC funktioniert
Stellen wir uns einen fabrikneuen PC vor, der in diesem Beispiel den menschlichen Körper darstellen soll. Für uns sind folgende Bestandteile des PC von wesentlicher Bedeutung: die noch leere Festplatte und der Internetzugang. Da nur durch die Hardware alleine der PC noch nicht läuft, erwecken wir ihn zunächst mit dem Betriebssystem „Mensch 1.0“ zum Leben. Der Internetzugang ist das Tor nach außen, zur Welt, zu anderen PC’s, zu riesigen Enzyklopädien voller Wissen und zu lustigen Katzenvideos. Dieser Zugang wird später noch eine wichtige Rolle spielen.
» Zu Beginn haben wir uneingeschränkten Zugriff auf alles und können aus dieser Quelle schöpfen, so viel wir wollen.
Wir sind facettenreich wie eine Discokugel, denn wir können so viele Gesichter annehmen, wie es Webseiten im Netz gibt. Über diesen Internetanschluss sind wir mit allem verbunden und sind gleichzeitig Teil von allem. Wir sind eins mit allem. Doch das bleibt nicht so, denn nun kommt das Ego ins Spiel …
Der leere Speicher unseres PC ist das Ego, das im Laufe der Zeit verschiedene Funktionen übernimmt, die auch negative Auswirkungen haben können, wenn das Ego zu übereifrig wird:
Da es dort draußen Dinge gibt, die für unser System schädlich sein können und die Verkörperung unseres Selbst bedrohen, müssen wir uns vor diesen Einflüssen schützen. Wir installieren einen Virenscanner und eine Firewall. Damit haben wir das Ego mit seinen ersten Funktionen beauftragt.
» Das Ego überprüft und bewertet alles, was hereinkommt und kategorisiert, ordnet oder wehrt es ab wie ein Türsteher vor einer Disco.
2) Identität (Verlangen nach Einzigartigkeit)
Die schöne saubere Festplatte eines neuen PC bleibt in der Regel nicht sehr lange leer und sauber. Wir speichern allerlei Dinge darauf, die wir für wichtig halten. Wir wählen Teile der großen Datenmenge des Internets oder von anderen Datenträgern aus und nehmen sie in unser System auf. Sie sind nun Teil von uns. Wir können uns über sie definieren.
» Die gesamte Kombination dieser Daten auf unserer Festplatte macht uns einzigartig.
3) Abgrenzung (Begrenzung)
Obendrein legen wir dann auch noch eine Startseite für unseren Internet-Browser fest und definieren ein paar Lesezeichen für die Seiten, auf denen wir uns am meisten aufhalten. Unseren uneingeschränkten Internetzugang haben wir damit erst einmal auf das Nötigste reduziert und aus der Discokugel einen kleinen Taschenspiegel gemacht.
» Wir haben keinen uneingeschränkten Zugang zu allem mehr, sondern nur noch einen ausgewählten Zugang.
4) Selbstbewusstsein (Arroganz)
Dazu kommt noch, dass wir den Daten auf unserer Festplatte viel mehr Vertrauen schenken, als denen im Internet. Das ist natürlich gerechtfertigt, denn schließlich haben wir Erfahrungen mit diesen Daten und Programmen. Wir wissen, was sie tun und welche Ergebnisse sie liefern und daher bauen wir lieber auf sie, als auf unbekannte Daten aus dem Netz.
» Wir hinterfragen nicht mehr, ob wir für ein Problem wirklich die beste Lösung kennen, sondern nutzen die, die uns unser System bietet.
5) Selbständigkeit (Egomanie)
Außerdem können wir uns sicher sein, dass diese Daten uns immer zur Verfügung stehen, auch dann, wenn wir einmal die Verbindung zum Netz verloren haben sollten.
» Wir hegen und pflegen diese Daten, als wären sie das Einzige, was es da draußen gibt.
6) Unabhängigkeit (Getrenntheit)
So machen wir uns Download für Download unabhängiger von dem Netz, an dem wir hängen und aus dem im Grunde alles kommt, was wir sind. Die Verbindung zum großen Ganzen wird nebensächlich. Das Ego hat die Oberhand auf unserem System. Es entscheidet was rein- und rausgeht und bietet die benutzbaren Routinen zum Leben an. Was nicht auf der Festplatte ist, wird nicht zur Lösung von Problemen herangezogen. Und was darauf ist, muss unbedingt um jeden Preis geschützt werden, weil es diese kleine abgeschlossene Einheit einzigartig macht.
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