Ruth Broucq - Tausche Liebhaber gegen Luxus.
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Inzwischen war der anfängliche Spaßfaktor vorbei und Ruth fand es traurig genug, dass sie sich in dem Alter noch aktiv mit diesem Dreck beschäftigen musste.
Tatsache war, dass Ruth sich dafür schämte, deshalb nicht einmal ihrer Busenfreundin Esther von ihrer neuen Tätigkeit erzählt hatte. Dabei konnte sie gerade mit Esther über alles reden, speziell über Milieu-Angelegenheiten, denn da hatten sie sich vor über dreißig Jahren kennen gelernt. Im Gegensatz zu ihr war Esther schon lange zum „soliden Leben“ zurückgekehrt.
Der Studio-Betrieb wurde weniger statt mehr und mit ihrem sinkenden Verdienst auch Ruths Laune immer schlechter. Als dann Anfang des dritten Monats plötzlich eine zweite Domina auftauchte, wusste Ruth nicht, ob sie sich ärgern oder freuen sollte. Die neue Arbeitsteilung, eine Woche arbeiten, eine Woche frei im Wechsel, das fand Ruth gut, auch wenn sie nicht glaubte, dass sich das Wochenende rentierte. Aber sie hatte Verständnis dafür, dass Pat dadurch das Studio täglich besetzt hatte. Dass die neue Kollegin aber auch das gleiche Zimmer nutzte, im gleichen Bett schlief, widerstrebte Ruth. Es hatte ihr besonders gut gefallen, dass Pat versprochen hatte, das separate Zimmer sei nur für sie. Als Ruth das Zimmer plötzlich teilen musste, war ihre restliche Arbeitslust endgültig verflogen.
Ruth suchte und fand in der ´H und W` eine neue „Baustelle“!
Spontaner Wechsel
In Radolfzell am Bodensee war ein komplettes Studio zu vermieten. Umgehend rief sie dort an und vereinbarte einen Besichtigungstermin.
Den ersten miserablen Eindruck, den Ruth am Telefon von der Chefin hatte, machte diese bei dem ersten Treffen wieder wett. Die blonde, langmähnige Tschechin holte Ruth persönlich, mit ihrem schicken Mercedes-Sportwagen, vom Bahnhof ab. Sie war eine schlanke sportliche Mitvierzigerin namens Melinda, deren übernervöse Art allerdings leicht störend wirkte.
Das Bordell lag im Industriegebiet weit außerhalb der Innenstadt. In einem unscheinbaren, von der Straße aus tiefer liegenden, Gebäude nahm der Puff mit dem überheblichen Namen „Diamond“ die linke Haushälfte ein. In der rechten Seite befand sich ein „Bykershop“, der mit seinen Motorrädern auch noch den kleinen Parkplatz vor dem Haus belagerte.
Gleichzeitig angenehm überrascht und dennoch enttäuscht war Ruth nach der Innen-Besichtigung. In dem beengenden Hausflur dominierte eine steile Treppe zur ersten Etage. Links ging es in einen kleinen Barraum und ins Studio. Im Vergleich mit den riesigen, komplett eingerichteten Räumen in Memmingen, hatte Ruth den Eindruck, bei „armen Leuten“ zu sein. Das Micky-Maus-Studio bestand aus zwei kleinen, durchgängigen Räumchen ohne Tür dazwischen, so dass man keine zwei Kunden zur gleichen Zeit bearbeiten konnte. Auch die gewohnte Fülle an „Marter-Werkzeugen“ fehlte, stattdessen hingen nur ein paar billige Reitgerten und andere Kleinigkeiten an den Wänden. Die einzig vorhandenen Folter-Geräte, ein Bock, der Domina-Stuhl und ein Flaschenzug, füllten den Raum völlig aus. Lediglich ein paar dicke rote Kerzen auf Metallständer gespießt verzierten die freien Ecken. Armselig!
Das anschließende Klinikum war etwas größer und schon ein wenig gefüllter, man konnte fast sagen perfekt, eingerichtet. Ein vollautomatischer Gynäkologischer –Untersuchungs-Stuhl mit einer richtigen Operations-Orgel-Lampe darüber, so wie Spritzen, Nadeln, Katheder, Sterilisator, Zangen, Scheren, Verbandszeug und alle möglichen ärztlichen Instrumente machten das Equipment umfangreich. Sogar eine Badewanne mit Duschvorhang befand sich in einer Ecke des Raumes. Alles war penibel sauber und ordentlich. Das beruhigte Ruth ein wenig.
Auch die drei „normalen“ Arbeitszimmer im oberen Stock waren von bestechender Frische und wirklich originell-exotisch eingerichtet. Das obere Geschoss war viel größer, wenn auch mit Schrägen. Dort waren auch das Bad, die Toiletten für Personal und Gäste getrennt und ein Aufenthaltsraum. Letzteren fand Ruth allerdings sehr beengend, aber erst einmal nebensächlich.
Die Studio-Preise gehörten in die obere Liga, waren um ein Drittel höher als in Memmingen. Melinda ließ ihr die Wahl, auf fünfzig Prozent oder Einhundert Euro Tagesmiete zu arbeiten. Ruth wählte die sichere Variante, da sie den Betrieb nicht kannte und eine schlechte Erfahrung gerade hinter sich hatte. Hinzu machte die Chefin ihr das Angebot nebenbei als ihre Vertretung zu arbeiten. Weil Melinda in Kürze eine Bar als zweites Geschäft eröffnen wollte, könne sie sich bald nicht mehr selbst um das Bordell kümmern. Ruth käme ihr gerade recht. Für den Job werde sie Einhundert am Tag bezahlen. Schnell waren sie einig, Ruth sagte sofort zu.
Welch ein Glücksfall! Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, da musste der Rubel doch nur so rollen!
Zu Hause erzählte Ruth begeistert vom schönen Bodensee.
Von Pat und Lydia hatte sie sich in Freundschaft getrennt, man war in bestem Einvernehmen auseinander gegangen. Weil Ruths Kollegin gerne bereit war, Ruths Kunden und Arbeitszeit zu übernehmen, entstand im Studio keine Lücke.
Schon eine Woche später begann Ruths neues Abenteuer, welches sich aber zum Horror-Trip entwickelte.
Melinda war als Chefin ein Albtraum! Die Gäste des Studios, als Melindas ehemalige Kunden, waren abartige Monster. Die ewig besoffenen, osteuropäischen Kolleginnen erschreckender Abschaum!
Schon am ersten Tag wäre Ruth am liebsten weggelaufen, denn die Chefin war ein hektisches Nervenbündel und die einzig anwesende Hure eine Wodka saufende polnische Schlampe. Melinda schimpfte den ganzen Tag mit und über alle möglichen Leute, weil die Behörde ihr die Bar-Konzession verweigert hatte, sie aber den Mietvertrag bereits unterschrieben hatte. Renata, die Polin, wurde zunehmend unsicherer auf den Beinen je mehr der Wodka-Pegel in der Flasche abnahm. Sie stolperte beim Sprechen über die deutsche Sprache, so dass man kein Wort mehr verstand, noch dazu über ihre eigenen Füße, so dass man alle gefährdeten Gegenstände in Sicherheit bringen musste. Die Studio-Freier wollten fast alle auch ficken, was Ruth empört ablehnte, so dass Renata die Studio-Gäste auch noch übernahm und für Ruth fast nichts mehr übrig blieb. Von der Arbeit als Türfrau war erst einmal keine Rede mehr, also auch nicht von der versprochenen Gage. Ruth war total sauer. Wo war sie nur gelandet? Sie wollte aber auf jeden Fall solange durchhalten, bis sie ihre festgelegte Rückfahrkarte nutzen konnte.
Am Ende der Probewoche war Ruths Verdienst genau so mager wie in Memmingen. Vor Ruths Heimfahrt versprach die Chefin, das werde beim nächsten Mal alles besser, und sie bat Ruth, sie nicht im Stich zu lassen. In zehn Tagen bräuchte sie Ruth dringend als Vertretung, dann werde Ruth auch besser verdienen. Melinda nahm Ruth das Versprechen ab, dass sie nach zehn Tagen wiederkommen werde.
Der zweite Versuch war noch katastrophaler. Im ständigen Wechsel zwischen hinterhältigen Spitzfindigkeiten und offenem Schimpfen, schaffte es Melinda mit Leichtigkeit nur schlechte Stimmung zu verbreiten. Außerdem versuchte die Chefin ganz geschickt die drei angenehmen Mädels gegeneinander auszuspielen und aufzuhetzen, was Ruth mit immer größer werdender Abneigung durchschaute. Als Ruth am dritten Tag dann endlich als Vertretung gearbeitet hatte, bekam sie abends dafür nur die Hälfte des vereinbarten Lohnes. Die Chefin behauptete, Ruth habe versäumt die Räume zu putzen, also gäbe es für halbe Arbeit auch nur halbes Geld. Das war eine dreiste Lüge, weil das gar nicht vereinbart gewesen war.
Nach insgesamt nur zehn Arbeitstagen hatte Ruth die Faxen satt.
Als am nächsten Tag eines der Mädels abreiste und zufällig nach Köln fuhr, packte Ruth entschlossen ihre Sachen.
´Ade du schöner Bodensee! Nix Glücksfall, du warst ein Reinfall!` war das Fazit ihres kurzen Aufenthaltes.
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