Anja Pauli
Tausche Mann gegen Therapieplatz
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Inhaltsverzeichnis
Titel Anja Pauli Tausche Mann gegen Therapieplatz Dieses ebook wurde erstellt bei
Die Nacht der Erkenntnis
Die Zeit danach
Geheimniskrämerei
Krankenhaus
Monteure
Ex-Freundin
Hajo in Freiheit
Schwarzwald
Neues Spiel - Neues Glück
Partytime
Karneval
Tanzlehrer gesucht
Impressum neobooks
„Knack-knack“, ich wälzte mich im Bett unruhig hin und her. Und wieder „knack-knack“. Ruckartig und hellwach setzte ich mich auf. Wie konnte ein Mensch nur solche Geräusche während des Schlafens machen? „Knack-knack“, ich ging näher heran und legte meine Hände an seinen Kieferknochen, um dieses wahnsinnige Knacken zu beenden. Doch wieder „knack-knack“. Ich beobachtete seinen offenen Mund, aus dem bei jedem Atemzug dieses Geräusch hervortrat. „Knack-knack“. Wie macht man das bloß? Stoßweise versuchte ich zu atmen. Dann presste ich die Luft gegen den Kehlkopf, doch in dieser Lautstärke wollte es mir nicht gelingen.
Ich bemerkte, dass bei jedem Geräusch meine Aggressivität und Wut auf ihn wuchs. Der Raum und die Straße waren still und ließen diese Geräusche noch lauter erscheinen. Da war es wieder. Ich zog mich daran hoch, das wusste ich. Durch den leeren Raum drang dieses Geräusch wie ein Hämmern an mein Ohr. Kälte und Einsamkeit ließen es nachhallen und vermischt mit meiner Enttäuschung gipfelte es zum Trommelwirbel.
Es war 3 Uhr nachts, und ich beobachtete meinen schlafenden Ehemann. Wo war die Wärme geblieben, die ich früher empfand, wenn ich ihn heimlich anschaute? Meine Finger glitten über seinen Arm, ich spielte mit den Haaren darauf, doch ich spürte nichts. Kein Prickeln unter meinen Händen bei den Berührungen, die ich einmal so liebte.
Er drehte sich schlafend zu mir herum. Sein Mund immer noch weit geöffnet. Ich stellte mir vor, wie es wäre ihn jetzt zu küssen. Doch nichts an diesem Gedanken erregte mich. Schlimmer noch, er stieß mich ab.
Unruhig strampelte er die Bettdecke von seinen Beinen.
,Ach Du liebe Güte, er hatte sogar noch Socken an!‘
Über den weißen Tennissocken lugten ebenso weiße Waden hervor. Mein Blick wanderte langsam nach oben und jeden Zentimeter seines Körpers vergleichend zu dem Mann, den ich einmal geheiratet hatte, haftete ich an jeder Veränderung. Das T-Shirt hatte er schon beim Sport an, stellte ich fest. Seine dunkelblonden Haare kräuselten sich bis tief in den Nacken. Früher stand er von Eitelkeit getrieben solange vor dem Spiegel, bis auch das letzte Härchen an dem für ihn vorgesehenen Platz war. Heute sahen seine Haare höchstens jedes halbe Jahr einmal einen Frisör. Seine blasse Haut bräunte nicht leicht, doch was hatte er immer für Anstrengungen unternommen, um ihr doch einen leicht farbigen Touch zu verleihen. Sonnenbankbesuche nach einem festgelegten System standen früher auf seinem Stundenplan. Mal der Tiefenbräuner, mal der Gesichtsbräuner, dann wieder eine schwächere Bank, um bloß nicht zu rot zu werden.
Eitelkeit und ich standen früher bei ihm hoch im Kurs, beides hatte er zugunsten der Bequemlichkeit merklich abgelegt.
Ernüchtert stand ich auf und ging ins Wohnzimmer.
War es wirklich schon soweit gekommen?
Störte mich denn wirklich alles?
Ich zog die Fotoalben aus dem Schrank. Verzweifelt versuchte ich beim Anblick der Bilder von uns die Gefühle zurückzuholen. Ich sah uns in Frankreich. Unsere erste gemeinsame Urlaubsreise. Ich schloss die Augen und versuchte in Gedanken in die Vergangenheit zu reisen. Ich wollte den Sand unter meinen Händen fühlen, die Sonne auf meiner Haut, aber vor allem die Liebe, die uns einmal zusammengebracht hatte.
Bilder von unserer ersten Wohnung. Winzig klein, aber unsere gemeinsame Wohnung. Mir wurde es ein bisschen wärmer ums Herz.
Und es schrie in mir: ,Mach’ weiter so, erinnere Dich. Lass nicht los.‘
Ich blätterte und blätterte. Draußen dämmerte es, als ich die Alben schloss.
Ich hatte mich wirklich erinnert. Viele schöne Erinnerungen hatte ich Revue passieren lassen. Doch zu jeder fiel mir auch eine herbe Enttäuschung ein.
In unserem Frankreichurlaub hatte er heimlich Karten an seine Ex-Freundinnen verschickt, und während den Renovierungsarbeiten für unsere Wohnung hörte ich zwischen Pinseln und Tapezieren des Öfteren den Spruch: „So viel Arbeit und was mache ich, wenn ich dich mal satt habe?“
Jetzt hatte ich ihn satt.
Ich hatte sein Desinteresse satt.
Ich hatte seinen Egoismus satt, und ich hatte sein Knacken satt.
Und das nun wirklich nicht wegen der Äußerlichkeiten! Die spiegelten nur seine gesamten Veränderungen sichtbar wider.
Und all das, was ich mir in meiner grenzenlosen Verliebtheit damals eingebildet hatte, war nie eingetreten. Täglich trafen mich gezielte Wortattacken. Doch von Zeit zu Zeit tat es weniger weh. Jetzt trafen sie mich nicht mehr, sie schossen an mir vorbei. Sie bewirkten nichts mehr, weil ich nichts mehr für ihn empfand. Und mit dieser Erkenntnis verplatzte meine Hoffnung auf Besserung wie ein Luftballon.
Ich liebte ihn wirklich nicht mehr. Die Enttäuschung trieb mir die Tränen in die Augen. Es war wirklich aus.
Im Badezimmer wusch ich meine Tränen mit eiskaltem Wasser aus dem Gesicht. Wer schaute mich da im Spiegel bloß an? Müde sah ich aus oder schlichtweg desillusioniert? Meine mittelblonden schulterlangen Haare hingen schlaff nach unten, und meine grünen Augen hatten ihren Glanz verloren. Auch die „fröhlichen Strähnchen“ der Frisörgilde peppten meinen Ausdruck nicht auf die gewünschte Art auf.
Es musste etwas geschehen.
Ich ging zurück in Richtung Schlafzimmer und blieb an Robins Kinderzimmertüre stehen. Ja, es war das einzig tolle, was wir zustande gebracht hatten. Unser Sohn. Ich streichelte ihm liebevoll ein paar hellblonde Strähnchen aus der Stirn und zog die Decke an sein Kinn. Wohlig lächelnd mümmelte er weiter.
Im Schlafzimmer rollte Sebastian sich gerade auf die andere Seite. Im Zimmer roch es nach frühem Morgen. Sein Knacken war in lautes Schnarchen übergegangen. Widerwillig legte ich mich auf meine Bettseite, eng an den Rand gedrückt, um mir körperlichen Abstand zu verschaffen.
Meine Gedanken wanderten noch einmal in die Vergangenheit.
In die Zeit, als wir uns kennenlernten.
Zum ersten Mal sah ich Sebastian, als ich mich im ortsansässigen Reiterverein anmeldete. Zaghaft betrat ich den Boxengang, der in das hintere Vereinszimmer führte. Ich fühlte mich nicht wohl, als ich an den Pferden vorbeiging, denn obwohl ich jeden freundlich grüßte wurde ich skeptisch beäugt und nur selten kam ein „Hallo“ zurück. Es war eben eine eingeschworene Clique, dieses Reitervölkchen.
Vor dem Durchgang zum Vereinsraum stand er, groß und raumfüllend versperrte er mir die Türe. Während er seine Hände gegeneinander rieb schaute er mich von oben bis unten aufdringlich grinsend an.
„Na, schöne Frau, wohin des Weges?“
„Ich möchte zum Reitstallleiter, Herrn Albers, können Sie mir sagen, wo ich ihn finde?“
„Den Weg zeige ich Ihnen doch gerne“, sprach es, nahm mich am Arm und zog mich durch die Türe.
Sein „Frisch-Fleisch-schnapp-ich-mir“-Blick traf mich aus über 1,80 Meter Höhe. Ich entriss ihm meinen Arm.
„Bitte vielmals um Entschuldigung Ihnen zu nahe getreten zu sein“. Er deutete einen Kniefall an und verschränkte übertrieben die Arme auf der Brust. Er bleckte wieder die Zähne.
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