Auf der Suche nach dem Haus meiner Lehrerin Marina, die mich zum Abendessen zu sich nach Hause einlud, gelang es mir, mit Hilfe des an der Bushaltestelle sitzenden freundlichen Michael, seines Zeichens schwerer Trinker, wie er sogleich offen erklärt, das etwas versteckt liegende Haus meiner Lehrerin Marina zu finden. Michael hat die nicht ganz leicht auszusprechende Adresse auf Anhieb ver-standen und bringt mich die etwa 500 Meter bis an das Gartentor, wo mich Marina schon erwartet.
Bisher hielten sich meine Erlebnisse mit russischen Alkoholikern ja sehr in Grenzen. Michael jedenfalls ist ein sehr angenehmer, höflicher Mensch, der mich mit einem einladenden „Bittää schöön!“ auffordert, doch vor ihm die Pfütze zu umgehen, die fast die ganze Breite der unbefestigten Straße einnimmt. Bis wir bei Marina ankommen, erfahre ich, dass Michael sein Haus (wie fast alle Häuser dieser Straße ein altes deutsches Haus mit Giebeldach) an dem wir gerade vorbeikommen, leider verkaufen musste, seine Frau ist auch schon lange weg, zu den Kindern hat er nur noch selten Kontakt. „Na ja, der Alkohol... wie?... Du bist Arzt? Kann ich nicht was machen gegen Alkoholismus? Mein Arzt sagt immer nur, dass ich nicht so viel saufen soll. Da gehe ich jetzt nicht mehr hin. So, da sind wir schon, war mir ein Vergnügen, mit einem so gut Russisch sprechenden Deutschen spazieren zu gehen.“
So ein Schmeichler, dieser alte Trunkenbold! Der nette Kerl reicht mir die nicht ganz hygienisch reine Hand und will die meine (die ich dann doch gleich mal waschen werde) gar nicht mehr loslassen, bis Marina mich umarmt und ins Haus bittet. Michael muss aber draußen bleiben.
Es ist ein herrlicher Abend. Wer Marina schon einmal erlebt hat, kann erahnen, dass sie nicht nur eine ehemalige Universitätsdozentin für russische Sprache und Literatur ist, sondern auch eine hervorragende Köchin. Und so kommt, was kommen muss: der Tisch scheint sich unter den vielen Tellern und Schüsseln mit Spezialitäten aus Kirgistan (da stammen Marina und ihr Mann Anatoli her) und nach eigenen Marina-Rezepten bereiteten Speisen bedrohlich zu biegen. Müßig zu erwähnen, dass es natürlich ganz ausgezeichnet schmeckt, und besonders schmackhaft sind nicht nur die mit Lammfleisch gefüllten „klassischen“ kirgisischen Teigtaschen, sondern auch die mit Kürbiscreme gefüllten vegetarischen. Und dann noch die Sommer-Borschtsch-Suppe, die – anders als das winterliche Pendant - nicht mit roten Beeten sondern mit Sauerampfer bereitet wird und somit auch nicht rot, sondern eher grün-gelb ist.
Zur Gesellschaft haben Marina, Anatoli und Sohn Juri sowie die derzeit bei ihnen als Gast wohnende Amerikanerin Lisa noch die Italo-Schweizerin Fabienne geladen. Lingua franca ist Russisch, eine echte Herausforderung, zumal Lisa und Fabienne schon deutlich länger und besser Russisch sprechen als ich. Na, hin und wieder muss ich dann doch auf Englisch ausweichen, als ich mein Projekt I n und um Russland herum erläutere.
„Und wer soll das Buch dann lesen?“ Juri glaubt nicht recht, dass solch ein Buch in Deutschland viele Leser finden wird angesichts der politischen Lage. An der angespannten politischen Lage sind natürlich die Amerikaner schuld, das höre ich jetzt nicht zum ersten Mal in Kaliningrad. Immer wieder wurde mir hier während meiner bisherigen Aufenthalte von vielen Kaliningradern erklärt, dass die Amerikaner bestimmen, was Europa, also Merkel, zu machen haben.
Beim Abendessen bemüht sich Marina nach Kräften, dem Gespräch stets dann eine Wende zu geben, wenn es um Politik geht. Als Sprachwissenschaftlerin ist ihr nur allzu sehr bewusst, wie unzulänglich Sprache ist, besonders natürlich, wenn man händeringend nach den hoffentlich richtigen Vokabeln sucht. Dann könnte es ja schnell zu mehr oder weniger lustigen Missverständnissen kommen - dann doch lieber über Puschkin oder Tschechow reden. So sind wir uns schließlich einig, dass vor allem der kulturelle Austausch gepflegt werden muss, und es ist nicht zuletzt die Amerikanerin Lisa, die gerade die kulturellen Errungenschaften Europas sehr zu schätzen weiß.
Die Zeit vergeht wie im Fluge! Und jetzt sind schon wieder fast zwei Jahre seit dem Abend bei Marina ins Land gegangen. Ich sitze wieder im Unterricht bei Marina und wir erinnern uns an den damaligen Abend. „Aber ein wichtiges Detail haben Sie in Ihrer Geschichte unterschlagen“, bemerkt Marina plötzlich: „Das Datum“.
Wie konnte ich das bloß vergessen? Umso mehr, weil es doch ein ganz besonderes Datum war. Ja, der Abend bei Marina war am neunten Mai. Bekanntermaßen endete am 9. Mai 1945 der Große Vaterländische Krieg . Im Westen war noch der 8. Mai, als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging.
Ob es nun Zufall war oder Absicht: Meine russischen Freunde hatten ein ganz besonderes Datum für den Abend mit Gästen aus den USA, Deutschland und – der stets neutralen – Schweiz ausgewählt. Marina streift sich mit der Hand über den Arm und spricht: „Ich bekomme immer noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, dass unser Treffen in solch einer Zusammensetzung genau am 9. Mai stattfand. Marina hat natürlich hundertprozentig Recht. Diese Geschichte zu beenden, ohne das Datum zu erwähnen, wäre eine unentschuldbare Unterlassung!
Есть много причин для того, чтобы посетить Калининград. Особенным поводом может, например, стать посещение курса русского языка в местной языковой школе «Привет!».
Я сам лично уже посетил несколько многонедельных курсов в течение последних лет. Поэтому могу с уверенностью сказать, что процесс обучения в этой школе такой увлекательный и проходит индивидуально или в маленьких группах в соответствии с уровнем языковых знаний под руководством превосходных учителей.
Я человек, который довольно поздно начал учить русский язык, а до этого я мог только сказать: «спасибо». Уровень моих знаний русского языка после обучения в этой школе позволяет мне свободно общаться на бытовом уровне, что, конечно, недостаточно для обучения в высшем учебном заведении России.
Разыскивая дом моей учительницы Марины, которая пригласила меня к себе на ужин, я сумел объясниться с приветливым мужчиной по имени Михаил, который сидел на автобусной остановке и не скрывал, что он беспробудный пьяница. Человеку, который попал сюда в первый раз, этот дом было не просто найти. Михаил, однако, сразу узнал трудновыговариваемый адрес и проводил меня примерно 500 метров до ворот дома, где меня уже ждала Марина.
У меня не было большого опыта общения с русскими пьяницами. Михаил, в любом случае, показался мне приятным, вежливым человеком, который, воскликнув «Биииитее шён» («прооооошу») пригласил меня первым обогнуть лужу шириной в незаaсфальтированную дорогу. Пока мы добирались до Марины, я узнал, что Михаил вынужден был продать свой дом, который, как и все дома этой улицы, по которой мы шли, был старым немецким домом с остроконечной двухскатной крышей. Его жены уже давно нет, а с детьми он общается редко. «Ну да, алкоголь, и что...? Ты врач? Могу ли я что-нибудь сделать с алкоголизмом? Мой врач постоянно говорит только, что я не должен так напиваться. Поэтому я больше к нему не хожу. Вот мы уже и пришли. Было так приятно прогуляться с немцем, который так хорошо говорит по-русски.»
Читать дальше