„Wisst ihr was, Leute“, fauchte Volker, „wir ziehen dem Ali seine Schuhe aus, stecken ihn in diese Burka und geben ihn umgehend im Frauenhaus ab - alles andere interessiert mich nicht mehr!“
„Und was sollen die von uns denken, wenn sie merken, dass er ein Mann ist?“, fragte Lydie.
„Eben, da wäre äußerst peinlich“, kommentierte Helga. Zumindest braucht er Frauenschuhe, damit ihn seine Füße nicht als Mann verraten.“
„Kaufen wir ihm ein paar Birkenstock-Sandalen, die sehen für Männer und Frauen gleich aus“, schlug Wolle vor.
„Bringt ihr mich jetzt ins Frauenhaus oder nicht?“, fragte Ali. „Ich bin zwar nur Gast in eurem Bus, aber eure Diskussionen machen mich krank!“
„Wir machen dich krank?“, rief Lydie aus. „Du machst uns bekloppt, mit deiner Jungfrauenpsychose, guter Mann!“
Volker warf einen stechenden Blick auf Ali und sagte: „Wir fahren jetzt direkt zum Frauenhaus und liefern dich ab, so wie du bist! Dann haben wir endlich wieder unsere Ruhe!“ „Jawohl, das tun wir!“, bestätigte Lydie in das Aufheulen des Motors. „Hauptsache wir sind ihn los!“
„Okay, wenn ihr meint“, sagte Helga und zog ihr Handy hervor. „Ich geb gleich dem Frauenhaus Bescheid, dass wir eine Klientin bringen.“. Während sie auf eine Verbindung wartete, murmelte sie: „Hoffentlich kann ich mit Irmi sprechen und muss mich nicht mit dieser Erika abgeben, die soll ziemlich kulturrassistisch sein.“
„Was du nur immer mit deiner Irmi hast?“, wunderte sich Lydie.
„Die Irmi ist so was von in Ordnung. Obwohl sie in einem Frauenhaus arbeitet, setzt sie sich nicht nur für Frauen ein, sondern auch dafür, dass alle Menschen in Deutschland so leben können, wie sie es von ihrer Kultur gewohnt sind. Und Irmi erkennt auch an, dass Frauen im Islam auf ihre Art genauso gleichberechtigt sind wie Frauen im Westen. Ich bin sogar der Ansicht,
Wir sind´s, von der Anti -rassistischen sozialistischen cooperativen Heilsfront! Können wir die Irmi sprechen? Nein, die hat keinen Dienst, schade? ... Wir haben einen besonderen Fall, eine Flüchtlingsfrau, die untergebracht werden muss. … Was, ihr seid belegt und könnt nur noch äußerste Notfälle aufnehmen? Das ist ein äußerster Notfall. Die Frau kommt aus dem hintersten Orient, ist tief verschleiert und schwer geschockt! So schwer, dass sie ihre Stimme verloren hat. ... Ihr seid keine Flüchtlingsunterkunft und nehmt nur Frauen auf, die hier in Deutschland von ihren Männern bedroht werden? Vielleicht wird sie auch hier in Deutschland von ihrem Mann bedroht. ... Ja, von ihrem Ehemann, der zum Christentum übergetreten ist und möchte, dass sie ihren Ganzkörperschleier mit Gesichtsgitter abnimmt. ... Die Frau ist aber tiefgläubig und möchte nicht den westlichen Kopulationsblicken ausgesetzt werden. ... Ja, er hat sie schon mehrfach geschlagen, weil sie auf ihren Ganzkörperschleier mit Gesichtsgitter beharrt. ... Ja, wir kommen gleich vorbei, gehen aber davon aus, dass sie aufgenommen wird. Die Frau ist schon ganz verzweifelt, ihr Mann hat sie erst gestern wieder geschlagen. Tschau.“
Helga legte das Handy zur Seite und meinte: „Uff, das war ganz schön hart. Aber ich hab´s hinbekommen.“
„Gut so“, sagte Volker.
„Was hast du denn für eine Scheiße von einem zum Christentum konvertierten Ehemann erzählt?“, fragte Lydie vorwurfsvoll. „Du hättest lieber sagen sollen, sie wird von ihrem islamischen Mann bedroht und geschlagen, das wäre glaubhafter gewesen.“
„Damit hätte ich nur wieder die schlimmsten kulturrassistischen Vorurteile bedient. Gegen Muslime wird in diesem Land schon genug gehetzt, besonders gegen männliche Muslime. Außerdem haben wir so eine gute Begründung, warum Ali seine Burka nicht abnehmen will.“
„Hm, an der Begründung ist was dran“, brummelte Volker.
„Dann können wir auch sagen“, fügte Wolle an, „die Frau nimmt ihre Burka selbst im Frauenhaus nicht ab, weil sie vor den Misshandlungen ihres christlichen Ehemannes schon entstellt ist und sie sich entwürdigende Blicke ersparen möchte.“
Lydie rollte die Augen. „Was heißt da, wir können sagen? Du kannst es nicht und Volker auch nicht. Ihr als Männer kommt nicht mal an die Eingangstür des Frauenhauses, geschweige denn in die Aufnahme“.
„Ach so?“ Wolle reagierte sichtlich enttäuscht.
Volker verzog das Gesicht: „Ja, was hast du denn gedacht? Das heißt schließlich Frauenhaus.“
Verwirrt tippte Ali Volker von hinten an die Schulter und meinte: „Entschuldigung, Herr Volker, aber mir kam gerade etwas ziemlich schleierhaft vor. Frau Helga hat am Telefon gesagt, die Frau, die ins Frauenhaus kommen soll, also ich, wurde von ihrem Ehemann geschlagen. Wenn das Frauenhaus ein Haus voller Jungfrauen ist, hätte sie das nicht sagen dürfen. Richtig wäre gewesen, zu sagen, ich bin auch eine Jungfrau und möchte zu den anderen Jungfrauen! Dann habe ich noch gehört, dass nur Frauen aufgenommen werden, die von ihren Männern bedroht werden. Waren damit die Väter und Brüder gemeint? Das wäre aber sehr ungünstig! Ich möchte keine Scherereien, sondern da hin, wo Jungfrauen sind, die nicht von Männern bedroht werden und allesamt darauf warten, sich einem Helden wie mir bereitwillig hinzugeben!“
Volkers Gesicht verwandelte sich in eine grimmige Grimasse. „Hör mal gut zu, du Heini!“, legte er los. „Wenn du noch einmal das Wort Jungfrau in den Mund nimmst, halte ich den Wagen an und binde dir eigenhändig den Mund zu! Hast du das kapiert? Ich kann dein dämliches Gequatsche nicht mehr hören!“
„Mir geht der ganze Kerl auf die Eierstöcke“, stöhnte Lydie. „Ich bekomme schon Unterleibsschmerzen wegen dem.“
„Ich sag ja, der ist in der Psychiatrie durchgeknallt,“ meinte Volker verächtlich. „Von dort sollten wir keinen Flüchtling mehr holen.“
„A a aber“, stammelte Ali mit hochrotem Gesicht, „i ihr habt doch gesagt in dem Frauenhaus kann ich mir ...“
„Halt deine gottverdammte Fresse, du Idiot!“, brüllte Volker.
„Geht halt nicht so hart mit ihm um“, beschwichtigte Helga. „Und du Ali bleib locker. Im Frauenhaus fühlst du dich sicher wohl. Es wird dir einen erfolgreichen Start in die deutsche Gesellschaft verschaffen. Und natürlich warten noch viele Jungfrauen auf dich, wenn nicht im Frauenhaus, dann woanders.“
Ali zuckte zusammen und meinte kleinlaut: „Jetzt habe nicht ich von Jungfrauen gesprochen, sondern Frau Helga, ich habe nur an Jungfrauen gedacht, aber das kann niemand gehört haben!“
Helga klopfte Volker von hinten auf die Schulter und sagte: „Ganz ruhig, wir sind gleich da. Er soll sich am besten schon mal die Burka anziehen. Da vorne kommt ein Parkplatz, da könnten wir doch halten.“
„Meinetwegen“, brummte Volker und Lydie sagte: „Wolle, bleib mit im Bus und hilf ihm!“
„Wieso im Bus? Kann er die Klamotte nicht draußen anziehen?“
„Nein! Wir wollen auf jeden Fall vermeiden, dass irgendjemand diese Aktion mitbekommt.“
Der Bus hielt an, Volker, Helga und Lydie stiegen aus, zündeten sich eine Zigarette an und setzten ein gelangweiltes Gesicht auf. Indessen zog sich Ali mit Unterstützung von Wolle umständlich die Burka über.
„Wir sind so weit, der Ali ist burkiert, ihr könnt kommen!“, rief Wolle Minuten später nach draußen.
Als die Drei wieder in den Bus einstiegen, saß Ali, vollständig von der Burka umhüllt, auf dem Rücksitz und schmollte. Volker warf ihm ein fieses Grinsen zu und sagte. „So, jetzt ist unsere orientalische Jungfrau aber fein angezogen!“
„Das ist gemein!“, protestierte Helga. „Dem Ali verbietest du, das Wort in den Mund zu nehmen!“
„Puh, ich muss diesen Wahnsinn hier verarbeiten. Aber der soll nicht glauben, wieder damit anfangen zu können.“
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