Mel nickte. „Es liegt nicht an dir“, sagte sie den abgedroschensten Satz, den es überhaupt gab. „Ich bin einfach nicht so weit.“
„Und wenn ich dir mehr Zeit gebe?“, fragte er. „Mir liegt wirklich viel an dir.“
Mel stöhnte auf. Warum musste er es ihr so schwer machen? Gleich würde sie noch anfangen zu heulen. Sie schüttelte den Kopf. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Er sah sie verletzt an, drehte sich ohne ein weiteres Wort um und verschwand. Traurig und erleichtert zugleich lehnte sich Mel gegen die geschlossene Tür und atmete tief durch. Dann schlug sie mit der Faust gegen die Wand. „Verdammt!“, fluchte sie. Tränen traten in ihre Augen. Es hätte so schön sein können!
Als sie abends die Bowlinghalle betrat, hatte sie sich wieder einigermaßen im Griff.
„Alles klar?“, begrüßte Anna sie.
Mel schüttelte den Kopf. „Und bei dir?“
Anna schüttelte ebenfalls den Kopf.
Seufzend gesellten sich die beiden zu Mark und Torsten. Janine hatte heute keine Zeit, sodass sie diesmal zwei gegen zwei spielten. Da die Männer diesmal gewannen, bestanden sie darauf, dass ihre Theorie vom letzten Mal damit bewiesen sei. Mel, die keine Lust auf eine Diskussion hatte, stimmte zu. Auch Anna nickte nur.
„Ihr seid echt blöd heute“, stellte Torsten fest. „Habt ihr eure Tage?“
„Das ist wieder mal typisch Mann“, fuhr Anna auf. „So blöde Fragen könnt ihr euch sparen.“
„Hey, wir sind nicht für eure Laune verantwortlich“, wehrte sich Mark.
„Stimmt“, lenkte Mel ein. „Lasst uns den Abend einfach beenden. Nächstes Wochenende läuft es wieder besser.“
Sie verabschiedeten sich. Mel ging mit zu Anna.
„Erzähl!“, forderte Anna Mel auf, sobald sie in der Wohnung waren. Während Anna Cocktails für sie beide mixte, berichtete Mel. „Es ist nicht so, dass er mir egal wäre“, beendete Mel den Bericht und unterdrückte ein Schluchzen. Alexander ging ihr doch näher als sie gedacht hätte. Und das in relativ kurzer Zeit. „Ganz im Gegenteil. Ich denke nur, dass es längerfristig nichts werden kann, wenn es im Bett überhaupt nicht klappt.“
„Da stimme ich dir aus vollstem Herzen zu“, seufzte Anna und reichte ihrer Freundin ein Glas.
„Mit Ben läuft also auch nichts mehr?“
Anna schüttelte den Kopf. „Ich habe versucht, mit ihm zu reden. Aber er hat gar nicht zugehört. Als Krönung hat er mich Schlampe genannt und ist aus der Wohnung gestürmt.“
„Da hat sich Alexander besser verhalten. Aber Scheiße ist es trotzdem. Ich hätte mir echt was Festes mit ihm vorstellen können.“ Wieder traten Tränen in ihre Augen, die sie ärgerlich wegwischte.
Anna erhob das Glas und stieß mit Mel an. „Auf die nächsten!“
Wie sie ins Bett gekommen waren, wusste Mel nicht mehr. Das einzige, an das sie sich am nächsten Morgen, als sie auf Annas Couch aufwachte, erinnern konnte, waren verdammt viele Cocktails.
Mittlerweile waren vier Wochen vergangen, in denen Mel verständlicher Weise nichts mehr von Alexander gehört hatte. Sie selber hatte sich in ihrer Arbeit vergraben und fühlte sich langsam besser. Letztendlich siegte ihr Kopf über ihr Herz. Erstens kannte sie Alexander gar nicht lange genug, um übermäßig viel zu trauern, zweitens waren sie nicht mal wirklich zusammen gewesen und drittens war eins absolut klar: Wenn der Sex schlecht war, konnte man keine Beziehung aufbauen. Alexander war zu alt, um noch lernen zu können, wie man mit Frauen im Bett umgehen sollte. Das hätte er bereits wissen müssen. Trotzdem frustrierte Mel die ganze Situation.
Sie blickte in ihren Spiegel, fuhr sich durch die langen Haare und seufzte: „Es ist wohl doch was dran an dem Sprichwort: Wenn man sich etwas zu sehr wünscht, geht es nicht in Erfüllung.“ Doch mach mal deinem Herzen klar, dass du dich absolut wohl fühlst als Single und niemanden an deiner Seite brauchst.
„Besser alleine als jemanden wie Björn“, machte sie sich selber Mut. „Ich will einen attraktiven, selbstbewussten Mann, dessen Ego allerdings nicht so groß ist, dass er außer sich selbst niemanden mehr wahrnimmt.“ Mel streckte den Rücken durch. „Ich will jemanden, dessen Kuss mich bereits umhaut“, zählte sie ihrem Spiegelbild auf. „Der mich ernst nimmt, mir auf Augenhöhe begegnet. Und genauso jemanden werde ich jetzt finden.“ Entschlossen schnappte sie sich ihre Schlüssel, schmiss ihre Wohnungstür zu und machte sich auf den Weg zu Anna. Wenigstens war ihre Freundin auch noch nicht fündig geworden mit ihrer Dating App. Das tröstete Mel ein wenig. Sie selber hatte das Dating Handy ganz nach hinten in ihre Schublade geschoben. Das Thema war endgültig durch.
„Bin fertig“, begrüßte Anna sie und eilte ihr schon entgegen. Gemeinsam schlenderten sie Richtung Treibhaus, wo der Rest bereits auf sie wartete.
„Wir sollten heute noch an den Waldsee fahren“, stellte Anna nach einem Blick in den wolkenlosen, blauen Himmel fest.
„Unbedingt“, stimmte Mel zu. „Wenn die anderen keine Lust haben, fahren wir beide alleine.“
Anna lachte auf. „Als hätte es das schon mal gegeben.“
Zehn Minuten später erreichten sie das Bistro. Bis auf Torsten waren schon alle da.
„Seid ihr sicher, dass ihr draußen sitzen wollt?“, fragte Anna skeptisch als sie sich dem Tisch näherten.
PJ blickte sie fragend an.
„Weißt du nicht mehr: Der blöde Honig hat das letzte Mal dermaßen viele Wespen angezogen, dass wir schließlich reingehen mussten.“
Vinz winkte ab. „Wir stellen einfach auf den Nachbartisch eine Schüssel mit Honig. Dann lassen die uns schon in Ruhe.“
„Wenn ich gestochen werde, kannst du was erleben“, grinste Anna, setzte sich aber.
„Das ist der Plan“, antwortete Vinz und warf ihr einen verführerischen Blick zu. Anna prustete los. „Träum weiter!“ Mel liebte diese Lockerheit. Sie ließ sich neben Anna nieder und griff sich eine Karte. Obwohl sie immer das gleiche nahm, warf sie trotzdem jedes Mal wieder einen Blick in die Karte, um letztendlich doch das italienische Frühstück samt Latte Macchiato zu bestellen.
„Hey, Leute“, vernahmen sie Torsten Stimme, der polternd auf ihren Tisch zukam. „Das ist Oliver“, stellte er den Mann an seiner Seite vor. „Wir sind zusammen zur Schule gegangen und haben uns gerade zufällig getroffen.“
Da alle mit ihren Karten beschäftigt waren, erklang nur ein kurzes Gemurmel. Lediglich Anna blickte kurz hoch. „Klasse, Torsten. Und jetzt setzt euch. Ich will endlich bestellen.“ Sie sah sich nach der Kellnerin um.
„Das ist Anna“, grinste Torsten, während er sich auf einen Stuhl fallen ließ. „Anscheinend hat sie Hunger. Meine Schwester Janine kennst du ja noch“, erklärte Torsten weiter. „Die dritte Dame am Tisch ist Mel. Links davon PJ.“ Dieser hob wenigsten grüßend die Hand, auch wenn er nicht hochblickte. „Dann Sascha, Mark und Vinz.“
„Freut mich“, sagte Oliver, obwohl ihn anscheinend niemand zur Kenntnis nahm.
Mel, die sich wie nicht anders zu erwarten für das italienische Frühstück entschieden hatte, hob beim Klang dieser dunklen, warmen Stimme den Kopf. Neben Torsten saß ein unglaublich attraktiver Dunkelhaariger, der freundlich lächelnd in die Runde blickte. Als erstes fielen Mel seine Klamotten auf. Er trug ein weißes Button Down Hemd zu einer dunklen Lederjacke. Seine Haare waren etwas länger als gerade modern war und ein paar Strähnen fielen ihm vorwitzig in die Stirn. Seine vollen Lippen hatten etwas Sinnliches an sich, sodass sich Mel unwillkürlich fragte, wie es wohl war, diese zu küssen. Kurz darauf fragte sie sich, ob ihr Badezimmerspiegel neuerdings Wünsche erfüllen konnte. Als seine braunen Augen auf Mels trafen, schien er einen Moment zu zögern. Dann lehnte er sich leicht vor und sagte: „Guten Morgen, Schönheit. Falls du noch nicht weißt, was du nehmen möchtest, könnte ich dir sicherlich behilflich sein.“
Читать дальше