Sezan Grütter
Das Versprechen
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Inhaltsverzeichnis
Titel Sezan Grütter Das Versprechen Dieses ebook wurde erstellt bei
KAPITEL 1: DIE URNE
KAPITEL 2: DAS KENNENLERNEN
KAPITEL 3: DIE BOUTIQUE
KAPITEL 4: DER SUPERMARKT
KAPITEL 5: DER KOSTÜMBALL
KAPITEL 6: DER ALPTRAUM-DAS JOGGEN
KAPITEL 7: DER EISKUNSTLAUF
KAPITEL 8: DAS MATCH
KAPITEL 9: DER SILVESTER
KAPITEL 10: DIE KRANKHEIT
KAPITEL 11: DER NOTFALLWAGEN
KAPITEL 12: DAS KRANKENHAUS
KAPITEL 13: DAS STERBEBETT
KAPITEL 14: DER NEUANFANG MIT DAN
Impressum neobooks
1-DAS VERSPRECHEN
Die einzigen Schritte, welche im Kremationsgebäude hallen, sind meine eigenen. Der eiskalte Messingknopf an der Eisentür brennt unter meinen Fingern. Ich drücke ihn rasch runter und flüchte aus dem Ort des Grauens. Das grosse Gebäude, aus dem ich gerade herausgekommen bin, macht
mir keinen grossen Eindruck mehr.
Staub zu Staub! Asche zu Asche!
Zweihundert Gramm Asche in einer Urne, die von einem jungen Menschen übrig geblieben ist,
trage ich behutsam. In einer auffallend schönen Vase, die ich selbst ausgesucht habe, trage ich sie
auf meiner Brust.
Der Lebens- und Leidenskampf schien sich sehr oft ins Unendliche zu ziehen, doch der Tod tauchte
plötzlich auf, so plötzlich, so…
Lebenssieg oder Niederlage hängt darin nicht immer von der Tapferkeit, sondern von den
Ereignissen ab.
Draussen sieht es nicht besser aus als drinnen, und ich finde da auch keinen Frieden. Der kalte
Februarwind weht in eiskalter Brise über meinen Kopf, fröstelnd reibe ich mir die Hände. Ich bleibe stehen, das Denken fällt mir schwer.
Es ist, als würden meine Sinne und Gefühle unter einer dicken Eisschicht liegen. Doch in meinem Gedächtnis dröhnt ein einziger Name, „JOHN“. Dieser Name brennt wie ein Brandzeichen in
meinem Gedächtnis, dreht sich wie eine Tonbandaufnahme in meinem Kopf immer wieder „JOHN“.
Es ist schmerzhaft, diesen geliebten Menschen verloren zu haben.
Und unmöglich, das in Worte zu fassen. Wie sehr!
Einige Schneeflocken fallen auf mein Gesicht, wecken mich von meiner Gedankenlosigkeit auf. Die
Tiefe Trauer ergreift mich, versiegt über alles andere.
Ich stehe noch vor dem Kremationsgebäude. Mit leeren und eisgefrorenen Gefühlen lasse ich
meinen Blick in den trüben, dunkle Wolken verhangenen Himmel hochgleiten.
Das düstere Wetter verstärkt wie eine Bestätigung noch meine unendliche Trauer, denke ich mit
tiefem Seufzen.
Die warmen, wunderbaren Gefühle, die mir zuvor noch unbekannt, später mit John innig verbunden;
sie wurden mir mit seinem Tod entrissen.
Was ist ein Menschenleben wert, frage ich mich trübsinnig; ein Abenteuer, das uns das Leben
lebenswerter macht oder eine Leidenschaft, die so stark ist wie die Liebe in Ewigkeit und uns in
jeder Lage stark macht. Füreinander da sein bis über den Tod hinaus. John belehrte mich über
solche unbekannte Gefühle, die noch nie dagewesen waren.
Ich, Anna Warren, eine glücklich verheiratete Frau, die ein zufriedenes, sorgloses Leben führte und
mit Leidenschaft und Liebe gesegnet war.
Dan, mein Mann mich auf Händen trug und jeden Wunsch von meinen Augen ablas, hatte ich keine
Ahnung, dass John mein Leben von Grund auf veränderte und mit seiner Liebe in mein Leben trat
und stiller Begleiter meines Lebens wurde.
2-DAS VERSPRECHEN
„Gütiger Gott im Himmel. Ein Mensch steht unter ständigen Prüfungen des Lebens, hört das denn niemals auf!“
Ich bin auf das Schicksal wütend, dass es mir John genommen hat, aber auch auf mich, dass ich
nicht früher erkannt habe, wie sehr er litt.
Das Glück von einer aussergewöhnlichen Liebe war Johns Nähe; wurde mir vom Tod entrissen!
Das eiskalte, trübsinnige Wetter bringt nicht nur Trauer, sondern auch Bitterkeit in mir hervor.
Wie kann ich diesen grässlichen Streich des Schicksals jemals verkraften.
Ist es nicht interessant, frage ich mich, hole tief Luft; ich weiss nicht einmal, wer John Derby war, woher er kam, kaum etwas über ihn selbst und über seine Herkunft. Hatte er Mutter, Vater, Schwester oder…ja! er erwähnte später, dass er einen Bruder hat, mit dem er Schlittschuh
gelaufen war.
Wo befindet sich dieser Bruder jetzt, in diesem Moment, hat er überhaupt eine Ahnung von dem, was John zugestossen war!
Für mich war er der John, den ich liebte, wie er war, herzlich, geheimnisvoll.
Es ist ungerecht. Er war so jung und so lebensfroh. Ich kann es nicht akzeptieren, aber muss es hinnehmen und dies alles ertragen.
„Hätte ich mich bloss mehr erkundigt, wie es ihm ging, mich mehr um ihn gekümmert“, denke ich schuldbewusst. Vielleicht hätte ich etwas mehr für ihn tun können…vielleicht…
„John, oh John, warum hast du mich verlassen?“, stöhnte ich bitter.
Tränen brennen hinter meinen Lidern, doch ich kann nicht weinen.
Wir Menschen sind vergänglich, denke ich wiederum traurig, man muss zu dieser Erkenntnis stehen und versuchen, das Leben erträglicher zu betrachten.
Wie kann jemand solche Schmerzen ertragen und weiterleben! Unter dem Motto, das Leben geht weiter.
Plötzlich spüre ich die bissige Februarkälte bis in die Knochen. Es ist so, als sei ich vor Kälte
erfroren. Ja! Ein Teil bleibt mir eingefroren. In der Hoffnung, eines Tages in einer besonderen Liebe auftauchen zu können, lassen mich die Gedanken an John nicht los. Es scheint alles anders an
diesem Tag zu sein. Sein Tod hat die ganze Welt verändert und das Leben beeinflusst von neuem.
Er war ein guter Freund, stiller Begleiter, Teilhaber meines Lebens, ein Geselle…ein…
Auch wenn er dahin gegangen ist; die Erinnerungen an ihn werden überall in jeder Zeit
allgegenwärtig sein. Man sagt, alles gerät mit der Zeit in Vergangenheit oder in Vergessenheit. Nein, die Geschichte wie unsere wird nicht in Vergessenheit geraten oder in Vergangenheit ruhen! So
lange ich lebe, wird sie mich im Leben begleiten, obwohl es auch mit „es war einmal“ beginnt…
„Oh Gott! Es tut so weh!“ Es kommt mir wie im Albtraum vor.
Sein Tod schmerzt mich sehr, wie eine offene Wunde, die nicht heilen will.
Mir scheint, die Zeit sei stehengeblieben, so wie sich die Menschen wie in Zeitlupe bewegen um
mich herum, ich inklusive bewege mich mit tiefer Lethargie nirgendwohin.
Mein Herz blutet vor Trauer, und fühle ich mich wie taub und stumm.
3-DAS VERSPRECHEN
Ich zucke zusammen, als Tram Nr. 6, die längste Linie der Stadt, vor mir stehen bleibt. Ich steige
ohne zu überlegen ein, weiss nicht einmal, wo es hinführt. Viele Blicke ziehe ich, mit der Urne
in der Hand, in der Strassenbahn auf mich. Es wird geflüstert, getuschelt untereinander.
Frustriert vom Schicksal und im Schatten einer Verzweiflung, lasse ich mich an einem Fensterplatz nieder.
Um den neugierigen Blicken zu entkommen, schaue ich aus dem Fenster hinaus, beobachte
das unaufhaltsame Leben draussen. Menschen, die sich mitten drin bewegen, nach ihrer Arbeit
in die Cafés, Restaurants, auf die Märkte oder in ihre Häuser eilen, hin und her spazieren wie
in ihrem Schatten, wie Marionetten und Roboter, ja, das alles kommt mir so oberflächlich vor.
Jedoch, jeder trägt ein Leben in sich, ich trage ein dahin geschiedenes Leben in meinen Händen.
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