Patrick antwortete freundlich, dass es eine ganze Menge gäbe.
„Vielleicht können Sie mir ein paar von den Highlights zeigen?“
„Wenn ich die Zeit finde, gerne. Geben Sie mir einfach Ihre Telefonnummer, unter der ich Sie erreichen kann.“
Die Blondine lachte affektiert auf, nahm einen Stift in die Hand und wollte die Nummer ihres Hotels aufschreiben.
„Entschuldigen Sie bitte“, sagte Bea. „Ich müsste mal dringend vorbei, damit ich mit dem Service anfangen kann.“
„Ja, Moment noch. Sie sehen doch, dass ich am Schreiben bin.“
Bea atmete hörbar die Luft ein.
„Vielleicht lassen Sie die Flugbegleiterin erst raus“, mischte Patrick sich ein. „Dann haben Sie auch mehr Platz.“
Dankbar, sich das Gesülze der Blondine nicht mehr anhören zu müssen, blickte Bea ihn an. Die Frau trat einen Schritt zur Seite und Bea die Flucht an.
Zwanzig Minuten später schoben sie und ihre Kollegin den Trolley mit den Getränken durch die Kabine. Dabei stellte Bea fest, dass es sich die Blondine mittlerweile auf dem Sitz der Flugbegleiterin bequem gemacht hatte und sich kokett zu Patrick rüber beugte. Na warte, dachte Bea. Abrupt hielt Bea den Trolley an, setzte ein zuckersüßes Lächeln auf und erklärte in sanftem Ton: „Entschuldigen Sie bitte. Aber dies ist ein Sitz nur für Flugbegleiter. Ich möchte Sie doch bitten, sich entweder hinzustellen oder auf Ihren Platz zurückzugehen.“
„Aber im Moment benötigen Sie ihren Platz doch gar nicht“, warf Blondie leicht verstimmt ein.
„Das stimmt zwar, aber Sie müssen auch verstehen, dass, wenn wir jetzt eine Ausnahme machen würden, es sehr schwer wäre die Leute wieder von diesem Platz zu vertreiben, wenn wir ihn dann wirklich benötigen.“
Die Blondine sog hörbar die Luft ein. „Dieser Logik kann ich leider nicht folgen.“
Dieser Logik willst du gar nicht folgen, dachte Bea. Laut sagte sie: „Tut mir wirklich leid, aber Anweisungen sind Anweisungen.“
Mürrisch stand sie auf.
Patrick betrachtete Bea schmunzelnd.
„Anweisungen sind Anweisungen?“ fragte ihre Kollegin als sie ein Stück weiter gegangen waren. „Diese Anweisung kenne ich gar nicht.“
„Na hör mal. Die kann sich doch nicht einfach auf meinem Platz breit machen. Ich setze mich auch nicht auf ihren.“
„Ich hatte das Gefühl, dass sie sehr gerne mit dir die Plätze getauscht hätte, auch wenn dein Sitz wesentlich unbequemer ist als ihrer. Der Ausblick ist auf jeden Fall netter.“
„Die soll bloß aufpassen. Alles muss ich mir nun auch nicht gefallen lassen.“
„Das hat nicht zufällig was mit dem jungen Mann zu tun?“
„Lass uns lieber mit dem Aperitif anfangen.“
Die nächsten vier Stunden war Bea völlig ausgelastet. Nach dem Aperitif mussten sie abräumen. Dann wurde das Essen serviert. Als sie damit hinten fertig waren, fingen sie vorne wieder mit dem Einsammeln an. Zwischendurch mussten sie noch Gläschen für die sich an Bord befindenden Babys warm machen und immer wieder die Galley aufräumen, da der Platz beschränkt war und nicht auch noch unnötig zugestellt werden sollte. Nach dem Essen folgte der Digestif-Wagen und dann Kaffee. Als das alles erledigt war, ging Bea mit einem Tablett voller Schokoriegel durch die Kabine. Mittlerweile waren die Passagiere wach. Das bedeutete, dass Bea hier und dort mal etwas länger stehen blieb, um sich zu unterhalten und ein paar Fragen bezüglich ihres Berufes zu beantworten, die ihr auf jedem Flug gestellt wurden. So blieb ihr leider auch keine Zeit sich mit Patrick weiter zu unterhalten. Als sie endlich eine halbe Stunde Pause hatte, sah sie, dass die Blondine schon wieder bei ihm stand.
Die ist aber auch hartnäckig, dachte sie. Leider konnte Bea sie nicht vertreiben, da sie sich nicht hingesetzt hatte. Allerdings wollte sie sich schon gerne mit Patrick unterhalten. Und sie hatte nur diese halbe Stunde. Danach würde der zweite Service beginnen und dann waren sie auch schon da. Plötzlich hatte sie eine Idee. Vom Bordtelefon aus rief sie im Cockpit an. Der Kapitän meldete sich.
„Hallo, hier ist Beatrix von 3 links“, nannte sie ihren Namen und ihre Position an Bord.
„Was kann ich für dich tun, Beatrix?“
„Die Passagiere stehen im Gang herum und keiner kann mehr wirklich durch. Die Kollegen vom Bordverkauf haben ihre liebe Mühe den Wagen durch die Gänge zu kriegen. Können wir vielleicht die Anschnallzeichen haben, damit wir die Leute wieder auf ihre Plätze schicken können?“
„Klar, kein Problem. Wird sofort erledigt.“
Es war tatsächlich auf den Flügen öfter mal der Fall, dass genervte Flugbegleiter zu diesen Hilfsmitteln griffen. Allerdings meistens, wenn die Passagiere in der Küche standen, weil ihnen an ihren Plätzen zu langweilig war. Da die Flugbegleiter in der Küche immer viel zu tun hatten, war dies der einfachste Weg, sie los zu werden. Aber, so dachte Bea, im Krieg und beim Flirten sind alle Mittel erlaubt. Mit Freude registrierte sie, dass die Zeichen angingen. Lächelnd ging sie auf die Blondine zu und bat diese, mit einem Hinweis auf die Anschnallzeichen, sich doch bitte wieder auf ihren Platz zu begeben. Wenn Blicke töten könnten, wäre Bea auf der Stelle umgefallen. Irgendetwas vor sich hinmurmelnd verschwand sie. Bea nahm gegenüber von Patrick Platz.
„So, jetzt habe ich tatsächlich mal ein wenig Zeit.“
„Und da genau jetzt auch die Anschnallzeichen angegangen sind, musst du dich sowieso hinsetzen. Anscheinend erwartet das Cockpit arge Turbulenzen“, entgegnete er mit einem verschmitzten Lächeln.
Leider konnte Bea es nicht verhindern, dass sie rot wurde. Schnell antwortete sie: „Anscheinend. Wie lange lebst du denn schon in Chicago?“
„In diesem Jahr werden es vier Jahre. Eigentlich möchte ich auch nicht mehr weg. Aber heutzutage kann man nie wissen, wo einen der Job hinführt.“
„Stimmt. Da habe ich weniger Probleme. Ich kann leben, wo ich will. Hauptsache ich bin zu Dienstbeginn in Frankfurt.“
„Ja, du hast schon ein tolles Leben.“
„Die Außenstehenden denken immer, dass wir einen Traumjob haben. Aber glaubst du wirklich, es ist so angenehm, ständig in einer Röhre durch die Gegend zu fliegen, wo alles so eng ist, dass man sich dauernd im Weg steht. Und außerdem muss man sich des Öfteren von Passagieren, sagen wir mal, blöd von der Seite anquatschen lassen und trotzdem immer lächeln dabei.“
„Aber ihr könnt euch die Welt angucken.“
„Ja, genau. 24 Stunden Aufenthalt in Chicago reichen auch vollkommen aus, um sich alles anzuschauen“, erwiderte sie spöttisch.
„In 24 Stunden kann man eine Menge erleben.“
Irrte sie sich oder war da wieder eine Zweideutigkeit in seiner Bemerkung. Bea dachte lieber nicht genauer drüber nach und antwortete: „Allerdings. Nur leider muss man auch irgendwann mal schlafen. Und dann noch den Weg hin und zurück zum Flughafen samt Vorbereitungszeit. Da bleiben vielleicht noch zehn Stunde, die man für die Stadt erübrigen kann.“
„Aber ihr habt doch nicht überall nur so kurz Aufenthalt.“
„Nein. Es gibt schon Ziele, die sind wirklich beneidenswert. Da hat man dann vor Ort drei bis vier Tage frei. Trotzdem wiegt das die Nachteile dieses Berufes nicht wirklich auf. Man fliegt zum Beispiel so gut wie nie mit den gleichen Kollegen. Freundschaften schließen kann man fast vergessen. Jede Tour mit einer anderen Crew.“
„Gesellschaftlich ist das bestimmt nicht sehr fördernd“, stimmte Patrick zu. „Und beziehungstechnisch wohl auch nicht.“
„Auf keinen Fall. Jedenfalls nichts Ernsthaftes.“
Er lachte auf. „Ja, ich habe auch schon gehört, dass die Flugbegleiterinnen sich gerne auf kurze Abenteuer mit den Piloten einlassen.“
Und schon wieder wurde Bea rot. „So war das gar nicht gemeint. Und wenn überhaupt, ist das andersherum. Die Piloten lassen sich auf kurze Affären mit den Flugbegleiterinnen ein und gehen dann wieder nach Hause zu ihren Ehefrauen.“
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