Marcelo Strumpf
Tödliche Täuschungen
Ein Cornwall-Krimi
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Inhaltsverzeichnis
Titel Marcelo Strumpf Tödliche Täuschungen Ein Cornwall-Krimi Dieses ebook wurde erstellt bei
PROLOG
Tag 1
Tag 2
Tag 3
Tag 4
Tag 5
Tag 6
Tag 7
EPILOG
Impressum neobooks
St. Ives, im Sommer 1973
Mist, Mist, Mist und nochmals Mist! Er wusste doch, dass ihm die blöde Kuh früher oder später Ärger machen würde. Und jetzt hatte er Ärger, mächtigen sogar. Becky hatte ihn dazu gebracht, sie zu töten!
Da lag sie: ausgestreckt auf dem Fußboden des alten Strandhäuschens, den Kopf zur Seite gedreht, und atmete nicht mehr. Wahnsinn: Es war fast dieselbe Stelle, an der sie sich beide im letzten Sommer herumgewälzt hatten.
Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie überrascht er gewesen war, dass Becky noch Jungfrau war. Immerhin hing ihr schon mit fünfzehn der Ruf nach, zu den frühreifen Mädchen an der High School zu gehören. Das war nichts anderes als eine höfliche Umschreibung für „Schlampe“. Jeder an der Schule, ob Lehrer, Schüler und Eltern, wusste doch, dass Rebecca Hynes, die von allen einfach nur Becky genannt wurde, praktischen Aufklärungsunterricht betrieb und sich Mitschüler über vierzehn vorknöpfte, zumindest die sportlichen unter ihnen. Man hatte sogar gemunkelt, sie habe es mit Mr. Edwards getrieben, dem Sportlehrer. Aber das alles war wohl nur ein Gerücht, wie er dann herausfand. Becky konnte bis letzten Sommer mit niemandem Sex gehabt haben.
Es geschah nach einer Sommerparty am Strand, nach zu viel Bier und zu viel Wein. Ob er tanzen wolle, fragte sie ihn, als aus dem scheppernden Kassettenrecorder „Nights in White Satin“ von Moody Blues erklang. „Wegen mir“, antwortete er ihr lustlos. Und dann tanzten sie eng umschlungen, während er Beckys heißen, leicht säuerlich nach Bier riechenden Atem an seinem Ohr spüren konnte und ihren Unterleib, der sich gegen seinen presste. Und irgendwie hatte ihn das sogar ganz schön heiß gemacht, doch dann riefen seine Kumpels nach ihm.
Er konnte sich noch sehr gut an jenen Spätnachmittag im letzten Jahr erinnern. Die Sonne war schon fast untergegangen und hatte den tagsüber blauen Himmel in ein glühendes Rot getaucht, als Jimmy, Mike und die anderen aus seiner Klasse losrannten. Sie wollten die tolle Brandung ausnutzen und surfen. Da war für ihn kein Halten mehr. Surfen war nun mal seine Leidenschaft. Und so ließ er Becky am Ende des Songs einfach stehen und war seinen grölenden Freunden hinterhergerannt.
Er war als letzter in das Strandhäuschen angekommen, dessen weiße Außenfarbe vergilbt war und seit Jahren mehr und mehr abblätterte. Seine Freunde hatten ihre Bretter schon von den Ständern heruntergenommen und rasten an ihm vorbei aufs Meer zu, wo sie auf die perfekte Welle warteten. „Wartet auf mich“, rief er ihnen noch hinterher, aber sie hatten ihn nicht mehr gehört. Dafür hörte er, wie die Tür hinter ihm geschlossen worden war und jemand den Riegel zuschob. Erst hatte er geglaubt, einer seiner Kumpel wäre zurückgekommen, um ihm einen Streich zu spielen und ihn einsperren zu wollen. Doch dem war nicht so. Denn als er sich umdrehte, konnte er Becky sehen, die in das Strandhäuschen hereingekommen war und ihn mit vor Lust fiebrigen Augen anschaute.
„Was ist?“, hatte er sie naiv gefragt, obwohl er ja genau sehen konnte, was sie wollte. Er war gerade dabei gewesen, seine Bermudashorts anzuziehen, und stand splitternackt da. Also musterte sie seinen nackten Körper von oben bis unten und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Statt zu antworten, hatte sie dann begonnen, sich wie eine Stripperin zu bewegen und ihre Bluse aufzuknöpfen. Und dann war auch schon ihr Minirock gefallen, und sie hatte nur noch in ihrem Slip vor ihm gestanden. Keine Frage, das hatte ihn ganz schön geil gemacht.
Es war stickig in dem Strandhäuschen gewesen. Es hatte nach Teer und Schweiß und nach Beckys schwerem Patschuli-Parfüm gerochen, als sie sich auf den Holzdielen am Boden gewälzt hatten und er ungeschickt in sie einzudringen versuchte. Die Nummer hatte nicht lange gedauert, denn er wollte ja surfen gehen. Kaum war er gekommen, hatte er seine Shorts angezogen, sich das Surfbrett geschnappt und war hinausgelaufen. Wahrscheinlich hatte sie ihm wütend nachgeschaut, weil er sie einfach so da liegen ließ, ohne irgendetwas zu sagen.
Trotzdem hatte sie ihn danach nicht mehr in Ruhe gelassen. War lästig wie eine Schmeißfliege gewesen. War ihm überall hingefolgt. Hatte ihm schwülstige Liebesbriefe geschrieben, die er nicht beantwortete, bis sie ihm dann vor ein paar Monaten erzählte, sie würde mit ihren Eltern aus St. Ives wegziehen. Ihr Vater wäre beruflich nach Devonshire versetzt worden. Leider nicht weit genug von Cornwall, hatte er da gedacht. Und doch: Gott, was war er erleichtert gewesen, als er von ihren Umzugsplänen wusste. Denn das bedeutete, dass sie ihn endlich in Ruhe lassen würde.
Max schaute wieder hinunter auf den Fußboden, auf dem Becky regungslos lag. Jetzt würde er tatsächlich vor ihr Ruhe haben, denn sie war tot. Mausetot. Das hatte er doch nicht gewollt! Verdammt! Er hätte heute auf sein inneres Gefühl hören und sich nicht nochmal mit ihr treffen sollen. Aber, nein, er hatte sich von ihr weichreden lassen.
„Sei kein Frosch, Max“, hatte sie zuckersüß ins Telefon geflötet, als sie mittags bei ihm zu Hause anrief. „Du weißt doch, dass ich morgen wegziehe, und wer weiß, ob wir uns jemals wiedersehen. Da wird es doch wohl nicht zu viel verlangt sein, wenn wir uns nochmal treffen und uns voneinander verabschieden. So, wie es sich gehört“, sagte sie vielsagend und ein wenig geheimnisvoll. „Außerdem dachte ich, es liegt dir ein bisschen was an mir“, hatte sie dann weinerlich wie ein kleines Mädchen gesagt, obwohl sie sonst immer auf selbstbewusste Braut machte.
Herrje, wie kam die dumme Pute nur darauf, sie würde ihm etwas bedeuten? Er hatte ihr doch klipp und klar gesagt, dass er sie zwar ganz nett fand, aber mehr auch nicht. Nie hatte er ihr etwas vorgemacht oder so getan, als würde er für sie etwas empfinden.
Noch immer zitterten ihm alle Glieder. Er blickte wieder zu ihr herunter und hoffte inbrünstig, dass sie endlich wieder zu sich kommen und die Augen öffnen würde. Und dann ging er erneut in die Hocke und rüttelte an ihr, aber er konnte rütteln, so viel er wollte: Becky reagierte nicht. Scheiße!
An allem war nur seine blöde Mutter schuld. Sie war doch ans Telefon gegangen, als Becky angerufen hatte. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und konnte seinen Blick nicht von Beckys leblosem und ziemlich blassem Gesicht abwenden. Nur eine Minute später, und sie hätte ihn nicht mehr zu Hause erwischt. Doch das Telefon läutete genau in dem Augenblick, als er gerade zum Strand loswollte, um sein neues Surfbrett einzuweihen.
„Max, es ist für dich. Becky“, hatte seine Mutter gesagt und ihm den Hörer hingehalten. Er hatte Null Bock gehabt, mit ihr zu sprechen, und dies seiner Mutter sehr deutlich zu verstehen gegeben, indem er ihr eindeutige Handzeichen machte und Grimassen zog. Aber sie hatte nicht daran gedacht, für ihn zu lügen. Sie hatte die Augen verdreht, damit er endlich den Hörer nahm, den sie ihm gnadenlos hingehalten hatte. Insofern war es auch zwecklos gewesen, ihr zuzuflüstern, sie solle Becky sagen, er sei nicht da. Seine Mutter hatte ihn in diese Sache reingeritten, als sie sich wieder den Hörer ans Ohr gehalten und zu Becky gesagt hatte: „Warte, Liebes. Einen kleinen Moment. Max kommt gleich ans Telefon“.
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