"Oh!" Jetzt war Derek sichtlich überrascht. "Okay!" Er sah Ben direkt an.
Er will wissen, warum! erkannte Riley. "Ich…!" begann er und wollte schon sagen: …bin mit Sophia verabredet! als er plötzlich stutzte. Warte, Derek ist nicht dumm. Womöglich zählt er zwei und zwei zusammen und seiert mich voll, bevor ich hier wegkomme! "…habe vor der Arbeit noch etwas zu erledigen!" endete er daher eher salomonisch und lächelte unverbindlich.
Derek wirkte im ersten Moment nicht vollkommen zufrieden, doch erkannte er, dass das Thema für Riley damit erledigt war. "Ja gut, dann…!" Er überlegte kurz. "…hole ich mir auf dem Weg zur Arbeit einen Bagel!" Er schloss den Kühlschrank und ging zur Kaffeemaschine. "Kann ich dir wenigstens einen Kaffee anbieten?"
Doch Ben schüttelte den Kopf. "Keine Zeit! Ich muss dann auch los!" Er wandte sich in Richtung Tür. "Du kannst aber noch in Ruhe austrinken. Schließ einfach die Tür hinter dir, wenn du gehst, okay?"
Foreman nickte. "Alles klar!"
"Gut! Dann bis nachher!" Und damit verließ Riley die Wohnung.
*
Mit dem Motorrad kam er gut durch den dichten Verkehr und erreichte das Café fünf Minuten vor der vereinbarten Zeit.
Gut so, dachte Ben. Dann kann ich mir meine Worte noch ein wenig zurechtlegen. Außerdem würde ihm ein schneller Kaffee sicher guttun. Der fehlende Schlaf machte sich schon bemerkbar. Riley fühlte sich ausgelaugt und träge.
Als er das Lokal jedoch betrat, wusste er, dass er keine Möglichkeit bekommen würde, es langsam angehen zu lassen, denn im hinteren Bereich konnte er Sophia bereits erkennen. Sie saß an einem kleinen Tisch, hatte die rechte Hand an einer Tasse Cappuccino - den trank sie immer - und hielt mit der linken die Tageszeitung.
Ben verharrte in seiner Bewegung und für einen Moment war seine Müdigkeit wie weggeblasen, während er den Anblick seiner Exfrau einfach nur… genoss.
Sophia war schon immer eine absolut atemberaubend schöne Frau gewesen, und auch heute hatte sich daran nichts geändert. Ben überlegte kurz, wie lange ihre letzte Begegnung her war und stellte fest, dass es fast acht Wochen waren. Tief im Inneren verspürte er Freude über das Wiedersehen, wenngleich ihm klar war, dass es kein freudiges Gespräch werden würde.
Deshalb beschloss er, ihren Anblick zunächst einmal einfach nur zu genießen, bevor er zu ihr trat. Für einen Augenblick hatte er das Gefühl, als würde die Welt um ihn herum verharren und er Sophia völlig frei und ohne Stress ungehindert ansehen können, da er auch das Glück hatte, dass sie selbst ihn noch nicht bemerkte.
Ihre schulterlangen, tiefschwarzen, lockigen Haare waren sauber frisiert und umrahmten ihr ebenmäßiges Gesicht mit den feinen Zügen, den hohen Wangenknochen, der kleinen, wohlgeformten Nase, den schmalen Lippen, die einen sinnlichen Mund umspielten, ganz besonders aber die mandelförmigen, stahlblauen Augen, die so intensiv leuchten konnten, wenn sie einen anblickten. Alles war dezent, aber absolut perfekt geschminkt. Das Bild einer wunderschönen Frau, wenngleich der ernste Ausdruck beim Lesen der Zeitung, sie hart und unnahbar erschienen ließ.
Sophia trug ein sandfarbenes, luftiges Sommerkleid, das ihr hervorragend stand. Es war aus weichfließendem Material und umspielte ihren schlanken Körper schon im Sitzen auf wunderbar elegante Weise.
Eine echte Traumfrau , erkannte er zum x-ten Mal und hätte fast gelächelt, doch als im selben Moment sein Gehirn ebenfalls zum x-ten Mal diese beschissene, idiotische und bittere Frage stellte: Wie nur hast du sie jemals gehen lassen können? verging ihm jegliche Freude und seine Lippen verzogen sich zu einem säuerlichen Ausdruck. Weil Sophia eben nicht nur die äußere Hülle ist und sich in ihrem Inneren eine Schlange verbirgt, die hinterhältig, egoistisch und manipulierend ist. Deshalb, du Arsch!
Diese Erkenntnis brachte ihn zurück in die Realität und die Welt um ihn herum lief wieder in normalem Tempo ab.
Ben atmete einmal tief durch und brummte dabei missmutig. Na dann, auf in die Schlangengrube!
*
Sophia blickte von der Zeitung auf, als Ben noch einige Schritte von ihr entfernt war. Als er sah, dass ihre Augen aufleuchteten und ihr sogar ein Lächeln auf die Lippen huschte, war er etwas irritiert. Wahrscheinlich schläft sie auch noch halb , dachte er. Als sie dann aber nicht nur die Zeitung sinken ließ, sich erhob, zwei Schritte auf ihn zumachte und ihn mit den Worten "Hallo Ben!" freundlich begrüßte, sondern dabei sogar ihre Arme um ihn schlang und ihre Wange sanft an seine drückte, war er beinahe so erstaunt, dass er sie nur mit offenem Mund angestarrt und fast eine Erwiderung vergessen hätte.
Alter, was ist denn mit Sophia los? Bin ich im falschen Film, verwechselt sie mich mit Jemandem oder hat sie am Ende gar etwas geraucht? Doch was immer es war, Ben konnte nicht drum hin es zu genießen. Den sinnlich-erotischen Duft ihres Parfums, die Wärme ihrer samtweichen Haut, den kurzen Druck ihrer Brüste gegen seinen Brustkorb, ebenso wie den erregenden Anblick ihres attraktiven Körpers in dem sie wundervoll umschmeichelnden Kleid.
"Hallo Sophia!" erwiderte er sanft, legte auch seine Arme um sie und schloss sogar seine Augen.
Vorsicht! hallte jedoch nur einen Augenblick später seine mahnende Stimme durch den Kopf. Das kann nie und nimmer echt sein! Sie manipuliert dich schon wieder! Ben versuchte ein Argument zu finden, um sich zu widersprechen, fand aber keins und musste zugeben, dass er wohl recht hatte. Also löste er sich von Sophia, obwohl er sich selbst dafür hätte ohrfeigen können. Wie lange war es her, dass Sophia ihn so innig umarmt hatte? Wie lange war es her, dass überhaupt eine Frau so etwas bei ihm gemacht hatte? Er wusste es nicht zu sagen. Jedoch ganz sicher niemand nach Sophia! stellte er verbittert fest.
Sophia sperrte sich nicht gegen den Druck seiner Arme und sie trennten sich. Obwohl Riley wusste, dass er nicht sonderlich fröhlich blickte, behielt seine Exfrau ihr Lächeln bei und ließ auch ihre Hände auf seinen Unterarmen liegen, während sie ihn direkt ansah, dass ihm eine Gänsehaut über den Rücken lief.
Doch damit nicht genug. Im nächsten Moment wanderte ihre linke Hand zu seiner rechten Wange und sie strich einmal sanft darüber, während sie stärker lächelte und ihre Augen wieder zu leuchten begannen. Gleichzeitig zog sie ihre rechte Hand zurück, umfasste damit seine linke Hand und drückte sie einmal kurz, aber deutlich. Und als wenn all das noch nicht ausreichte, um Ben vollends an seinem Geisteszustand zweifeln zu lassen, sagte sie mit überzeugend echter Freude in der Stimme. "Schön dich zu sehen!"
Das Ganze kam Riley derart surreal vor, dass er beinahe Ja, du mich auch ! geraunt hätte, doch gerade als er dem unwirklichen Treiben ein Ende bereiten wollte, konnte er in Sophias Augen etwas erkennen, dass er in diesem Moment ganz und gar nicht erwartet hätte: Traurigkeit!
Doch wieder schalt ihn sein eigenes Ich einen gottverdammten Narren. Du irrst dich, das ist keine Trauer! Und falls doch, dann bilde dir bloß nicht ein, sie würde dir und eurer Beziehung nachtrauern. Im Gegenteil, dann ist das, weil sie erneut erkennt, was für ein Trottel du bist!
Irgendwie schaffte es sein Inneres, ihn selbst gegen sich aufzubringen und fast hätte er sich selbst angeschnauzt, endlich den Mund zu halten. Das aber konnte er gerade noch verhindern, doch er ermahnte sich mit aller Macht, jetzt endlich mit diesem Unsinn aufzuhören und sich auf sein Vorhaben zu konzentrieren. Sophia mochte sich etwas anders verhalten, als es sonst der Fall war, doch hatte sich an ihrem Verhältnis nicht das Geringste verändert. Also war er noch immer ein Idiot und sie eine falsche Schlange. Wenn er dies nicht vergaß, würde er auch keine Überraschung erleben. Und die konnte er jetzt weiß Gott auch nicht gebrauchen, sondern nur Freiheit, Ruhe und Einsamkeit. Kurz: Er musste Derek loswerden! Und damit das gelang, musste er heute zur Abwechslung Sophia manipulieren.
Читать дальше