Glutrot tauchte die Sonne in das Meer, das jetzt wie schwarze Tinte aussah. Die schnaufenden Sportler hatten sich niedergelassen und ruhten sich aus. Als sie zurückkamen, saß Knatchbull bereits und schmauste.
"Jeden Unfug dieses Jünglings macht ihr mit", raunte er seiner Gattin zu, sodass es die andern nicht hören konnten.
Die Gerügte machte ein gequältes Gesicht. Dann stieg Trotz in ihr auf, ein Trotz, den sie oft genug als wohlerzogene Präsidentengattin hinuntergeschluckt hatte. "Wenn man den ganzen Tag spazieren geht und aufs Meer guckt, dann braucht man seine Glieder abends nicht zu schütteln. Ich hatte das Bedürfnis dazu, denn ich habe heute gearbeitet wie selten im Leben."
Knatchbull war erschrocken über diese unerwartete Abfuhr und blieb den übrigen Teil des Abends verschlossen und unnahbar. Die Gesellschaft war darüber eher zufrieden als ärgerlich. Schnell war die Dunkelheit gekommen, bald die Nacht. Einer nach dem andern verschwand, um sich auf einem kargen Lager, so gut es ging, einzurichten. Als Letzter blieb Pete Hawk draußen. Er hatte den von Knatchbull achtlos hingeworfenen Vogel gefunden und nahm ihn nun kunstgerecht aus. Neben ihm saß Prinz. In dessen unersättlichen Magen wanderten die Eingeweide des Geflügels. "Hier, Prinz, Achtung!" In elegantem Bogen sauste Stück um Stück durch die Luft, bis die Arbeit getan war. Dann ging Pete Hawk und vergrub die Delikatesse, die er in einen Persenningfetzen gehüllt hatte, im kühlen Sand des Strandes.
Am zweiten Tag gleich Hühnerbraten, nicht übel, dachte der Matrose beim Einschlafen und hatte schon einen angenehmen Geschmack auf der Zunge.
Heiße Sonne, heißer Tag und eine Entdeckung
Pete Hawk steckte den Kopf zur Laubhütte hinaus. Verschlafen blinzelnd, suchte er die aufgehende Sonne. Sundström stand am Strand und machte Übungen. Trotz der morgendlichen Kühle schien er schon gebadet zu haben.
"'n Morgen, Knut!"
"Hallo, Pete! Machst du mit?"
"Nee, danke. Ich komme mir gegen deine Gelenkigkeit steif vor!"
"Unfug, Pete. Diese Übungen und ein vernunftgemäßes Leben, dann wirst du hundert Jahre alt."
"Wenn du vorher nicht stirbst", sagte der Matrose und ließ sich dann doch herbei, mitzuturnen. Jede Bewegung vollführte er mit Kraft.
"Vom Schwung scheinst du nicht viel zu halten, alter Seebär."
"Hab' ja gewusst, dass du meckern wirst."
"Schon gut. Wasch dich dann fix. Wenn die andern aus dem Laub kriechen, wollen wir bei der Arbeit sein. Wir haben das Beispiel nötig. Es steht zwei gegen acht."
"Das sind doch bloß acht Halbe."
"Unterschätze den Herrn Präsidenten nicht. Im Ernstfall kuschen sie alle vor ihm."
Pete wiegte nachdenklich den Kopf. "Das weiß man noch nicht."
Inzwischen wurde es im Lager lebendig. Die Damen verschwanden hinter dem jenseitigen flachen Hügel. Dort schlängelte sich ein Bach hin, der sich ein Stück weiter in die Bucht ergoss.
"Ich bin neugierig, was gestern in meiner Abwesenheit ausgeheckt worden ist." Knatchbull ließ sich behäbig zum Frühstück nieder.
"Ausgeheckt?" fragte Sundström. "Sie meinen vorgearbeitet?"
"Vorgearbeitet? Wofür?"
"So viel wie möglich dem Delphin zu entreißen, ehe er wegsackt."
"Eine Frage, Mister Sundström. "
"Bitte."
"Wem gehört eigentlich der Delphin?"
"Ihnen, wenn ich nicht irre."
"Nett, dass Sie das anerkennen."
"Na und?"
"Müsste man nicht den Besitzer des Schiffes fragen, ehe man beginnt, es auszuräumen?"
"Ich dachte, das wäre selbstverständlich."
"Ich dachte, es ist Tatsache, dass der Delphin mir gehört."
"Ich merke jetzt, Sie hätten sich gern in der Erteilung einer Zustimmung gesonnt. So sei es denn: Würden Euer Gnaden die Güte haben, uns zu gestatten, den Inhalt des Delphins zu retten?"
Knatchbull unterdrückte seine Wut schlecht. "Für irgendwelche Weiterungen oder Folgen lehne ich jegliche Verantwortung ab. Meine Herren, Sie sind Zeugen." Er wandte sich an Downburn, Strong und Emerson.
"Das ist die seltsamste Erlaubnis, die mir je erteilt worden ist", sagte Sundström.
"Das walte Gott", fügte Hawk hinzu. Eigentlich sollte es ein Fluch werden, aber eben tauchten die Damen auf.
"Zum Begriff Verantwortung", sagte Sundström, "alles was ich hier unternehme, tue ich für ein gutes Zusammenleben, in der Überzeugung, dass jeder andere genau so denkt und handelt. Sie nicht ausgenommen, Mister Knatchbull. Das ist die Verantwortung, die es hierfür jeden gibt."
"Sie hätten Volksredner werden sollen, Mister Sundström."
"Wenn jemand neben dem logischen Handeln auch die Fähigkeit besitzt, logisch zu reden, ist das manchem unbequem, Mister Knatchbull."
"Was würden Sie tun, wenn ich Ihnen verbiete, den Delphin zu betreten?"
"Ich würde ihn aus Notwehrrecht trotzdem ausschlachten."
"Und was spricht dagegen, dass wir durch einen glücklichen Umstand die Jacht wieder flottbekommen?"
"Jede Wahrscheinlichkeit." Sundström blieb ernst, während Hawk leise kommentierte: "Da müsste der sich mit seinem dicken Hintern schon auf das Leck setzen, bis wir in den USA gelandet sind."
"Mit Demagogen streitet man nicht." Knatchbull erhob sich und ging.
"Da haben wir wieder kostbare Minuten vertrödelt, und Sie mahnen nicht zur Arbeit!" schnauzte Sundström scherzhaft die Übrigen an, die dem Disput mit verlegenen Mienen zugehört hatten.
"Warum so traurig, die Trödelei hat ein Ende!" rief Pete.
Sofort galt das allgemeine Interesse dem Seemann.
"Wir müssen das erste Mal hin und zurück rudern und genug Tauwerk mitbringen. Dann kann die Schaluppe immer an den Strand gehievt werden", sagte Hawk.
Sundström entwickelte, wie er sich den Fortgang der Arbeit vorstellte.
"Pete und ich rudern; Strong steuert und überwacht das Ablaufen des Seiles, während Sie, Oberst, den Oberbefehl hier am Strand über die Damen übernehmen."
"Herzlichen Dank für die Auszeichnung ", sagte Downburn, und die Damen hänselten ihn als Oberbefehlshaber der Amazonen.
"Lachen Sie nicht zu früh", warnte der Ingenieur. "Sie werden tüchtig ziehen müssen, wenn wir die Schaluppe beladen haben. Und das Ausladen im seichten Wasser ist auch kein Kinderspiel."
"Mit meinem Muskelkater", jammerte Joan Knatchbull.
"Heute Abend treiben wir ihn mit Gymnastik aus", tröstete sie Sundström.
"Warum haben wir heute früh keine gemacht?" wollte Rose Taylor wissen.
Sundström kratzte sich verlegen den Kopf. "Ich habe ja geturnt, gleich nach dem Baden, im Adamskostüm. Aber eines schickt sich nicht für alle. Ich hoffe, wir werden vom Delphin genug Sport- und Badekleidung mitbringen."
"Mein Kompliment, Herr Sundström, ab und zu haben Sie sogar lobenswerte Gedanken", bemerkte Ellen Knatchbull.
Die Drei stießen ab und nahmen Kurs auf den Delphin
"Strong, steuern Sie nicht direkten Kurs auf das Wrack. Wir müssen die Brandung rechtwinklig schneiden."
Das Boot kam flott voran, sie näherten sich der Brandung. Strong wurde nervös. Dicht davor erkannte man erst die Gewalt der Brecher. Vom Strand sah das aus wie ein Streifen Schlagsahne.
"Achtung, genau schneiden, Strong!" brüllte Sundström und sah, wie Strongs Hände krampfhaft die Steuerpinne umklammerten. Die beiden Männer legten sich in die Ruder, dass ihnen die Adern an Hals und Schläfen hervorquollen.
"Geschafft!" Sundström freute sich.
"Hundertmal hin und zurück, Reverend, dann sind Sie ein brauchbarer Steuermann!" sagt Pete Hawk.
Er machte die Schaluppe in Lee am Delphin fest und hängte Fender zwischen die Bootswände.
"Ein Glück, das die Dünung so schwach ist", bemerkte Sundström, "sonst wäre das eine kitzlige Angelegenheit."
Sie enterten beide das Wrack. Strong blieb im Boot, um die geborgenen Sachen abzunehmen.
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