»So, jetzt wird's Zeit zum Frühstück!« Valerie eilte zum Bach und füllte den Kochtopf und eine Pfanne mit Wasser. Der Topf kam aufs Feuer und Valerie lächelte Titus an. »Kennst du Cowboy-Kaffee?«
Er schüttelte den Kopf und grinste. »Nein, aber ich lerne gerne von dir – besonders, wenn dabei ein Kaffee für mich rausspringt.«
»Na, dann hoffe ich mal, dass du den Cowboy-Kaffee magst.« Valerie hatte eine der Feststoff-Brenntabletten in den Brenner gepackt und zündete sie an. »So – das Wasser kocht gleich. Dann haut man das Kaffeepulver und eine Prise Salz rein, rührt um, lässt noch einmal aufkochen, nimmt den Topf vom Feuer und lässt ihn drei, vier Minuten stehen. In der Zeit sinkt das Kaffeepulver nach unten und man kann dann – vorsichtig natürlich – von oben einschenken.«
»Klingt gut!« fand Titus. »Haben wir auch was zu essen?«
»Aber selbstverständlich!« antwortete Valerie. »Wenn dein Kaffee fertig ist, werde ich Porridge kochen.«
»Süß oder salzig?« fragte er.
»Salzig«, antwortete Valerie, ohne darüber nachzudenken. »Aber wenn du es süß magst, ist es auch okay. Dann machen wir halt noch eine Portion.«
»Nein, ich mag's auch rezent«, gab er zurück. »Gut gewürzt mit einem Schuss Milch – die beste Unterlage für den Tag! Das habe ich beim Studium in London gelernt. Ich hatte damals dauernd Probleme mit dem Magen. Meine Wirtin, eine sehr mütterliche, ältere Dame, hat mich dann mit Porridge gefüttert – und das hat tatsächlich geholfen.«
»Ich kannte Haferbrei lange nur süß und hab' ihn nicht sonderlich gemocht«, erzählte Valerie. »Aber dann war ich mal bei einer Tante zu Besuch, die ihn rezent gemacht hat – und das hat mir geschmeckt. Seitdem ist das mein Winter-Frühstück. Wenn ich weiß, dass ich danach raus in die Kälte muss, brauch' ich was Warmes in den Magen.« Das Kaffeewasser kochte, Valerie fragte: »Wie viel Kaffee möchtest du?«
»Mindestens zwei Becher!« erbat sich Titus.
»Ich mach' dir zwei und wenn du dann Nachschub brauchst, kriegst du frischen – er kühlt sonst so schnell ab.« Valerie löffelte Kaffeepulver in den Topf und schob ihn wieder auf den Kocher. Innerhalb von ein paar Sekunden brodelte die braune Flüssigkeit und ein aromatischer Geruch breitete sich aus. Valerie rührte mit dem Holzlöffel um, zog den Topf vom Brenner und stellte ihn vor der Plane ins Gras. »Ist gleich fertig. Jetzt kommt der Haferbrei.«
»Du verwöhnst mich!« stellte Titus fest, streckte sich auf der Plane aus und stellte fest: »Weißt du, eigentlich ist das hier sehr gemütlich. Wenn die Sache mit dem Piloten und meinen Damen nicht wäre ...«
Valerie schob die Pfanne aufs Feuer und gab zwei Löffel klare Fleischsuppe hinein. »Deine Damen?« fragte sie.
»Chantal und Stephanie«, antwortete Titus. »Chantal ist meine Freundin, Stephanie hast du gestern in Fort Yukon gesehen. Sie ist seit sechs oder sieben Jahren meine Agentin und inzwischen auch so etwas wie eine sehr liebe Freundin.«
»Die Damen machen sich sicher große Sorgen um dich«, sagte Valerie und schüttete Haferflocken ins kochende Wasser. »Dein Kaffee dürfte übrigens so weit sein.«
»Danke.« Er schüttete vorsichtig Kaffee in seinen Becher, legte beide Hände zum Aufwärmen darum und nahm den ersten Schluck. »Huh – schmeckt richtig gut!« Er nahm noch einen Schluck. »Gar nicht bitter – ich mag deinen Cowboy-Kaffee!«
»Das freut mich!« Valerie rührte fleißig in der Pfanne.
»Wie ist es mit dir? Kein Kaffee?«
»Ich bin nicht scharf auf Kaffee«, antwortete sie.
»Tee? Ich meine, ich hätte gestern auch Teebeutel gesehen. Soll ich dir einen holen?« bot Titus an.
»Nein, danke. Das ist lieb von dir, aber mir reicht morgens ein Schluck Wasser zum Porridge.« Valerie lachte. »Ich hab' mir überhaupt erst in Marbach angewöhnt, etwas zu frühstücken. Als Kind hat meine Mutter immer Kämpfe mit mir aufgeführt. Sie meinte, ich müsste unbedingt frühstücken, bevor ich in die Schule gehe. Aber mir war's da einfach zu früh und ich mochte nicht und wir haben uns morgens immer gestritten. Damals habe ich mir geschworen, dass ich nie mehr frühstücke, wenn ich erst erwachsen bin. Im ersten Marbacher Winter habe ich dann aber festgestellt, dass ich spätestens gegen elf schwächle, wenn ich mit leerem Magen starte. Seitdem gibt's Porridge.«
Titus lächelte. »Du erinnerst mich an meine erste Frau. Sie war auch so ein Frühstücksmuffel. Dafür hat sie allerdings, wenn sie morgens zu einer Probe musste, ein Vesper mitgenommen – und mir wird unvergessen bleiben, wie sie dann von Maestro Rothardt engagiert wurde. Das war so ein ganz würdiger, alter Herr, der wahrscheinlich schon ein wenig ein Problem damit hatte, so eine flotte, junge Frau engagiert zu haben. Und als sie dann auch noch in Jeans und Clogs zur Probe kam und da ihr Schinkenbrot auspackte – er sah aus, als ob ihn der Schlag treffen würde!« Er trank noch einen Schluck, schenkte sich Kaffee nach und sagte leise, mit einem sehr wehmütigen Lächeln: »Sophie war eine ungewöhnliche Cellistin. Die meisten Celli sind nicht so ganz von dieser Welt – eher so schwanengesangmäßig melancholisch. Aber Sophie war fröhlich und sehr witzig und sie lachte gerne und hat sich oft einen Spaß daraus gemacht, diese Leute in der Szene, die sich so schrecklich ernst machen, ein wenig durch den Kakao zu ziehen.« Er fiel ins Schweigen und trank seinen Kaffee.
Valerie kümmerte sich um ihr Porridge, das leise blubbernd vor sich hin kochte. Sie probierte es, salzte noch ein wenig nach und zog den Topf vom Kocher. Anschließend nutzte sie ihren Löffel, um die Flamme im Kocher zu löschen; nahm zwei nierenförmige Stahlschüsselchen und gab je einen ordentlichen Schlag Porridge in jedes. Ein kräftiger Schuss Milch dazu, dann reichte sie Titus seine Portion. »Hier – guten Appetit.«
»Danke. Riecht gut!« Er hatte seine langen Beine unter sich gekreuzt, stellte jetzt seinen Kaffeebecher zur Seite und parkte dafür die Schale mit dem Porridge auf seinem Knie. »Ich wundere mich gerade über mich selbst. Warum erzähle ich dir so viel?«
»Weil es mich interessiert?« gab Valerie zurück.
Titus steckte seinen Löffel ins dampfende Porridge und rührte nachdenklich darin. »Ich rede sonst nicht so viel von mir«, sagte er nach einer Weile. »Ich hoffe jedenfalls, dass ich nicht zu den Leuten gehöre, bei denen die eigene Person das absolute Lieblingssubjekt ist.«
»Glaube ich auch nicht«, beruhigte ihn Valerie und schob sich den ersten Löffel Porridge in den Mund. »Ich vermute, dass du sonst nicht so gesprächig bist, weil du gar nicht so viel Zeit zum Reden hast.«
»Stimmt«, gab er zu und atmete tief durch. »Das hätte mein erster richtiger Urlaub in vier oder fünf Jahren werden sollen«, erzählte er. »Sonst ist man ja immer im Hamsterrädchen – heute hier, morgen dort. Und wenn ich mal nicht über Flughäfen renne oder vor einem Orchester rumzapple, lerne ich ...« Er seufzte, schüttelte den Kopf und sagte: »Ich red' schon wieder von mir. Schluss jetzt – ich esse jetzt und halt' die Klappe.«
Valerie schluckte, legte den Löffel in ihr Schüsselchen und schaute ihn sehr ernst an. »Sollen wir einen Deal machen? Ich sag's dir, wenn ich das Gefühl habe, dass du zu viel über dich redest, ja? Und bis dahin machst du dir darum keinen Kopf.«
»Du bist lieb – und dein Porridge schmeckt übrigens richtig gut.«
»Ja, ja, der Hunger treibt's runter!« lachte Valerie. »Nach so einer Nacht würdest du wahrscheinlich eingemachte Kellerstaffeln mit Salat mögen!«
»Das klingt sehr verlockend! Gibt's das bei dir öfter?« grinste Titus.
»Das gab's bei meiner Mutter, wenn sie die ewige Frage 'was gibt's heute zu essen' genervt hat. Bei meiner Großmutter gab's dann allerdings was anderes: A Nixle e'm a Büchsle ond a goldig's Wartaweile.« Valerie schob sich einen weiteren Löffel Haferbrei in den Mund.
Читать дальше