Einige Stunden später, starrte ich auf den positiven Schwangerschaftstest, bleich und mit einem flauen Gefühl der Angst im Magen. So sehr ich auch jedes meiner Kinder liebe und um nichts hergeben würde, muss ich eben auch gestehen, dass ihr Timing, in unser Leben zu treten, doch einige Male recht kurios war.
Wie sollte ich diese Neuigkeit nun Joe überbringen und welche Reaktion erwartete mich?
Wieder war es Jemma mit der zündende Idee, denn uns allen war noch sehr deutlich in Erinnerung, welche Essgelüste meinen Mann, in der letzten Schwangerschaft, befallen hatten: Tomaten!
Nun spreche ich hier nicht von einer obligatorischen Tomate, die regelmäßig dekorativ am Tellerrand thronte oder dem kleinen Tomatensalat zwischendurch. Nein, Joe schien, in meiner Schwangerschaft mit Elly, eine Obsession dafür zu entwickeln, sämtliche Tomaten, denen er habhaft werden konnte, auszurotten. Und das in absolut jeder Form, ob nun als Saft, Soße, Salat oder Snack.
Als er an jenem warmen Maitag von der Arbeit heim kam, stand bereits ein Teller Tomatensuppe auf dem Tisch, daneben eine Schale Mini-Tomaten und ein Glas Tomatensaft. Der positive Schwangerschaftstest, lag, in eine Serviette eingewickelt, neben dem Löffel.
Joe brauchte keinen Test. Er sah sein Mahl an, kurz ratterten die Zahnräder in seinem Kopf, dann begann er, breit und über das ganze Gesicht, zu grinsen. Während ich noch einige Tage brauchte und mich an den Gedanken, bald zwei Babys im Haus zu haben, erst gewöhnen musste, prahlte mein Göttergatte bereits stolz mit seiner Fruchtbarkeit.
Ich gebe zu, da ich auch nicht mehr ganz so jung war und gefühlt erst ein paar Tage zuvor Elly entbunden hatte, empfand ich die Schwangerschaft mit Ruby etwas anstrengender. Nicht nur für mich, auch für meine Familie, die bis heute Eide schwört, ich hätte mit einer Masse an Hormonen jongliert, die eher auf eine Drillingsgeburt hin deutete.
Dabei redete ich mir ein, meine Launen entsprängen einzig dem Stress, den wir in dem Jahr hatten, denn wenige Monate nach der Einzugs-Ankündigung unserer Ruby, heirateten wir und der Löwenanteil der Planungen und Organisation, lag bei mir.
Insgesamt neige ich dazu, in einer Schwangerschaft schon früh Bauch zu zeigen. Der Sommer war also noch nicht zu Ende, als mich immer öfter besorgte Mitmenschen fragten, wie lange mein Baby schon überfällig sei. Antwortete ich dann, noch Monate, bis nach Weihnachten, vor mir zu haben, erntete ich stumm-entsetzte Blicke, denen ich mich nur entziehen konnte, indem ich schwerfällig von dannen wälzte.
Ja, meine Schwerfälligkeit, beeinträchtigte mich zunehmend. So sehr, dass meine Familie noch Tage johlte, weil ich sie einmal fast ums Essen gebracht hatte.
Mühsam bereitete ich einen großen Bräter voll mit Auflauf vor.
Der Backofen unseres Herdes – ein Erbstück meiner Oma – ließ sich wie eine Schublade auf ziehen, was ich übrigens immer recht praktisch fand. Er stand also zwischen zwei Schränken, ich zog die Lade auf, stellte den Bräter hinein und triumphierte ein wenig, dass ich perfekt in der Zeit lag. Nur, als meine Familie sich schließlich, zur gewohnten Zeit, um den Tisch versammelte und ich den Auflauf aus dem Ofen holen wollte, war der Bräter verschwunden.
Hektik brach aus und ich begann schon, Till und Malte zu verdächtigen, nur um mich zu ärgern, den Auflauf aus dem Ofen geholt und versteckt zu haben. Aber alle beteuerten ihre Unschuld, während ich bemerkte, dass sie anfingen, an mir zu zweifeln, ob es den ominösen Auflauf überhaupt je gegeben hatte.
Aus dem Babyzimmer krähte Elly und Joe erhob sich, um ihre Flasche vorzubereiten, während wir weiter um die Existenz und den Verbleib des Auflaufs stritten.
Als mein Mann die Schublade, im Schrank neben dem Backofen auf zog, in der Ellys Flaschenzubehör aufbewahrt wurde, begann er schallend zu lachen, setzte sich kurz wieder, deutete, mit Tränen in den Augen auf die tiefe Schublade mit den Fläschchen und als wir näher hin sahen, stand dort der Bräter mit dem Auflauf.
Mein riesiger Bauch hatte mich nicht sehen lassen, dass ich unser Essen, statt in den Ofen, in den Küchenschrank gestellt hatte.
Noch Jahre später, begleiteten mich gelegentliche Anfeuerungsrufe, sobald ich den Backofen öffnete, dass ich tatsächlich in Zielposition stände.
Das Weihnachtsessen kochte ich im Voraus. Schließlich wüsste man ja nie, ob unsere Ruby sich nicht vorzeitig auf den Weg machen wollte und dann sollte meine Familie wenigstens genug zu essen haben.
Ich ließ mir, beim Festmahl, auch nicht nehmen, die einzelnen Gänge zu verteilen und kippte mir, da ich, wegen des gewaltigen Bauches alles etwas höher halten musste, prompt den Inhalt des Suppentellers, der eigentlich für meinen Schwiegervater gedacht war, ins Dekolleté, Eierstich, Gemüse und Nudeln, filterten sich in meinem BH, während die Brühe mir bis in die Hose tröpfelte, ich gleichzeitig danach brüllte, man möge mir ein Glas kaltes Mineralwasser in den Ausschnitt schütten, da dieses Abenteuer doch schon ordentlich Temperatur aufwies und mein Schwiegervater beteuerte, er bräuchte nun nicht unbedingt zwangsläufig Suppe.
Theoretisch sollte Ruby genau zwischen den Weihnachtsfeiertagen und dem Geburtstag meines Mannes geboren werden, der es wirklich niedlich gefunden hätte, würden seine jüngste Tochter und er, sich den Ehrentag teilen. Elly war ja bereits am Geburtstag meines Schwiegervaters geboren worden und Joe frotzelte von einer neuen Tradition, der geteilten Wiegenfeste. Zumal wir oft, wenn jemand erstaunt darüber war, dass Opa und Enkelin zusammen feierten sagten, zum Zeitpunkt von Ellys Geburt, waren wir so arm, dass wir uns keinen eigenen Geburtstag für unser Kind leisten konnten.
Heiligabend und der erste Weihnachtstag verstrichen, ohne dass die Geburt sich ankündigte. Wir wurden immer sicherer, dass unsere Kleine also auf jeden Fall, bis nach den Feiertagen warten würde.
Am zweiten Weihnachtstag, morgens, kurz nach halb vier, verspürte ich das Bedürfnis, das wohl alle Schwangeren von einem durchgehenden Schlaf abhält: ich musste zur Toilette.
Die lag im unteren Stockwerk und ich nuschelte verschlafen ein paar Flüche, da es in dieser frostigen Nacht, auf dem Flur, meiner Meinung nach, kälter sein musste, als draußen.
Bibbernd schlotterte ich mich also zur Toilette und wunderte mich, dass ich, obwohl ich fest überzeugt war, nicht mehr pinkeln zu müssen, ziemlich undicht zu sein schien. Nicht ganz eindeutig, ob ich eben keine Kontrolle über meine Blase hatte oder Ruby begann, den Stöpsel zu ziehen.
Gedankenverloren, sprach ich zu meiner kleinen Tochter, in meinem Bauch, dass ich noch nicht wach genug war, um ihre eventuellen Zeichen zu verstehen und sie möge, falls sie mir hiermit ihren Auszug ankündigte, bitte deutlicher werden.
In den nächsten zehn Minuten, die ich noch auf der Keramik thronte, passierte nichts mehr. Also ließ ich mich vom verlockenden Ruf meines warmen Bettes verführen und schlurfte schlaftrunken zur Badezimmertür.
Auf halben Weg platschte es laut und vernehmlich und im nächsten Moment spürte und sah ich die riesige Pfütze, in der ich stand. Das war nun ein sehr deutliches Zeichen!
Schlagartig stellte sich in mir alles auf Geburt ein und ich warf lediglich ein Badehandtuch auf die nassen Fliesen, um mich wieder auf den eisigen Flur zu tasten. Die Kälte war grausam und da ich innerlich noch etwas die nächsten Abläufe koordinierte, schlurfte ich langsam gen Treppe.
Besorgt kam unser Neufundländer, Odin, auf mich zu und wollte wohl nachsehen, ob es mir gut ginge, als es erneut platschte, Odin die Augen weit aufriss, reflexartig zur Seite sprang, jedoch von dem Schwall Fruchtwasser ergriffen, ein Stück an mir vorbei gespült wurde. Seine Hilfsbereitschaft fand in diesem Affront bereits ein Ende und so stand ich also nass-frierend im Flur und rief die Treppe hinauf, zu Joe, der sonst einen sehr leichten Schlaf hat, in dieser Nacht aber partout nicht wach zu bekommen war.
Читать дальше