Rolf Glöckner - Spiegelwelten Der Zauberbaum

In Oldenburg auf dem Schlossplatz war in der Zeit des Einsatzes der Freunde etwas Unerklärliches vor sich gegangen. Maryan hatte von ihrer Mutter bereits davon erfahren. Die Pflasterung des Platzes wurde an verschiedenen Stellen aufgebrochen und Bäume waren mit großer Geschwindigkeit gewachsen. Neugierige, die sich das Phänomen anschauen wollten, waren durch auf sie abgeschossenen Stacheln verletzt worden. Die Krankenhäuser der Stadt hatten alle Hände voll zu tun, denn die Vergiftungserscheinungen konnten tödlich enden. Maryan machte sich auf den Weg zum Schlossplatz, obwohl ihre Mutter Marie Marvelis das nicht gerne sah. Das Mädchen zog sich eine Jacke an, ging zu ihrem Fahrrad und fuhr los. Sie wusste ja über die Bedrohung durch das, was ihre Freunde dagegen getan hatten, besser Bescheid als die Oldenburger Bürger. Sie erreichte die Innenstadt und sah, dass der Schlossplatz weiträumig abgesperrt war und sie nur wenig von dem sehen konnte, was sich auf dem Platz ereignet hatte. Sie sah einige Bäume bis zur Höhe des Turms vom Schloss in den Himmel ragen. Der gesamte Platz war mit rotem Flatterband abgesperrt. Polizei und auch die Feuerwehr waren vor Ort. Sie standen ratlos hinter der Absperrung, weit genug, damit die Giftstacheln sie nicht erreichen konnten. Der Hauptkommissar der Polizei, der seine Leute anführte, hatte eine Idee.

„Vielleicht sollten wir die Bäume verkleben, dann könnten sie ihrer giftigen Stacheln nicht mehr verschießen!“ Zustimmendes Gemurmel machte sich breit. „Aber woher sollen wir denn das Klebemittel bekommen?“ „Es gibt doch eine Farbenfabrik in Oldenburg, vielleicht habe die ja so etwas und würden uns ein bis zwei Tankwagen vollmachen. Ich werde mich gleich darum kümmern,“ sagte der Hauptkommissar, griff zu seinem Telefon und ließ sich von der Zentrale die Nummer geben. Er sprach geraume Zeit mit einem Mitglied der Geschäftsführung, der von dem Ereignis auf dem Schlossplatz wohl schon gehört hatte. Als er das Gespräch beendet hatte, wandte er sich an seine Kameraden und sagte: „Wir haben die Genehmigung, zwei Tankwagen füllen zu lassen. Also, zwei Besatzungen fahren jetzt sofort los und holen das Zeug!“ Zwei Besatzungen ließen aus den Tankwagen das Wasser in einen Gully laufen und machten sich mit Blaulicht auf den Weg. Nach geraumer Zeit, das Befüllen hatte wohl etwas länger gedauert, der Hauptkommissar wurde schon unruhig, wurden in der Ferne Martinshörner hörbar und die beiden Tankwagen bogen in die Straße ein, die parallel am Schlossplatz entlangführte. Sie hielten mit quietschenden Bremsen und die Besatzung sprang herunter. „So, Schläuche ausrollen, anschließen und sich vorsichtig den Bäumen nähern und dann wollen wir mal sehen ob die Idee gut war.“

Die Pumpen begannen zu laufen und ein feiner, klebriger Sprühnebel begann, von oben niedersinkend, die Zweige und Blätter der Bäume zu bedecken und auf den gepflasterten Platz zu tropfen. Die Bäume versuchten, sich zu wehren, und richteten ihre peitschenartigen Zweige in Richtung der Störung, die auf sie einwirkte. Sie versuchten, ihre Stacheln abzuschießen, aber die fielen, lange klebrige Faden hinter sich herziehend, zu Boden und wurden wirkungslos. Das hatte ja schon gut geklappt. Bald war der gesamte gefährliche Wald auf dem Schlossplatz mit einer klebrigen und zähen Masse bedeckt. Maryan staunte nur. „Das muss ich gleich meinen Freunden berichten aber dazu sollte ich ja nach Hause fahren. Hier kann ich unmöglich zaubern, das sollen die anwesenden Menschen ja nicht wissen.“Inzwischen war auch das Technische Hilfswerk mit allerlei Gerätschaften eingetroffen. Sie wurden von Polizei und Feuerwehr in die Lage eingewiesen und zu äußerster Vorsicht gemahnt. Und dann wurde es hektisch. Die Männer machten sich mit einer Vielzahl von Motorsägen ans Werk, die Bäume, die nun wehrlos dastanden, zu fällen. Sobald aber die Sägen angesetzt wurden, schrien die Pflanzen gellend auf. Wollten sie etwa um Hilfe rufen? Aber wen wollten sie rufen, da war niemand. Baum um Baum fiel den Männern vom THW und der Feuerwehr mit ihren Sägen zum Opfer und bald war die Arbeit getan. Alle Bäume lagen am Boden und bedeckten einen großen Teil des Schlossplatzes.

Nun ging es ans Aufräumen und der Platz musste schnell auch vom Klebstoff befreit werden, als Feuerwehr und THW unerwartet Hilfe erhielten. Vor dem Platz hielt ein Wagen des der Farbenfabrik. Der Fahrer stieg aus und wendete sich dem Hauptkommissar der Polizei zu. „Mein Chef meinte, sie könnten ein Reinigungsmittel nach dieser klebrigen Sauerei sicher gut gebrauchen.“ Den Leuten, als sie das hörten, atmeten auf. Von ihrer Dienstkleidung konnten sie sicher nicht mehr viel gebrauchen, aber auch hier beruhigte sie der Fahrer. „Wir haben auch dafür die entsprechenden Reinigungsmittel, machen sie sich keine Sorgen, wir regeln das für sie.“

Beifall brandete auf und auch die Zuschauer, die gespannt gelauscht hatten, klatschten in die Hände. Die Lage auf dem Schlossplatz hatte sich entspannt und Maryan machte sich auf den Heimweg.

Zu Hause angekommen, stürmte sie ins Wohnzimmer und bevor ihre Mutter etwas sagen konnte, griff sie zu ihrem kleinen Kästchen und stellte über ihren Zauberstab eine Verbindung zu den Freunden in England her. Es erschien Tom und der sah sie fragend an. Maryan sprudelte los und berichtete, wie sich Oldenburger Polizei, Feuerwehr und THW von der Bedrohung befreit hatten. Tom schüttelte den Kopf und sagte dann: „Das war ja eine tolle Idee, sich so zu wehren, das werde ich gleich weitergeben.“ Sein Bild erlosch und nun erzählte sie das, was sie heute erlebt hatte, ihrer Mutter.

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