Ralf Häcker
Mauern der Macht
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Inhaltsverzeichnis
Titel Ralf Häcker Mauern der Macht Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Impressum neobooks
Es ist Sommer, Gott sei Dank Sommer. Ich bin froh wieder hier zu sein, auch wenn nichts mehr so ist, wie es früher einmal war. Auf unserer Terrasse atme ich die frische, klare Luft, genieße den Blick in den, mit ein wenig weißem Dunst unterlegten, blauen Himmel. Warmer Wind trägt mir Vogelstimmen zu und es klingt, als wollten sie mir Vertrautes zurückgeben.
Geboren bin ich in Franklinton. Das liegt gut 80 Meilen nördlich von New Orleans, direkt an der Grenze von Louisiana zu Mississippi. Dort ist es meistens warm und feucht. Außerhalb unserer, durch Klimaanlagen gekühlten Häuser nimmt uns die hohe Luftfeuchtigkeit in einen ständigen Schwitzkasten. Hitze und Staub sind stete Begleiter und der Geruch ist von Schweiß geprägt. Wir lieben dieses Gefühl von Weite und Klebrigkeit, von Freiheit und Musik, genauer gesagt, von Blues. Der Blues macht unser Lebensgefühl hörbar, er berauscht und übergibt uns einer angenehmen Melancholie, oftmals untermalt von Whisky. Man trinkt ihn, weil er zu uns gehört und um zu genießen, nicht um zu betäuben.
Fast eine Ewigkeit sehnte ich mich wieder zurück in dieses vertraute zu Hause. Viel zu lange musste ich ihm fernbleiben, aushalten in einer schäbigen Zweizimmerwohnung in einer mir fremden Welt, am äußersten Stadtrand von Moskau.
Ganze fünf Monate, seit Mitte November, war ich von meinem zu Hause weg gewesen, war meiner Heimat so unendlich fern. Damals glaubte ich, mir macht all das nichts aus; die fremden Menschen, die zermürbende Kälte, diese mir unverständliche Sprache. Ich hatte beschlossen, den tiefsten Süden Amerikas zu verlassen, um ihr nahe zu sein. Ihr, Dr. Tatjana Smirnow, 31 Jahre alt, schlank, athletisch gebaut und von auffallender Schönheit. Ihre schwarzen kurz geschnitten Haare wirkten auf ihre dunklen Augen wie abgestimmt und ließen sie beinahe ein wenig frech erscheinen. Frech, herausfordernd und zugleich Distanz anmahnend.
Als ich sie das erste Mal in dieser Bar in New Orleans sah, trug sie einen kurzen schwarzen Rock zu einer weißen Bluse, die genau so weit aufgeknöpft war, dass man nicht sehen konnte, was man so gerne sehen wollte. Gierende Männerblicke registrierte sie, erwiderte sie aber nicht.
Gewohnt hatte sie damals in einem heruntergekommenen Vorstadthotel. Im Vergleich zu ihrer Kleidung und ihrer Erscheinung wirkte die Unterkunft beinahe unpassend. Vielleicht aber schien ihr diese Adresse ganz einfach unauffälliger. Es wusste auch niemand, warum sie überhaupt in der Stadt war. Abends hingegen ließ sie sich täglich mit einem Taxi zum Hotel Hilton fahren. Das Hilton gehört zu den teuersten Häusern der Stadt. Die Selbstsicherheit, als Frau ohne Begleitung eine Hotelbar zu betreten, schien ihr angeboren. Jeden Abend hatte sie den gleichen Platz an der Längsseite der Bar eingenommen, jeden Abend nur durch wortloses Nicken Gleiches bestellt, – eine für diese Gegend untypische, aber erfrischende Weinschorle. Weinschorle sei die edelste Form des Wassertrinkens, erläuterte sie einem überraschten Barkeeper an ihrem ersten Abend.
Damals, ich kam von einem Besuch bei einem guten Freund zurück, zwang mich starker Regen, der ganze Straßen wegzuspülen drohte, meine Heimfahrt zu unterbrechen und für eine Nacht im Hotel Hilton Unterkunft und Zuflucht zu suchen. Nachdem ich meine Frau Lisa über meinen ungeplanten Zwischenstopp telefonisch informiert hatte, wollte ich den Abend bei einem Southern Comfort in der Hotelbar gemütlich ausklingen lassen. Dicker Zigarrenqualm und die rauchige Lifestimme einer farbigen Soulsängerin füllten den Raum. Nur gut ein dutzend Gäste waren anwesend, einige, um wie ich das Wetter abzuwarten, andere, um zu trinken, manche, um ihrem Alleinsein für ein paar Stunden Gesellschaft zu spenden. Erst als sich meine Augen langsam an das schummrige Licht gewöhnten, bemerkte ich mein auffallendes Gegenüber. Ganz gewiss gehörte ich nicht zu der Sorte Mann, die jeder Frau hinterher schauten, an ihr aber, blieben meine Blicke hängen. Fasziniert tasteten meine Augen ihre nur halbversteckten, kleinen aber wohlgeformten Rundungen ab. Ganz ungestört fühlte ich mich dabei, aber ein Blick von ihr fing meinen ein und hielt ihn fest. Ich spürte Verlegenheit in mir, aber ich schämte mich nicht, hob mein Glas und nickte ihr zu. Auch heute weiß ich noch nicht, was mich damals ermutigte, die Thekenseite zu wechseln und sie anzusprechen. Auf meine Frage, ob ich mich zu ihr setzen dürfte, wandte sie nicht einmal den Kopf in meine Richtung, aber sie bejahte. Ohne darüber nachzudenken, wie klug und sinnvoll es wohl sei als verheirateter Mann und Vater zweier Kinder einer fremden und gut aussehenden Frau gegenüber den eigenen Namen zu erwähnen, stellte ich mich ihr als Benjamin Jordan vor. Dem nicht genug erzählte ich ihr sogar, wo ich her kam und was ich machte.
Ich arbeitete als Ingenieur in einer Firma die Traktoren herstellt. Dort leitete ich die Fertigungsstraße, das ist jenes Band, an dem die einzelnen Teile zu einem fertigen und fahrbereiten Traktor zusammengeschraubt werden. Die Firma war finanziell sehr gesund, weil in dieser Gegend beinahe jeder ein riesiges Stück Land besaß, welches zu bearbeiten war. Dementsprechend verfügte auch ich über ein ordentliches Gehalt, mit dem meine Familie und ich sehr gut über die Runden kamen. Wir bewohnten sogar ein eigenes Haus mit kleinem Pool. Kurz, wir fühlten uns der gehobenen Mittelschicht zugehörig.
In unserem Ort hatten wir es zu einem gewissen Ansehen gebracht. Einmal im Monat fand ein kleines Fest mit fünf oder sechs der einflussreichsten Familien statt. Zugehörig waren die Familien des Bürgermeisters und des Sheriffs, dazu kamen noch zwei Bankiersfamilien und ein kleinerer Clan, welcher schon immer reich gewesen war.
Wir durften uns dem Kreis zugehörig fühlen, weil der Bürgermeister gleichzeitig der Inhaber der Traktorenfabrik war, in der ich arbeitete. Ich war immer sehr stolz darauf, der Einzige aus unserer Firma zu sein, der in diesem Kreis aufgenommen war. Waren wir als Ausrichter einer der Grillabende an der Reihe, erwies sich meine Frau Lisa als die perfekte Gastgeberin. Sie sorgte nicht nur für eine ausgesprochen fantasievolle Dekoration, sie war auch selber immer elegant anzusehen. Auch unsere beiden Kinder, Marie, 8 Jahre und Roger, 11 Jahre alt, schienen sich an diesen Tagen mächtig ins Zeug zu legen. Dies ist erwähnenswert, weil es sonst das ganze Jahr über nicht unbedingt so war.
Tatjana sprach mich den ganzen Abend nie mit meinem Namen an. Nachdem ich ihr nicht mehr gegenüber saß, sondern neben ihr, trafen sich unsere Blicke auch nicht mehr. Aber sie sprach mit mir, wenn auch nur Belangloses. Zugeben muss ich, es interessierte mich auch nicht großartig, über was wir sprachen. Ich fühlte mich zu ihr hingezogen, in einer Art, wie ich es von mir bisher nicht kannte. Manchmal berührten sich auf der Theke unsere Unterarme. Sie zog ihren dann weg und griff nach ihrem Glas. Ich aber bemerkte ihre feinen schwarzen Härchen, die auf jede noch so zufällige Berührung reagierten. Ich sog alles in mir auf, jede Bewegung von ihr. Nach hinten gelehnt und im Schutz des fahlen Lichtes konnte ich ihren schmalen Rücken mustern, an dem sich die Wirbelsäule ganz leicht durch ihre weiße Bluse drückte. Ihr kurzer, seitlich geschlitzter Rock, schob sich im Sitzen so weit zurück, um ihren Slip beinahe erahnen zu können. Ihre Beine waren schlank und trotzdem muskulös, wie bei einer Läuferin. Tatjana war für mich schon an diesem ersten Abend das Abbild reiner Schönheit, dem ich schon nach kürzester Zeit zu verfallen drohte. Nur die sie umgebende Unnahbarkeit und wahrscheinlich auch meine angeborene Schüchternheit, ließen keine weitere Annäherung zu.
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