Ich hasste ihn von der ersten Sekunde an. Er war nicht wie Pepper, er war einfach nur ein sadistischer Hund, der nur noch lebte, weil er erbarmungslos und kaltblütig war. Von Pattons hörte ich schon, bevor ich ihn hier das erste Mal traf. Es wäre mir lieber gewesen, ihn niemals kennenlernen zu müssen. Wir mussten unseren Hass gegen die Deutschen richten, um zu gewinnen, nichts durfte uns davon ablenken, aber dieser Pattons, zog den Hass förmlich an. Im Moment blieb mir aber nichts anderes übrig, als zu nicken und das Zelt schnell zu verlassen.
Ich fasste mir an den Hals, als ich über das Gelände lief, nur um festzustellen, dass neben dem getrockneten Blut an meinen Händen, nun neues Blut klebte. Aber ich brauchte Ruhe, nur ein kleines bisschen, deswegen nahm ich mir eine Schüssel mit Wasser, ging in eine ruhige Ecke und setzte mich auf einen herumstehenden Hocker.
Meine braune Uniformjacke ließ ich einfach zu Boden fallen und gleich danach meinen mit Dreck und Blut verschmierten Pullover, der unangenehm an meiner Haut klebte. „Scheiße“, fluchte ich leise, als ich den Stoff meines Unterhemdes von der tiefen Schnittwunde auf meiner linken Hüfte riss. Ich schmiss das Hemd zu Boden und stützte mich gegen den Hocker, um mich halten zu können. Mein Kreislauf spielte schon eine Weile verrückt und der Schmerz wurde nicht weniger. Allerdings konnte ich von Glück reden, dass mich das Messer des Soldaten nur an der Seite erwischte.
Die Wunde säuberte ich schnell und ohne Rücksicht auf Schmerzen, denn durch so was musste ich durch, da musste jeder von uns durch. Als ich fertig war, wusch ich mein mit Blut, Erde und allem möglichen, beschmiertes Gesicht, Hände im Wasser und legte mich endlich hin. Ich war mir nicht sicher, ob ich hier wirklich ruhen konnte, aber sicher konnte ich mir schon viele Jahre nicht mehr sein. Nachts vom Bomben oder Schüssen überrascht zu werden, war keine Ausnahme mehr, vor allem seitdem wir in Deutschland waren. Nirgends war es so grauenvoll wie hier, … und wir hatten schon viel Grauenvolles hinter uns.
In Momenten, in denen ich nicht an den Krieg und meine Chance zu überleben nachdachte, versuchte ich an Mom, Lisbeth und George zu denken. Es quälte mich, dass ich nicht wusste, wie es ihnen ging oder … ob sie überhaupt noch an mich dachten. Und dieser Gedanke, tat mir so unheimlich weh, dass ich schon vor langer Zeit aufgehört habe, an sie zu denken.
*
Lautes Geschrei holte mich ruckartig aus dem Schlaf. Ich war sofort hellwach, richtete mich schnell auf und zog mich an. Mit den Jahren waren meine Instinkte geschärft und ich musste lernen, schnell aus dem Schlaf zu kommen, denn schon oft rettete es mir das Leben. Doch diesmal war gleich klar, dass es kein Notfall war, denn zwischen dem vielen Geschrei war Gelächter zu hören. Deshalb ging ich – mir ein Unterhemd überziehend – aus meinem Zelt und sah unmittelbar eine Menschenansammlung, die auf einem freien Platz im Lager eine große Runde gebildet hatten. Anhand ihres Geschreis, das aus „Tritt dem scheiß Nazi in die Eier“ oder „Wo ist dein Hitler jetzt?“ bestand, konnte ich schließen, dass ein Deutscher anwesend war. Ich quetschte mich durch die Menge bis nach ganz vorne, von wo ich direkt den schmächtigen, deutschen Soldaten sehen konnte, der vergebliche versuchte, sich gegen einen von unseren Männern zu wehren, während dieser sein Gesicht über einen Pferdescheißhaufen drückte und laut lachte.
„Riechst du‘s?“, fragte er den Deutschen, der schon begann zu weinen, weil er nun auch von einem weiteren Mann festgehalten wurde. Sein Gesicht schwebte nur noch einen knappen Zentimeter über der Pferdemist. „Das ist es, was du bist! Du widerliches Stück Scheiße!“
„Bitte“, jammerte der Deutsche und kniff die Augen zu. „Ich wollte euch nicht angreifen, ich wollte doch nur …“
Ich verzog angewidert das Gesicht, als seines aggressiv in den Haufen gedrückt wurde und er wild um sich zappelte, doch keine Chance hatte. Die Menge jubelte und ich erkannte James, der nur stumm zusah. Niemand hatte Mitleid mit dem jungen Mann, denn jeder von uns hätte liebend gerne das Gesicht des Nazis in die Scheiße gedrückt, weswegen auch ich schmunzelte, die Arme verschränkte und zusah, wie dieser Wichser bis auf die Knochen blamiert wurde. Anfangs dachte ich oft, die Leute, die so einen Hass gegen deutsche Soldaten hegten würden übertreiben, denn nicht jeder von ihnen war Hitler und vielleicht dachte nicht jeder so verkorkst. Aber das legte ich schon in den ersten Monaten ab, denn man lernte, dass zu viele alles tun würden, um einen zu erschießen.
„Was war das?“, fragte der Soldat, der das Gesicht des Deutschen wieder hochzog, dieser tief Luftholte und sich den Mist aus dem Gesicht schüttelte. „Was wolltest du denn? Nochmal eine Runde baden?“
„Knall ihn einfach ab!“, rief einer aus der Runde. „Schieß ihm seine dämliche Visage weg!“
„Ich sollte nur eine Nachricht ü-überbringen“, jammerte der Deutsche und heulte weiter.
„Bitte! Ich habe …“
„Schnauze“, wurde er wieder unterbrochen und erneut landete sein Gesicht in dem weichem Pferdedung und wurde hin und her gedrückt. „Niemand interessiert sich für dein Gelaber, du Hurensohn!“
Mein Blick fiel von dem Deutschen auf Major Pattons, der sich ebenfalls durch die Menge quetschte und in die Mitte trat. Sein Ausdruck war böse und in seiner Hand hatte er eine Waffe, womit er entweder direkt den Gnadenschuss austeilte oder – so schätzte ich ihn ein – den Nazi noch ein wenig leiden ließ, indem er ihn damit einschüchterte.
„Walt!“, meckerte Pattons zu dem Amerikaner, der den Kopf des Deutschen fest im Griff hatte. „Zieh ihn hoch!“
„Aber sein Gesicht schmiegt sich so schön da rein“, blökte Walt und rieb das Gesicht noch mehr in den Haufen. „Siehst du? Es ist wie dafür gemacht.“
„Zieh ihn, verdammt nochmal, hoch, du Vollidiot“, knirschte Pattons zwischen seine Zähne hervor und James und meine Blicke trafen sich.
Walt brummte genervt und zog widerwillig den Deutschen nach oben, sodass dieser mit verschmierter Visage neben ihm kniete und schniefte. Sein Weinen ließ alle kalt.
„Bitte“, flehte er jämmerlich. „Ich wollte nur …“
„Du wolltest nur zu Major Dorner“, unterbrach ihn Pattons und packte ihn aggressiv am Haarschopf, hielt sein Gesicht so, dass er ihn anschauen musste, worauf der Deutsche gequält aufschrie. „Und wir lassen dich gehen.“
Die Runde brüllte, beschwerte sich und auch ich hob meine Brauen. Ihn gehen lassen? Das würde, auch wenn Pattons es so befohlen hätte, niemand zulassen. Dafür war der Groll, den wir gegen jeden einzelnen von ihnen hatten, viel zu groß, es war unmöglich.
„Unter einer Bedingung“, redete Pattons weiter und brachte die Männer mit einer strengen Handbewegung zum Schweigen. „Major Dorner ist ein guter alter Bekannter von mir. Es wäre doch vorzüglich, wenn du uns sagen würdest, wie wir zu ihm kommen.“
Der Deutsche hustete und verzog vor Schmerz das Gesicht, weil Pattons ihn brutal an den Haaren zog. „I-Ich …“
„Man, knall ihn einfach ab!“, schrie einer aus der Runde. „Er ist ein Stück Scheiße!“
„Halt deinen dreckigen Mund!“, schrie Pattons und hielt seine Waffe auf den Mann, der eben gekeift hatte, dieser zuckte sofort schweigend zusammen. Und auch alle anderen muckten nicht mehr auf. „Halt deine verdammte Fresse oder ich schieß dir dein minderwertiges Gehirn raus, verstanden?“
Der Mann sagte kein Wort mehr, sondern starrte Pattons nur perplex an.
„Gut.“ Pattons richtete die Waffe wieder auf den Deutschen, der leise vor sich hin wimmerte. Er verzog angewidert sein Gesicht. „Du stinkst wie ein Tier, du Abschaum. Antworte oder ich zeige dir, was wir mit Tieren machen!“
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