Schallendes Lachen erklang durch den dunklen Wald.
Lyze blickte im gleichen Moment wie Lydia unverständlich zur Menschenfrau: Was sollte das eben?
„Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass ich euch laufen lasse?“, Lydia schwang ihre Waffe, sodass die Spitze ihrer Peitsche die Schallmauer durchbrach und einen Knall erzeugte. „Ich lasse euch nicht einmal mehr die Chance, euch zu ergeben!“
Der letzte Satz war der Auftakt zum Kampf.
Sari und Tracy machten noch drei Schritte zurück, als die zornerfüllte Dämonin auf sie zuging.
Sogleich stellte sich ihr Lyze in den Weg. In seiner Hand die Lichtklinge, in seinen Augen der entschlossene Blick eines Beschützers.
„Du willst den Helden spielen, ja!?“, schwungvoll prallte Lydias Peitsche gegen die Lichtklinge und umschlang diese mit festem Griff. Sie zog an ihr, in der Hoffnung, ihm das Schwert aus den Händen zu reißen.
Als Tracy dies sah, sprang sie reflexartig einen Schritt zu ihm – doch schüttelte er den Kopf, als er sie im Augenwinkel wahrnahm: „Bleibt, wo ihr seid!“, und schaffte es, seine Waffe von Lydias zu trennen. „Oder besser: lauft weg!“
„Und dich alleine lassen!?“, so Sari, „Das hättest du wohl gerne!“
Das Gespräch zwischen ihren Feinden machte die Dämonin noch wütender. Es erinnerte sie an den Zusammenhalt ihrer gefallenen Kameraden, gleichzeitig fühlte sie sich verspottet.
Als sie mit lautem Schrei und aller Kraft auf Lyze losging, hielten es die beiden Frauen doch für besser, ein wenig Abstand zum Kampfgeschehen zu nehmen.
Die Dämonin gab alles, was sie hatte, und schlug ohne Pause auf Lyze ein. Dies geschah so schnell, dass er nicht dazu kam, sie zu attackieren. Er bemühte sich, ihren Schlägen auszuweichen, oder sie mit der Waffe zu blockieren. Trotz allem wurde er zunehmend zurückgedrängt und der eine oder andere Schlag traf ihn am Körper. Von der anstrengenden Flucht geschwächt, laugte ihm dieser Kampf zusätzlich aus.
Tracy war kurz davor trotz Lyzes Verbots einzugreifen; sie sah es nicht gerne, wenn Freunde verletzt wurden. Erst recht nicht, wenn sie nichts dagegen unternehmen konnte.
Ein Peitschenhieb traf mit voller Wucht auf Lyzes rechtes Bein und umschlang es im engen Griff. Als sei dies noch nicht schmerzhaft genug, spürte er regelrecht, wie die aus dem Funkenring manifestierte Peitsche von starker Energie durchflossen wurde und schließlich einen Stromschlag an ihn abgab. Er schrie auf, als Lydia ihm zeitgleich das Bein wegzog.
Der Schmerz war so groß, dass sich seine Lichtklinge augenblicklich in Nichts auflöste, als er unsanft zu Boden geworfen wurde und das Bewusstsein verlor.
In sicherer Entfernung stehend, rissen die Frauen vor Entsetzen die Augen auf: Lydias Blick verengte sich und ihre von Lyzes Bein gelöste Peitsche schien sich zu verändern. Feine, dolchartige Klingen drangen aus der Waffe und stellten sie auf eine neue Stufe ihres Zorns.
Sari schlug die Hände vors Gesicht: Lydia wollte den Halbengel tot sehen, eindeutig um jeden Preis.
Nun reichte es Tracy – sie trotzte jeder Vernunft und folgte ihrem Instinkt: Sie kletterte den Baum vor ihr hoch und lief auf den Ästen entlang, bis über das Kampfgeschehen.
Lydia hob, erfüllt von purer Wut, ihre Peitsche – weiter kam sie nicht. Tracy sprang mit allen Vieren vom Baum herab und stürzte sich auf die dämonische Frau. Sie biss in ihren Hals und versuchte ihr den Ring vom Finger zu reißen.
Sari stand ungläubig hinter dem sicheren Baum und war nahe dran, auf ihre weichen Knie zu sinken: sie hatte ein schlechtes Gefühl, als einzige nicht mitzukämpfen. Zeitgleich wusste sie aber, dass sie absolut nichts zum Kampf beitragen konnte.
Lydia schlug mit ihren ledrigen Flügeln, bis Tracy den Halt verlor. Einmal mit Kraft über ihre Schulter geworfen, landete die Animo hustend vor ihr im Waldboden. Sie starrte hoch, zur dämonischen Frau, die sichtlich, schwer atmend, endgültig genug hatte.
Trotz ihrer aussichtslosen Situation, kroch Tracy rückwärts über den Boden und drängte sich zwischen Lydia und Lyze. Sie fauchte die Agentin an und wollte sie um nichts auf der Welt an ihr vorbei lassen.
„Tracy!“, schrie nun auch Sari, „Lyze! Tracy!“, und warf tatsächlich mit kleinen Steinen nach der Dämonin: „Geh weg von ihnen! Lass uns endlich in Ruhe!!“
Das brachte schlussendlich Lydias Fass zum Überlaufen.
Selbst schon erschöpft und emotional schwer angeschlagen, hob sie laut mit den Zähnen knirschend ihre mi1t Dornen übersäte Peitsche an: sie wollte die Gefangenen nicht mehr sehen.
Diesen Halbengel, der für seine Freunde – und sie für ihn – bis in den Tod gehen würde... obwohl sie sich erst seit kurzer Zeit kannten. Sie versuchten ihren Zusammenhalt mit allen mitteln zu bewahren, denn dies war das einzige, was die Gruppe bis hierher gebracht hatte.
Und genau für diese starken Emotionen, die Lydia schmerzlich an Piov und Utah denken ließ, bestrafte sie der Funkenring.
Die Dämonin knickte ein, als ein heftiger Schmerz durch ihren ganzen Körper fuhr. Er wurde so stark, dass die Peitsche gänzlich verschwand – und ihr Leid ließ nicht nach. Lydia schrie auf und erhielt selbst noch auf dem Boden liegend Stromschläge.
Ungläubig das Schauspiel beobachtend, wussten Sari und Tracy im ersten Moment nicht, was zu tun war. Lyze erwachte durch die Schreie der Dämonin aus seiner kurzen Ohnmacht und starrte halb aufgesetzt zum Geschehen. Er würde die Dämonin am liebsten so lange unter Schmerzen sehen, bis sie sich nicht mehr rührte – doch wusste er mittlerweile, dass Sari etwas an ihr lag.
Irgendetwas Unerklärliches.
„Der Ring!“, rief Lyze mit erschöpfter Stimme, „Der Ring greift sie an – er muss von ihrem Finger!“
Sofort lief Sari auf die am Boden zuckende Dämonin zu, doch war Tracy schneller: Sie fasste nach dem Ring und wurde durch ihr entschlossenes Handeln ebenfalls von ihm geschockt. Ihre Mühen lohnten sich und der Ring rutschte stetig um ein paar Millimeter von ihrem Finger. Schließlich schaffte es die Katzenfrau, Lydia den Ring abzunehmen – und dann war es still.
Sehr still.
Nur die schnelle Atmung der Flüchtlinge und das Prasseln der einzelnen Regentropfen war zu hören.
„Geschafft...“, Saris starrer Blick zu Lydia verriet Unglaubwürdigkeit, gepaart mit Erleichterung. Blinzelnd löste sie sich aus der Starre und sah schließlich, die Brauen zusammengezogen, zum Halbengel: „Woher wusstest du das...?“
„Als ich gefoltert wurde... sprach ein Wächter vom 'Funkenring'. Dass er seinem Träger schaden kann, wenn dieser emotional instabil ist.“ er sah zu Lydia, „Das hat ihr wohl den Rest gegeben.“
„Komische Waffe. Wer erfindet so 'was?“
Im selben Augenblick musterte Tracy den unscheinbaren Ring in ihrer Hand.
„Wohl Dämonen, die komplette Kontrolle haben wollen.“
„Meinst du, Lyze?“
„Ich wüsste nicht, wozu er sonst gut sein sollte.“
„Oh-“, Sari deutete zu Tracy, „Du... hast nicht wirklich vor, den zu nutzen, oder?“
Aus den Gedanken gerissen, sah die Animo zu ihren Freunden auf: „Ähm, nein ich-“, sie schien verlegen und versuchte sich zu rechtfertigen, „Ich würde den Ring niemals einfach so benutzen! ...Nur, wenn ihr in Gefahr wärt. Oder meine Geschwister....“, letzteres hatte sie murmelnd angefügt.
„Na schön. Lasst uns- eh-!“, eigentlich wollte Lyze vom nassen Boden aufstehen – doch fuhr ein tiefer Schmerz durch sein verletztes Bein, sodass er ins Gras zurückfiel.
„Warte....!“, als seine Freundinnen sahen, wie sehr er sich bemühte, aufzustehen, liefen beide zu ihm. Sie halfen ihren Beschützer hoch und stützten ihn. „Ist es sehr schlimm?“
„Es- es wird schon wieder. Ich muss mich nur ausruhen.“
Gerade, als sich die Gruppe zum Gehen umdrehte, sah Sari zum Stichwort 'ausruhen' zu Lydia. „Moment...“, sie ließ Lyze los, sodass er fast zur Seite gestürzt wäre.
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