Spielten sie? Offenbar, denn so, wie es aussah, war er ja selber eine Trophäe in einem Spiel. Vielleicht war er ja als Souvenir, als Spielzeug vorgesehen, vielleicht für die Kinder. „Aber nicht kaputt machen!“ Es war alles möglich.
Mit all diesen Fragen war er völlig allein gelassen, sollte das so etwas, wie eine Schulung, eine Ausbildung sein? Lernten die Kinder so etwas in der Schule? Falls es so etwas wie Schule überhaupt gab.
Er war unversehens ins Philosophieren geraten, etwas, das er bislang kaum gemacht hatte. Hier im „Wartezimmer“ hatte er plötzlich Zeit dazu, er musste sich ja um die täglichen Dinge nicht mehr kümmern, das wurde erledigt. Vielleicht war das ja die Voraussetzung zum Philosophieren, große Philosophen waren vermögend, oder achteten die „irdischen Dinge“ so gering, dass sie mit ganz wenig auskamen. Es bleib ihm nichts Anderes übrig, es gab ja keinen Kontakt.
Er hatte eine ganze Weile so nachgedacht und kam zu dem Ergebnis, dass in den meisten Sciencefiction Geschichten, bis auf wenige Ausnahmen, diese Fragen kaum, oder gar nicht behandelt wurden. Meistens glaubte man, dass alle, die von einem anderen Planeten kamen, total überlegen waren, auch und gerade in moralischer Hinsicht. Diese Idee entsprang der eigenen Unfähigkeiten, mit den anstehenden Problemen fertig zu werden, es war die Sehnsucht nach dem Übervater, der alle Probleme löst. Die anderen waren so etwas wie ein Gottersatz.
Allerdings gibt es auch einige Geschichten, die etwas anderes annehmen, z. B. „Independence Day“, ein Film über eine Rasse, die aus dem Weltraum kam. Sie hatten ihren Planeten total ruiniert. Sie brauchten deshalb einen neuen. Deshalb wollten sie die Menschheit vernichten und die Erde übernehmen. Es steht zu vermuten, dass es wahrscheinlicher ist, dass so eine Art von Besuch kommt, als das, was üblicherweise so angenommen wird: Wesen, die moralisch überlegen sind, und die Erde retten wollen. Es gab auch noch weitere dieser Art. Andererseits war das ein Widerspruch, denn zum Überleben war moralische Integrität nötig, oder wenn der eigene Planet ruiniert war, suchten die Überlebenden, die dann naturgemäß die stärksten und skrupellosesten waren, einen neuen Planeten.
Gerade aus diesem Film war ihm eine lustige Szene im Gedächtnis geblieben. Einer hatte die, eigentlich gar nicht so dumme, Idee, das Rechnersystem der Angreifer mit einem Virus lahm zu legen. Und hat dann diesen Virus in das System der anderen, das natürlich auch ein Microsoft Windows-System war, übertragen. (Erhebt sich die Frage, hatte es Microsoft geschafft, heimlich, unbemerkt, seinen Schrott auch schon auf anderen Planeten zu vertreiben?) Man hat dabei offenbar völlig übersehen, dass man mit einem Windows-System eigentlich den Raum gar nicht bereisen konnte, denn dieses System ist viel zu fehlerhaft dazu. Man hätte wahrscheinlich noch nicht einmal den Planeten verlassen können.
Sie hatten bestimmt Linux, oder sogar UNIX. Vielleicht auch das klassische System VMS. Die Idee, die Rechner der anderen auf die eine oder andere Weise zu stören, kam schon in den Siebzigern auf. Wobei natürlich die Frage auftauchte, hatten sie überhaupt Rechner, oder hatten sie schnelle und große Gehirne, dass so etwas gar nicht nötig war? Man könnte natürlich auch auf die abwegige Idee kommen, dass sich ihre Rechner von der Struktur her total von den „irdischen” unterschieden.
Eine technische Überlegenheit musste schon da sein, denn sonst schafften sie es ja nicht, durch den Raum zu reisen.
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Und wieder gab es ein neues Buch, er schlug es auf, wieder unleserlicher Text. Aber jetzt kamen die Bilder. Es gab etwas Neues, das er bislang nicht gesehen hatte. Der Planet schien fast unbewohnt zu sein. Aber er war wohl bewohnt gewesen, es gab Gebäude, die aber in Trümmern lagen, auch Straßennetze. Vereinzelt gab es noch ein paar primitive Siedlungen.
Außerdem gab es noch Gruppen mit irgendwelchen altertümlichen Waffen, und mit irgendwelchen exotischen Reittieren, wie er sie auf anderen Planeten auch schon gesehen hatte.
Es war wohl ein Industrieplanet gewesen. Es gab riesige Krater, große Flächen, die total glatt poliert waren. Es gab einige Totalaufnahmen, dadurch konnte man sehen, dass diese Flächen gigantisch waren.
Was war hier geschehen? Es sah so aus, als ob da ein Krieg gewesen wäre, viele von den Kratern, waren offensichtlich mitten in Städten gewesen. Die Gebäude waren irgendwie „weg gepustet“, es sah so aus, als ob da irgendwelche Explosionen stattgefunden hätten. Wahrscheinlich irgendwelche Kernwaffen. Es war irgendwie tröstlich, aber auch deprimierend, es war letztlich kein Unterschied zu sehen, überall dasselbe, es galten ja auch überall dieselben Naturgesetze, also konnte man davon ausgehen, dass diese glatt polierten Flächen von Wasserstoffbomben stammten.
Auf der Erde gab es ja auch so etwas, 800 Kernwaffentests in der Atmosphäre und 1200 unterirdisch. Es hatte eine gigantische Wasserstoffbombe gegeben, 57 MT (=57 Millionen Tonnen gewöhnlicher Sprengstoff), der Test hatte eine riesige verglaste Fläche hinterlassen, die Druckwelle war fünf Mal um die Erde gerast. Chruschtschow, der damalige Sowjetische Staatschef wollte einmal zeigen, was sie so alles können. Ursprünglich wollte er 100 MT haben, aber das hatten ihm aber die Wissenschaftler ausgeredet.
Jetzt waren sie wohl wieder auf eine Stufe von weit vor der Industrialisierung zurück geworfen worden. Aber Kriege gab es wohl immer noch.
Bislang hatte man es ja nach dem zweiten Weltkrieg geschafft, in Europa große Kriege zu vermeiden, manchmal nur knapp, weil irgendjemand so einen „Countdown“, der durch einen Fehler in Gang gesetzt worden war, gestoppt hatte, weil er misstrauisch geworden war. Dafür gab es in anderen Teilen der Welt zahllose kleinere Konflikte und Kriege, Bürgerkriege, Grenzstreitigkeiten, „ethnische Säuberungen“. „Ethnische Säuberungen“ beruhten letztlich auf der Naziideologie, obwohl diese Ideologien sich alle irgendwie anders nannten. Es gab „Untermenschen“, von denen man die Welt „säubern“ musste. Sie nannten sie natürlich nicht so, aber dennoch gab es die Idee, dass Menschen gab, die man vernichten musste. Diese Art von Ideologie war immer noch in der ganzen Welt aktiv und wurde, wie die Bezeichnung ja sagte, von „Idealisten“ vertreten und unter großen Opfern (unter den anderen natürlich) vertreten und verbreitet.
Es ist seltsam, dass so ein Begriff wie „Ethnische Säuberungen“ heute noch geprägt und auch benutzt wird. „Säuberung“, kommt man dann mit der Flit-Spritze? Oder gleich mit Cyclon B? Schade, dass A. Eichmann nicht mehr lebt, er wäre als Berater sicher sehr hilfreich gewesen. Hier wurde mal wieder ein tiefer Griff ins Wörterbuch des Unmenschen getan. Und die Position der „Untermenschen“ wurde inzwischen von den „Ungläubigen“ eingenommen, die ja ebenfalls wertlos waren, und die man vernichten durfte, ja sollte. Damit rutschten dann diese „Gläubigen“ unversehens in die Position der „ethnischen Säuberer“...
Ihm fiel der Film „War Games“ ein. In diesem Film hatte ein Computer-System einen Alarm ausgelöst, weil irgendwelche Bomber im Anflug sein sollten. Man bereitete schon alles für den „Gegenschlag“ vor. Aber ein Fliegergeneral war vernünftig und misstrauisch geblieben und gab Befehl, dass Abfangjäger starten sollten, um nachzusehen, was da im Anflug war. Es kam die Meldung: „Hier ist niemand und nichts.“ Daraufhin unterblieb der „Gegenschlag“, was sich dann als richtig erwies.
Plötzlich bekam dieser Satz von diesem Angeber: „Es gibt kein System, von dem man mit letzter Sicherheit sagen kann, dass es fehlerfrei ist.“ noch eine andere Dimension. Es sah so aus, als ob man auf der Erde unglaubliches Glück gehabt hatte, dass sie nicht durch einen Nuklearkrieg verwüstet worden ist. Aber jetzt stand der Erde möglicherweise doch so etwas bevor.
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