Oliver Peters - Chronik fremder Zeit

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Eine fantastische Erzählung. Im Mikrokosmos des unübersichtlichen Gebäudes entwickeln sich die unterschiedlichen Schicksale. Maria will ihrem vorzeichneten Weg als Wäscherin entgehen und durchforstet nachts das uralte Gemäuer – bis sie eines nachts sogar auf den König trifft. Eine Begegnung, die bis hin zu einem absurden Krieg führt. Lassen Sie sich von dem Debütroman von Oliver Peters in eine Welt voller Überraschungen und Wendungen führen.

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Der Kreis öffnet sich

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Herbst/Winter

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Der Kreis schließt sich

Chronik fremder Zeit

Roman

Oliver Peters

Idee: André Bödecker und Oliver Peters

Lektorat und Beratung:

Manuela Peters & Stefanie Sennhenn

Coverfoto: Pixabay, mit Dank an Stax

Umschlagentwurf: Oliver Peters

1. Auflage 2010

2. Auflage 2011

3. Auflage 2018

www.oliver-peters.de

Impressum

© 2018 Oliver Peters

Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin,

www.epubli.de

Softcover ISBN: 978-3-746778-61-7

E-Book ISBN 978-3-746778-59-4

Printed in Germany

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.

Für Nicole

Unsere Verabredung mit dem Leben findet im gegenwärtigen Augenblick statt.

Und der Treffpunkt ist genau da, wo wir uns gerade befinden.

Buddha

Der Kreis öffnet sich

Gefangen im Strom nordwärts führender Luft trug flatterndes Tuch großzügig gespannt den Stuhl. Er schwebte von Süden her, an sich selbst aufgehangen, steuerlos und doch mit Ziel. Wäre es nicht Winter gewesen, ein ungewöhnlich milder zwar, aber eben jene Zeit, in der die Vögel in den Süden gezogen waren, dann hätten sie das seltsame Gefährt begleitet. Frech hätten sie sich draufgesetzt, wären ein Stück mitgeflogen, hätten sich ausgeruht in luftiger Höhe, mit dem Schnabel nach den Dingen gepickt, die dort auf dem Stuhl noch waren.

Es war kein gewöhnlicher Stuhl, wie er in Küchen und Esssälen stand. Er war verkleidet und durchdrungen von Drähten und Röhren, die aus einer Halterung gerissen, roh verformt herabhingen und unsichtbar hinter - den Stuhl auskleidenden, angerissenen und angesengten - Stoffen verliefen. Es mochte einst gemütlich gewesen sein, auf ihm zu sitzen. Die Polsterungen durch die Stoffe waren großzügig, einiges mochte durch Federn verstärkt dem Sitz weichen Halt geben, sodass stundenlanges Verharren darin denkbar war. Und doch, im kalten Luftstrom, umschlungen von den ins Leere reichenden Zuleitungen und offenbar aus sicherem Milieu gerissen, sah er dort am Himmel einsam und verlassen aus, dass es einen rühren konnte.

Das mochte auch mit dem Leichnam zu tun haben, der, am Stuhl festgeschnallt wie ein alter Mann auf seiner Verandaschaukel, still die sanften Bewegungen durch den Luftstrom auffing und seltsam ruhig und hoffnungsfroh nach vorne zu blicken schien. Auch er war eingehüllt in verschiedene Tücher, denen ein Overall zugrunde war. Sein Kopf war gestützt von einem wärmenden und Stöße abwehrenden Kragen und bedeckt von einer Lederhaube. Alles sah sehr behütet aus, wäre der Leichnam darunter nicht ausgedörrt und nahezu mumifiziert. Verwelkt hing alles nutzlos herab. Der Tod war, soviel kann man sagen, nicht durch Kälte, nicht durch Stöße, Verletzungen an Bränden oder spitzen Gegenständen eingetreten. In dieser Hinsicht war der Leichnam völlig unversehrt und in guter Verfassung. Aber ein Mangel an Nahrung und Wasser hatte die erste Welle des Verdorrens über ihn kommen lassen, der dann der ewig am Stuhl und Körper zerrende Wind, die in diesem Luftstrom vorherrschende Temperatur und seine Luftdruckbedingungen als zweite Welle gefolgt war.

Es hatte den Stuhl von weit hergeführt. Sein Benutzer war vor Wochen bereits an den Folgen des Wasser- und Nahrungsmangels zugrunde gegangen. Man glaubte, er könnte das Ziel schon sehen. Aus unglaublicher Entfernung ragte es schon empor, und bevor er das letzte Mal einschlief, hatte er es tatsächlich noch wahrgenommen. Hoffend. Betend, es bald zu erreichen. Weil er so hungrig gewesen war. Und durstig. Weil er gefroren und Heimweh verspürt hatte. Er sah die steil aufragende Festung am Horizont, die hoch gebaut so weit sichtbar war. Er wusste, der Strom, in dem er so mühsam mit seinem Stuhl ritt, würde ihn zu ihr zurückführen. Denn der endete an der Mauer der Festung.

In jener Nacht schlug er mit seinem Gefährt auf. Sein vom Kragen gehaltener Kopf mochte den Eindruck erwecken, er nähme bewusst Kurs auf die Festung. Sein leicht gehobener, weil an einer Öse verhakter rechter Arm wirkte, als zeigte er auf sein Ziel. Doch er war führungslos, als er in die Aufbauten der Vogelstation krachte und die Brieftauben darin in hellen Aufruhr brachte. Wie ein Gespenst hing er in dem zertrümmerten Holz der Verschläge, und als der Postmeister ihn fand, da dämmerte der Morgen. Der Arm zeigte keinen Kurs mehr, sondern auf den hustenden alten Mann, der den Lärm in der Nacht nicht gehört hatte.

Sommer

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