Die letzte Zukunft
oder
Tränen der Galaxie
H. Rutkiewicz
Die letzte Zukunft oder Tränen der Galaxie
Texte: © Copyright by H. Rutkiewicz
Umschlag: © Copyright by H. Rutkiewicz
published by: epubli GmbH, Berlin
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Zeit war noch nie relativ schon gar nicht linear.
Ein Irrtum, welcher bereits seit vielen Millionen von Jahren immer wieder aufs Neue überliefert wird.
Nur weil für „euch" alles endlich und einem Muster zu folgen scheint, muss es dies nicht sein.
Es gibt keinerlei Bestimmungen, Faktoren oder sonstige Definitionen, deren Gültigkeit zutreffend wäre. Vielmehr ist Zeit in allen Räumen ohne jegliche Bedeutung.
Zeit …
In Wirklichkeit ist Zeit vielmehr multidimensional. Ein stets pulsierender Strom abgewandelter Energieformen.
Manchmal aber - kaum erkennbar - gibt es eine Anomalie. Einen fatalen Knotenpunkt in diesem Wandel.
Und so kann es geschehen, dass eine unerwartete Sequenz auftritt. Eine Schleife von Ereignissen nimmt anscheinend erneut bekannte Formen an.
Ihr habt viele Bezeichnungen für dieses Phänomen.
Déjà-vu oder auch REINKARNISATION.
Beinahe richtig.
Aber nein.
Weil fehlinterpretiert.
Auch heute noch rätseln viele unentwegt über das woher oder warum. Dabei liegt es deutlich und klar auf der Hand, doch ganz offensichtlich unsichtbar für beinahe jeden dieser … dieser Spezies. Permanent und gezielt wird stets brutal die eigene Geschichte von euch „hilflos“ verleugnet.
Oder auch oft als Mythos abgetan.
Ich erinnere mich auch heute noch an längst vergessene Millionen von Jahren, als wäre es erst Stunden her. Meine eigenen rastlosen Jahre, gezeichnet durch Übermut, gepaart mit einem deutlichen Anflug von Arroganz!
Ausgerechnet hier musste ich eine noch hilflose, primitive und doch interessante Spezies neu formen müssen … diese dann hilflos ihrem Schicksal zu überlassen, vielleicht sogar zu verurteilen.
So sanft, so geordnet, so warm und noch so jung war dieser Planet.
Ein hell flammendes Blau der Ozeane, eine Fülle von Grüntönen und schlichtes, warmes Rotbraun.
Genau hier war einst der Ort, der mich veranlasste Strukturen zu manipulieren, um meine eigene Spezies retten zu können.
Doch fatal, denn es mündete in einer noch heute andauernden Katastrophe für diesen Planeten.
Nach heutigem Raster eurer Zeit sind bereits
210 gebündelte Tage vergangen, und das, was man Leben nennen durfte, hörte auf zu existieren.
… 210 Tage …
210 Tage, die das damalige Leben und das meinige unwiderruflich veränderten.
Noch heute belächle ich die sogenannten Professoren, wie sie Zeichnungen, Steine, Pyramiden und andere elementare Strukturen analysieren.
Völlig ahnungslos, deren Bedeutung zu definieren, um es dann den Primitiven dieser Spezies als wissenschaftliche Erkenntnis oder einfach als gegeben zu verdeutlichen.
Es geschah im damaligen Bovan, an einem Ort, der heute bereits seit über 400 Millionen Jahren oder länger zu Staub zerfallen ist und von jenen damals Culdarag genannt wurde. Eine gewachsene, blühende Hochkultur weit vor eurer Zeit.
Dies war einst sein stolzer Name. Culdarag.
Mit diesem Ort verbunden „mein“ - unser - deklassierter, beinahe halbherziger Versuch, diesem Planeten erneut verloren gegangenes Leben einzuhauchen.
Aber vergebens, unmöglich, vorbei …
Das heutige Ergebnis? Ein periodischer, zu oft misslungener Neustart.
Jeder Anlauf, der nächsten „NEUEN Zivilisation“ Leben bzw. Geschichte einzuhauchen, war stets zum Scheitern verurteilt. Ohne dass diese je eine wirklich echte Chance gehabt hätte …
Immer ein hoffnungsvolles Aufblühen, eine Neubesiedlung. Dann wieder gefolgt vom Auslöschen aller Arten …
Dann wieder neues Leben. Leben, welches es hier nicht geben sollte … nicht geben dürfte.
Und nun?
Ich bin noch immer hier.
Hier. Zusammen mit der letzten von mir kreierten Spezies.
Gefangen an … an diesem … diesem Ort …
Zu viele Ungereimtheiten in dieser Existenzebene.
Und heute?
Ein Leben im Exil, und das seit über 400 Millionen qualvoller Jahre.
Doch was für ein Leben kann das sein? Was hat mich dazu gezwungen oder warum hatte ich mich damals so entschieden?
Ich habe es vergessen …
Zig-Millionen von Jahren, die wie Wasser durch meine Hände rannen. In mir ein Gefühl der Leere, die mir als Einzige geblieben ist.
Ein lebloses Gefühl und die Gewissheit, dass auch ich hier mein Ende erfahren werde.
Doch nun von Beginn an und mit Worten, welche auch die meisten von Euch verstehen sollten …
Die Sonne verliert schleichend ihre unerträgliche Kraft. Endlich verwöhnen wieder Gestalt und Farben des wachsenden Riesen meine Augen. Schluss mit dem mühevollen Replizieren längst verlorener Daten. Ich zwinge mich jedes Mal, die Notwendigkeit und den Verlauf ernsthaft erkennbar und sichtbar zu machen. In meinem Gehirn verblassen langsam die Bilder des Sensorenspiegels, und Kühle umschlingt meinen Kopf, um mich wieder in die reale Welt zurückzudrängen.
Beinahe unmerklich öffnet sich ein Teil des Kraftfeldes, welches meine Station vom Habitat trennt. Drei schlanke Neulinge, die ihre ersten Diensteinheiten für eine lange Zeit antreten möchten, schlüpfen unsicher in die Zentrale.
Die Öffnung ist bereits erneut am Versiegeln, da drängt sich eine große hagere Gestalt in den Raum. Ist sie es wirklich? Dieser Gedanke schleicht plötzlich in meinem Kopf umher.
Ja, es scheint so. Sie muss es sein. „Schermo.“
Ohne einen Gedanken an mich oder die Neulinge zu richten, schmiegt sie sich in die abgelegenste Ecke meiner Station. Ich möchte eben beginnen, den Datentunnel den „Frischlingen“ zugänglich zu machen, als ich eine alte Art der Kommunikation vernehme, die mir nur aus längst vergessenen Tagen in Erinnerung geblieben ist.
Was war das? Töne? Frequenzen, Syntax ähnlich einer gestückelten M e l o d i e? Sprache … ich glaube, sie nannten es Sprache.
Längst in Vergessenheit geratener Austausch von Informationen und Mittel, aufsteigenden Emotionen Nachdruck zu verleihen. Doch heute völlig überflüssig und unangebracht. Unangebracht, weil diese Kommunikationsart von Missverständnissen geprägt und zu energieaufwendig ist.
Ich spüre ihre Blicke, die an mir haften, und ich weiß, diese Worte - ihre Worte - sind für mich bestimmt. Doch warum ich, warum heute?
Seit undenkbaren Zeiten hatte die Familie der Schermo stets nur ihresgleichen diese verschlüsselte Kenntnis von Sammlungen an Manipulationen aufgezwungen. Warum also ich.
„Warum?“, kommt es aus meinem Mund. „Ich gehöre nicht der Familie an. Es wäre kein Geschenk, wohl eher eine Bürde. Warum also?“
Ihre dunkelgrünen, fast schwarzen Augen deuten auf die Neulinge und lassen mich verstummen. Ich befreie meinen Geist, um einen weiten Gedankentunnel zu öffnen, und lasse den Frischlingen, die immer noch verdutzt im Raum stehen, die Flut aller gebündelten Spieglungen zuteil.
Am Ende restlos erschöpft atme ich tief und erleichtert durch. Ich bemerke, dass Schermo die Frischlinge mit einem Keritong (transparente symbiotische Ummantelung) umhüllt und sie sanft durchs Kraftfeld in die angrenzende Nebenstation führt. Schermo gehört einer uralten Zwischenspezies an, welche uns bis heute erhalten geblieben ist.
Nach vielen Generationen paarten sich einige mit denen der Cyrril. Die Cyrril wiederum hatten vor etwa 12 Kamlons (312 Millionen Jahre) wahrscheinlich durch Experimentieren mit wandernden Zeitknoten einen Zugang gefunden, um jeden Punkt im Zeitgeflecht aufsuchen zu können. Streng wurde dieses Geheimnis über alle Kamlons gehütet. Anfänglich verfügten nur zwei Eingeschworene von ihnen über dieses Wissen und nutzten diese Fähigkeit nicht immer zum Vorteil unserer Galaxie. Sie dehnten und manipulierten mehrere Zeitachsen und änderten dadurch womöglich die Geschichte. Für uns schienen diese Wesen jedenfalls unsterblich.
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