Bienen oder die verlorene Zukunft Bienen oder die verlorene Zukunft Herausgegeben von Grit Richter Mit Geschichten von SEBASTIAN LOY NIKOLAJ KOHLER VERONIKA LACKERBAUER KORNELIA SCHMID SILKE PAHL KAI FOCKE NELE SICKEL ANNE DANCK MIRIAM HUTTERER EMILIA BACH
Impressum Impressum Alle Rechte an den abgedruckten Geschichten liegen beim Art Skript Phantastik Verlag und den jeweiligen Autor*innen. Copyright © 2020 Art Skript Phantastik Verlag Art Skript Phantastik Verlag | Salach Lektorat » Rohlmann & Engels » www.lektorat-rohlmann-engels.com Gestaltung » Grit Richter | Art Skript Phantastik Verlag Druck » BookPress » www.bookpress.eu Print-ISBN » 978-3-945045-41-1 eBook-ISBN » 978-3-945045-42-8 Der Verlag im Internet » www.artskriptphantastik.de Alle Privatpersonen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Auf der dunklen Seite des Mondes
Schwarmträger
Die Invasion
Das Summen unter der Sonne
Wespennest
Bidrottning
Biene Christine und die Wunder im Holunder
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Der Honigschmuggel
Ein Zirkus auf Reisen
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Bienen oder die verlorene Zukunft
Herausgegeben von Grit Richter
Mit Geschichten von
SEBASTIAN LOY
NIKOLAJ KOHLER
VERONIKA LACKERBAUER
KORNELIA SCHMID
SILKE PAHL
KAI FOCKE
NELE SICKEL
ANNE DANCK
MIRIAM HUTTERER
EMILIA BACH
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Art Skript Phantastik Verlag und den jeweiligen Autor*innen.
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eBook-ISBN » 978-3-945045-42-8
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Alle Privatpersonen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Auf der dunklen Seite des Mondes
Sebastian Loy
»Mit der Entdeckung eines bienenähnlichen Insekts ist unseren lunaren Wissenschaftlern ein Erfolg historischen Ausmaßes gelungen, der die Vormachtstellung der glorreichen Chinesischen Republik erneut eindrucksvoll unterstreicht. Unser Expeditionsleiter, Cheng Li, feierte seinen Fund als sensationellen Durchbruch auf dem Weg zur Erforschung der erdabgewandten Seite des Mondes. In seinen kühnsten Träumen habe er sich nicht vorstellen können, dass sich in dieser unwirtlichen Einöde komplexe Lebewesen behaupten könnten. So bald wie möglich werde er den Geheimnissen des Höhlensystems am Rande des Leizhou-Kraters weiter auf den Grund gehen.« Wie beiläufig strich Captain Madu Obafemi dem Abbild der Nachrichtensprecherin über die Wange. Ihre zur Schau gestellte Strenge befeuerte in ihm die Vorstellung, dass es bei den Staatsmedien Einstellungsvoraussetzung war, sich sämtliche Gesichtsmuskeln veröden zu lassen. »Der Präfekt der Mondmetropole Neu-Peking gab bekannt, dass man das Insekt für weitere Untersuchungen zum Forschungszentrum Morgenröte gebracht habe …« Mit einem Gedankenimpuls schaltete Madu den Projektor ab und der lebensgroße Hologrammkopf löste sich in tanzende Funken auf, die nach wenigen Augenblicken vollends erloschen. Nachdenklich sah er zu seiner Begleiterin hinüber. Die Mittfünfzigerin hatte es sich in ihrem Sessel bequem gemacht und meditierte mit geschlossenen Augen.
»Im Zustand absoluter Ruhe durchdringt mich die Macht der Weltenseele und spendet mir Energie für meine Rituale«, hatte sie ihm einmal erklärt. Verständnislos schüttelte der Soldat seinen kahlgeschorenen Schädel. Es war nicht so, dass er an ihren Fähigkeiten zweifelte. Dafür hatte er sie oft genug zu sehen bekommen. Aber er lehnte es rundweg ab, sich einer Macht auszusetzen, deren Wesen er nicht begriff. Viel lieber vertraute er auf seine eigenen Reaktionen – und Implantate.
»Was soll der Mist? Eine Biene auf dem Mond?«
Zufrieden registrierte Madu, wie sich Chipuna Alargi aus ihrer Konzentration löste und sich ihm zuwendete.
»Wir wissen ja nicht einmal, ob es sich tatsächlich um eine Biene oder um ein außerirdisches Wesen handelt. Immerhin gilt ihre Spezies seit den Pestizid-Kriegen als ausgerottet. Aber wer weiß, theoretisch ist vieles möglich.«
Madu blieb skeptisch. »Und was für Untersuchungen planen die überhaupt mit dem verdammten Viech?«
Chipuna bedachte Madu mit einem vorwurfsvollen Blick. Sie mochte es nicht, wenn sich jemand respektlos über die Natur ausließ. Andererseits verspürte sie nicht die geringste Lust auf Streit.
»Vermutlich werden sie es klonen. Damit hätten sie ein Monopol, das ihnen ein hübsches Sümmchen einbringen dürfte.«
»Na klar, und wir gehen mal wieder leer aus«, fauchte Madu aufgebracht.
Selbstbewusst bleckte Chipuna ihre Zähne. »Um genau das zu verhindern, schicken sie uns ja zur Morgenröte. Bald gehört die Biene der Afrikanischen Union!«
Auf einmal beanspruchte eine Meldung Madus volle Konzentration. »Die Systeme orten mehrere Lichtgleiter, die auf der Neu-Peking-Route patrouillieren.«
Chipuna sah besorgt aus, doch Madu blieb zuversichtlich. Die Frankenstein , wie er sein Schiff liebevoll getauft hatte, mochte zwar ein buntes Potpourri aus Wrackstücken, Weltraumschrott und vom Schwarzmarkt organisierten Ersatzteilen sein, aber es taugte immer wieder für eine Überraschung.
»Vor ein paar Wochen konnte ich Arun davon überzeugen, mir eines der modernen Tarnsysteme zu überlassen. Solange ihre Gleiter nicht auf Sichtweite an uns herankommen, stehen unsere Chancen gut, dass wir uns an ihnen vorbeischleichen können. Ich möchte unbedingt vermeiden, aufzufallen.«
»Sonst könnten sie eins und eins zusammenzählen, wenn ihre Biene plötzlich verschwunden ist. Und dann säße die Afrikanische Union tiefer in der Scheiße als die Larve eines Mistkäfers«, führte Chipuna seinen Gedanken zu Ende.
»Also ist Scheitern keine Option.« Als wollte sie die Bedeutung von Madus Worten unterstreichen, dimmte die künstliche Intelligenz der Frankenstein die Beleuchtung im Cockpit, deaktivierte den Autopiloten und verband sich mit der Schnittstelle zu seinen Implantaten. Sein Verstand und der des Schiffes verschmolzen zu einer Einheit. In solchen Situationen wurde Chipuna bewusst, wie weit die Vernetzung von Mensch und Technik vorangeschritten war und welchen Nutzen es bringen konnte, obwohl sie einen solchen Eingriff in ihren Körper stets abgelehnt hatte.
»Mach dich bereit, gleich erreichen wir die Zielkoordinaten«, befreite sie Madu Stunden später aus ihrer Angst, entdeckt zu werden. Chipuna löste ihren Gurt und ging zu einer der winzigen Fensterluken, die sich wie ein gelochtes Band entlang des Cockpits zogen. So weit das Auge reichte, stülpte sich draußen aschgraues Licht wie eine Glocke über die üppigen Felder und Wiesen. Der Anblick rief gemischte Gefühle in ihr hervor. Noch vor gut 70 Jahren war der Mond eine leblose Geröllwüste gewesen, die nur mit Schutzanzügen betreten werden konnte. Autarke Siedlungen inmitten blühender Landschaften galten als ferne Zukunftsvision unverbesserlicher Fantasten. Doch dann startete die Chinesische Republik mit enormem Aufwand ein ehrgeiziges Geoengineering-Projekt, das ihr Überbevölkerungsproblem dauerhaft lösen sollte. Innerhalb weniger Jahrzehnte erzeugten die Ingenieure eine künstliche Atmosphäre und sorgten für lebensfreundliche Bedingungen. Wenig später schossen die gigantischen Türme von Neu-Peking wie Pilze aus dem Boden. Heute zählte die Mondmetropole schon mehr als 900.000 Bewohner und die weitsichtigen Strategen der Republik planten bereits die Erschließung weiterer Siedlungsräume, bis hin zur erdabgewandten, der blinden Seite des Mondes, wie sie Chipuna nannte. Aller Errungenschaften zum Trotz gelang es ihr nicht, einen inneren Bezug zur Mondkolonie zu entwickeln. Die Welt hinter der Scheibe blieb für sie künstlich wie die virtuellen Räume, in die sich viele ihrer Landsleute flüchteten, um sich von dem Elend ihrer Existenz abzulenken.
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