1 ...7 8 9 11 12 13 ...26 Er warf einen kurzen Blick über die wartenden Beritte. Jene Männer, die mit ihm nach Alnoa reiten würden, hatten schon an der Seite von Gardisten gekämpft. Diesmal würde es jedoch nicht in die Schlacht, sondern nur zu einer Waffenübung gehen. Für die Männer des Pferdevolkes und der Garde eine Gelegenheit, miteinander zu reden und sich besser kennenzulernen. Das war einerseits gut, denn es förderte das Gemeinschaftsgefühl. Andererseits wusste Nedeam, wie sehr seine Männer den alten Traditionen verbunden waren. Das Pferdevolk war freiheitsliebend und konnte dem stark reglementierten Leben im alnoischen Königreich nichts abgewinnen. Das mochte zu Reibungen zwischen Pferdelords und Gardisten führen. Nedeam nahm sich vor, darauf zu achten und seinen Scharführer entsprechend zu instruieren.
Die Unterführer Herklund und Hendur hatten ihn bereits nach Julinaash begleitet. Herklund war inzwischen zum Scharführer aufgestiegen. Verlässliche Männer und gute Kämpfer, die das Vertrauen und die Wertschätzung der Pferdelords besaßen.
Der junge Pferdefürst nickte dem Stallburschen zu und schwang sich in Duramonts Sattel. Vor dem Aufbruch wollte er noch ein paar Worte an die Beritte richten.
„Es ist an der Zeit, Pferdelords der Hochmark, unsere Pflicht zu erfüllen und alten Freunden und Waffenbrüdern zu begegnen. Jene von euch, die zur Nordfeste reiten, werden unter dem Befehl eines tapferen Axtschlägers des Zwergenvolkes stehen. Wie ich hörte, dient auch der alte Maratuk in der Grenzfestung. Grüßt ihn in meinem Namen. Verseht euren Dienst in Ehren und lasst mir die Finger von zu viel Blor.“ Es gab ein paar fröhliche Lacher bei den Männern und einer von ihnen wankte demonstrativ im Sattel. Nedeam stimmte in das Lachen ein. „In euren Packlasten ist frisches Brot. Es wird nicht mehr ganz so frisch sein, wenn ihr die Festung erreicht, aber es wird die Zwerge freuen. Achtet mir darauf, dass die Zwerge der nördlichen Öde von Rushaan fernbleiben. Auch wenn von dort keine Gefahr drohen mag, so gab ich den einstigen Paladinen doch einen Schwur, ihre Grenzen nicht zu verletzen. Die Krieger Rushaans sind vergangen, aber der Schwur bleibt bestehen.“
Die Reiter nickten. Ein Pferdelord stand bedingungslos zu seinem Wort. So brave und tapfere Männer die Zwerge auch waren, gelegentlich lockten sie doch die Reichtümer, die unter dem Boden des toten Reiches verborgen lagen. Die Männer der Hochmark würden darüber wachen, dass der alte Schwur nicht erneut gebrochen wurde.
„Jene, die mit mir zur neuen Festung Nerianet reiten, werden ebenfalls guten Männern begegnen.“ Der Pferdefürst überlegte kurz. „Die Garde ist ein wenig anders als wir vom Pferdevolk. Sie schleppen viel Metall mit sich herum und machen beim Reiten eine Menge Lärm. Sie lieben das Stampfen von Brennsteinmaschinen und ihre Unterführer brüllen gerne herum.“
„Hört, hört“, meinte ein Schwertmann. „Wo doch unsere Unterführer ihre Stimmen nur so sanft erheben.“
Nedeam ließ die spöttische Bemerkung durchgehen. Auf Streife, im Kampf und beim Waffendrill herrschte unter den Schwertmännern eine eiserne Disziplin, aber es war wichtig, den Männern auch Freiraum zu lassen. Es mochte sein, dass sie manchmal ein wenig über die Stränge schlugen, doch umso disziplinierter waren sie beim Töten ihrer Feinde.
„Das Reich Alnoa hat beim großen Beben schmerzliche Verluste erlitten“, führte Nedeam aus, „und mit dem Spaltpass im Gebirge des Uma´Roll wurde eine neue Passage in das Reich des Schwarzen Lords geöffnet. Bislang ist der Feind dort nicht erschienen, doch wir alle haben oft genug gegen den Herrn der Finsternis und die Orks gekämpft, um zu wissen, dass er sich auf einen neuen Schlag vorbereitet. Daher reiten wir nach Nerianet, um an der Seite der Gardisten zu üben und ihnen zu zeigen, dass sie im Kampf nicht alleine stehen. Ihr alle seid erfahrene Krieger und eine Waffenübung mag euch eher lästig erscheinen. Doch in der Garde Alnoas dienen viele neue Soldaten, denn das Beben hat große Lücken gerissen. Eure Anwesenheit und eure Waffenkunst werden ihnen Zuversicht geben und ein Ansporn sein.“
Nedeam reckte sich ein wenig im Sattel und klopfte dem unruhig werdenden Duramont den Hals. „Duramont ist der Meinung, ich hätte genug geredet. Wohlan, Männer der Hochmark, lasst uns aufbrechen.“
Knappe Befehle wurden gegeben und die Männer saßen auf. Sie waren Schwertmänner und ihr Drill war makellos. Die Körper senkten sich zur gleichen Zeit auf das Sattelleder, Stoßlanzen wurden in die Köcher der Bügelschuhe gestellt, und die metallenen Hörner der Hochmark ließen ihren fordernden Ruf hören.
Nedeam zog Duramont herum, um sich an die Spitze zu setzen.
Er war schon oft hinausgeritten, doch nun ritt er zum ersten Mal unter seinem eigenen Banner. Das erfüllte ihn mit Stolz und zugleich mit Sorge. Es war leicht, Befehle auszuführen, doch nun, als Pferdefürst, trug er die Verantwortung für die Mark und für die Männer, die unter seinem Befehl ritten.
Nedeam hoffte, diesem Anspruch gerecht zu werden.
Bei diesen Gedanken musste der junge Pferdefürst unbewusst lächeln. Vielleicht hatte seine Llaranya wirklich recht und er war kein ungestümer Krieger mehr. Jedenfalls nahm er sich vor, jeden dieser Männer wieder in die Hochmark zurückzubringen.
Ein seltsamer Gedanke, wo es doch nur zu einer Waffenübung ging.
Zu einer Zeit, welche selbst die Elfen nicht benennen konnten, überragte ein beeindruckender Bergkegel das Land. Dann erschütterten Beben die Erde und der hohe Berg verschwand unter einer Wolke aus Feuer und Asche. Glühendes Gestein floss seine Flanken hinab und das Land versank für lange Zeit in Finsternis, bis die Sonne erneut hervorbrach. Aber das Antlitz des Landes hatte sich gewandelt und aus dem hohen Bergkegel war ein großer Krater geworden. Seine Wände stiegen steil empor und an seinem Grund sammelte sich gelblich grüne Nässe. Erneut verging eine lange Zeit und die Erosion forderte ihren Tribut. Ein kleiner Teil der Felswand gab nach, stürzte ein und das Wasser des großen Flusses strömte in den Krater und bildete einen kristallklaren See. Viele Menschenalter später gab es den See noch immer, aber sein Anblick hatte sich abermals verändert.
Wenn man sich dem Berg vom Land näherte, sah er nun wie ein flacher Kegel aus, dessen oberes Ende man abgetrennt hatte. Das Gestein wies die verschiedensten Schattierungen von Schwarz über Grau bis Braun auf, war scharfkantig und stieg vom Fuß des Berges immer steiler an. Oben, auf dem Rand des Kraters, erhob sich in strahlendem Weiß das typische, glatte Mauerwerk menschlicher Baukunst. Eine hohe und massive Wehrmauer, die sich um den gesamten Krater zog, unterbrochen von achteckigen Türmen mit Plattformen, auf denen schwere Dampfkanonen standen. Überragt wurde diese Anlage von dem gewaltigen Turm, der sich inmitten des Kratersees auf einer Insel erhob. In seiner enormen Größe erschien er trotz seines Durchmessers schlank und filigran, unterbrochen von zierlich wirkenden Balkonen und Brüstungen, bis die Spitze des Turms in der Plattform endete, auf der sich die Signalstation befand.
Der Turm war umgeben von säulengetragenen Gebäuden und Grünflächen. Hier wirkten König und Kronrat des Reiches von Alnoa. Geschwungene Brücken führten über den großen Kratersee hinweg zu seinem Rand. Die Häuser der Stadt folgten dem Verlauf der Felswände, zogen sich ringförmig herum und stiegen immer höher an, sodass die Stadt ein wenig den Eindruck vermittelte, die Gebäude seien die Zuschauer eines riesigen Amphitheaters, dessen Bühne der Königspalast bildete. In der Stadt dominierte der weiße Stein, den die Bauherren des Reiches bevorzugten, und dies hatte dazu geführt, dass man sie auch die „Weiße Stadt“ nannte. Sie war das politische und kulturelle Zentrum des Königreiches von Alnoa und trug den Namen Alneris.
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