1 ...6 7 8 10 11 12 ...26 Rechts von ihnen lag nun die alte Festung von Eternas.
Pferdefürst Garodem hatte sie einst als erstes Bauwerk in der Hochmark errichten lassen, denn er hatte sich damals um den Schutz der Menschen gesorgt. Es war eine kleine und bescheidene Anlage gewesen, die im Verlauf von Nedeams Leben immer weiter ausgebaut wurde.
Eine wehrhafte Mauer umgab den vorderen und hinteren Burghof und eine etwas kleinere trennte die beiden Höfe voneinander. Zum Süden hin flankierten zwei quadratische Türme das mächtige Haupttor. Im Gegensatz zu den üblichen Festungstoren wurde dieses nach außen geöffnet. Dies hatte den Vorteil, dass eine Ramme das Tor noch fester in seine Bettungen presste, statt es aus den Angeln zu schmettern. Im Inneren der Anlage standen das Haupthaus mit dem Signalturm von Eternas und die alten Unterkünfte der Schwertmänner. Schmiede, Vorratshaus, Heilerstube und Ställe waren im inneren Burghof untergebracht, der nach Norden zeigte. Die dortige Mauer war im Halbrund errichtet und breit genug, dass man dort drei der neuen Dampfkanonen hatte aufbauen können. Sie zeigten zum Pass des Eten, der nun von der Nordfeste geschützt wurde.
Haupthaus und Signalturm hatten bei dem Beben schwerste Schäden erlitten, und ihr Einsturz hatte viele wertvolle Leben gekostet. Nedeam war sich unsicher gewesen, ob man es wieder aufbauen sollte, aber Llaranya und die Schwertmänner hatten ihn überzeugt. Inzwischen war das Haupthaus erneuert und die Wohnräume und die große Halle von Eternas waren wieder verfügbar. Am neuen Signalturm wurde noch immer gearbeitet. Er sollte höher werden als der alte Turm. Auf ihm würde einer der neuen Sonnenspiegel errichtet werden, den man nachts auch mit Brennsteinlampen betreiben konnte. Umlenkspiegel erlaubten es jederzeit, das Licht in die polierte Fläche zu leiten, und Klappen dienten dazu, es zu unterbrechen. Gemeinsam mit dem Reich von Alnoa hatte man ein System entwickelt, bei dem kurze und lange Lichtblitze die Übertragung von Botschaften erlaubten. Solche Signalstationen standen inzwischen im gesamten Einflussbereich des Bündnisses. Eine Kette von ihnen durchzog sogar den Pass des Eten, um die Hochmark mit der Nordfeste zu verbinden. Da der neue Signalturm von Eternas noch nicht fertig war, hatte man die Konstruktion vorerst auf einem der Südtürme installiert.
Sie betraten die Burg nicht, sondern gingen an ihr vorbei nach Westen. Hier breitete sich das große Areal aus, auf dem die Pferdelords der Hochmark ihre Waffenübungen abhielten. Auf diesem ebenen Platz standen die Unterkünfte und Ställe der Beritte. Es waren zweigeschossige Bauten mit einem spitzen Dachstuhl. Im unteren Bereich waren die Pferde untergebracht, darüber lebten die Schwertmänner. Auf den Dachböden lagerten Vorräte, Heu für die Pferde und die Waffen der jeweiligen Beritte. Die Anlage war nicht von einer Wehrmauer umgeben, denn es stand kaum zu befürchten, dass ein Feind bis in die Hochmark vordrang. Sollte dies einmal geschehen, so konnte jedes der Gebäude als kleine Festung dienen. Doch der Nordpass war gut geschützt und am Südpass konnte man einen Feind leicht an den Engstellen aufhalten.
Mehrere Beritte übten auf dem Platz das Reiten in Formation oder den Umgang mit den verschiedenen Waffen. Auf einer Koppel wurden neue Pferde zugeritten und an den Klang der Waffen und Hörner gewöhnt. In der Schlacht benutzte man Hörner, um Befehle zu übermitteln. Normalerweise verwendete das Pferdevolk die gekrümmten Stoßhörner des Hornviehs, aber in den Beritten der Hochmark hatte man ein metallenes Horn eingeführt, dessen Klang heller war und weiter trug.
Drei Beritte standen in sauberer Formation, und als Nedeam und Lotaras den Platz betraten, ertönte ein scharfes Kommando. Die zuvor fröhlich schwatzenden Männer schienen in Reglosigkeit zu erstarren. Der Wind spielte sanft mit den grünen Umhängen und Rosshaarschweifen, und einige der Pferde wurden unruhig, als freuten sie sich, dass es nun endlich losging.
Zwei der Beritte waren als Ablösung für die Nordfeste gedacht, der Dritte würde Nedeam begleiten. Die Männer hatten sich große Mühe gegeben, sich und ihre Pferde herauszuputzen. Alles Lederzeug war frisch geölt, jedes Stück Metall poliert und jedes Ausrüstungsteil saß an seinem Platz.
Jeder der Beritte führte seinen Wimpel an einer langen Lanze mit blattförmiger Spitze aus reinem Gold. Die Wimpel waren aus grünem Tuch und in der blauen Farbe der Hochmark eingefasst. Die Feldzeichen maßen eine Länge bis zur Spitze und eine Viertellänge an der Lanze. Sie zeigten in weißer Farbe das individuelle Symbol des Beritts. Bei den Pferdelords aus den Gehöften und Weilern war dies meist das Zeichen ihrer Herkunft, so zum Beispiel die drei Wellen des Quellweilers. Bei den Schwertmännern entschied meist der Scharführer, was auf das Tuch gemalt wurde. In jedem Fall hatten die Wimpel eine besondere Bedeutung für die Männer, die ihnen folgten und sie bis zum letzten Blutstropfen verteidigten.
Einer der Beritte führte neben dem üblichen Ehrenzeichen ein rechteckiges Tuch. Es war ebenfalls grün und mit einer blauen Einfassung umgeben. Seine Farben waren frisch und das Tuch hatte noch nicht unter der Witterung gelitten. Es war Nedeams neues Banner als Pferdefürsten der Hochmark. Normalerweise übernahm ein Nachfolger das des Vorgängers, doch Nedeam hatte dieses der Hohen Dame Larwyn mit ins Grab gegeben. Der Respekt vor der alten Herrin und dem geliebten Pferdefürsten war zu groß, als dass Nedeam unter dessen Farben hätte reiten können.
So hatte er lange überlegt, welches Zeichen sein neues Banner zieren sollte. Mit Llaranyas Hilfe hatte er manchen Entwurf gefertigt und wieder verworfen, und er war zu keinem rechten Entschluss gekommen. Schließlich stellte ihn die Elfin, ihrer Art entsprechend, vor vollendete Tatsachen und präsentierte ihm ein fertiges Banner, welches sie eigenhändig genäht hatte.
Es zeigte das goldene Erkennungszeichen der Pferdelords. Einen oben offenen Ring, der einem Hufeisen ähnelte. Dessen Enden wurden von zwei Pferdeköpfen gebildet, die in entgegengesetzte Richtungen sahen. Das Symbol verkörperte die Einigkeit und zugleich Wehrhaftigkeit des Pferdevolkes. In seinem Inneren fügte Llaranya das persönliche Zeichen Nedeams hinzu, den Abdruck der Tatze eines Pelzbeißers in weißer Farbe. Als Knabe hatte er die Begegnung mit einem solchen Raubtier nur knapp überlebt und führte die Bärentatze seitdem als persönliches Zeichen auf seinem Rundschild. Das Banner gefiel Nedeam ausnehmend gut, zumal Herz und Blut seiner Llaranya darin steckten, denn sie hatte sich, wie sie verschämt eingestand, beim Nähen mit der Nadel gestochen.
Nun war das Banner des neuen Pferdefürsten an seiner Lanze befestigt und würde die Hochmark zum ersten Mal verlassen.
Arkarim ließ es sich als Erster Schwertmann der Hochmark nicht nehmen, seinen Pferdefürsten und Freund persönlich zu verabschieden.
„Ich sollte an Eurer Seite sein, Hoher Lord“, sagte er in formellem Ton.
„Es geht nicht gegen den Feind, Hoher Herr Arkarim“, erwiderte Nedeam ebenso steif. Einige der Schwertmänner grinsten unverfroren, da sie wussten, wie sehr die beiden Männer sich einander verbunden fühlten. „Es ist nur ein Übungsritt und ich weiß die Mark bei Euch in guten Händen.“
Ein Stallbursche führte Nedeams Hengst Duramont heran. Obwohl alles in bester Ordnung war, überprüfte Nedeam jeden Gurt und jedes Ausrüstungsteil. Der Mann nahm ihm das nicht übel. Im Gegenteil, es hätte ihn und die anderen Männer sehr verwundert, wenn sich ein bewährter Pferdelord wie Nedeam nicht selbst vergewissert hätte, dass alles so bereit war, als müssten sich Ross und Reiter im Kampf bewähren.
Duramont war auf die Art des Pferdevolkes gesattelt und gezäumt. Der Sattel war an den Seiten so unterpolstert, dass er nicht auf dem Widerrist des Pferdes auflag. Anstelle der im Reich Alnoa üblichen Steigbügel gab es Bügelschuhe, die den Vorteil hatten, dass sich ein Reiter beim Sturz nicht darin verfangen konnte. Rechts war der Lanzenköcher befestigt, in dem man Stoßlanze oder Wimpellanze abstützte. Zum Zaumzeug gehörte keine Gebisskette. Nedeam hatte die Kandaren alnoischer Gardekavallerie gesehen. Sie waren für ihn ein Zeichen dafür, dass die Alnoer mit ihren Reittieren bei Weitem nicht die Kampfeinheit bildeten, die für die Reiter des Pferdevolkes so typisch war. Bei den Pferdelords kämpften Pferd und Reiter gemeinsam, während ein Gardist kämpfen und zugleich sein Pferd beherrschen musste.
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