1 ...7 8 9 11 12 13 ...19 Obwohl der Tag mich ziemlich geschafft hatte, fand ich keinen Schlaf.
Schon lange hatte keine Frau mehr in meinen Armen geschlafen. Ich hatte fast vergessen, wie gut es sich anfühlte.
Viv hatte es vorgezogen, ohne Umarmung einzuschlafen. Selbst, nach dem wir uns geliebt hatten, rückte sie nach wenigen Minuten auf ihre Seite, was ich nie wirklich verstehen konnte.
Nach unserer Trennung hatte ich hin und wieder Sex, doch ich blieb nie über Nacht bei einer Frau. Es war eben nur Sex und vielleicht noch Empathie – aber kein Gefühl, das tiefer ging.
Nun lag ich im Bett einer Frau, die ich nicht wirklich kannte, hatte keinen Sex, hielt sie aber in meinen Armen und es fühlte sich gut und richtig an.
Irgendwann hatte mich der Schlaf wohl doch übermannt.
Als ich verschlafen die Augen öffnete, spürte ich zuerst Claires Po, der sich an meine Lenden drückte. Meinem Schwanz schien das sehr zu gefallen, wie ich schnell bemerkte. Ich hatte eine fast schmerzhafte Erektion, die Claire ohne Zweifel bemerken würde, wenn sie aufwachte. Während ich fieberhaft überlegte, wie ich von ihr abrücken konnte, ohne sie zu wecken, spürte ich zu meinem Entsetzen, dass sich Claires Hintern an meinem Schwanz rieb. Ich konnte ein verhaltenes Stöhnen nicht unterdrücken. Dieser zarte, weibliche Körper brachte mich um den Verstand.
Weil mir kein anderer Ausweg einfiel, zog ich meinen Arm vorsichtig unter Claires Kopf hervor und rückte von ihr ab. Sie blieb stillliegen, doch ich merkte an ihrer Atmung, dass sie wach war. Wahrscheinlich hatte ich sie völlig verängstigt, ich Idiot! Wütend auf mich selbst, rutschte ich bis zur Bettkante, stieg aus dem Bett und schlich mich aus Claires Zimmer. Sie sollte wissen, dass ich die Situation nicht ausnutzen würde.
In meinem Zimmer angekommen, ging ich sofort unter die Dusche und stellte das Wasser auf kalt.
Claire
Als ich das leise Klacken des Türschlosses hörte, fiel mir ein Stein vom Herzen.
Er hatte das Zimmer verlassen.
Eine Sekunde später flatterte mein Herz, aufgeregt wie ein gefangener Schmetterling, in meiner Brust. Er hatte die Nacht in meinem Bett verbracht.
Tom war bei mir geblieben, hatte mich in seinen Armen gehalten und mich getröstet.
Ich war verwirrt.
Er hatte mich nicht angefasst, nichts von mir gefordert. Er war einfach geblieben und hielt mich, lieh mir seinen Arm als Kissen, als wäre es das Normalste der Welt.
Ich rollte mich auf den Bauch und drückte meine Nase ins Kissen. Es roch nach Tom. Genießerisch sog ich seinen Duft in meine Lungen. Dieser wunderbare Duft nach Holz und Wald, es war Sandelholz, wenn ich mich nicht irrte, aber da war noch etwas anderes, eine feine Ambernote vielleicht. Ja, das musste es sein. Dieser Duft passte perfekt zu dem Mann mit den sanften, dunklen Augen.
Entsetzt über meine Gedanken setzte ich mich ruckartig auf.
Tom war ein Mann, und Männern hatte ich abgeschworen. In ihnen schlummerten Tiere, die die Oberhand gewannen, wenn sie eine Frau nehmen wollten. Ich hatte am eigenen Leib erfahren, wie es war, wenn Männer das Tier in sich herausließen.
Dann wurden aus fürsorglichen Familienvätern plötzlich keuchende, eklig schwitzende Monster, die sich an den Schmerzen, die sie mir zufügten und an meiner Angst freuten. Sie fanden ihre Befriedigung, wenn sie mich demütigten.
Ich hatte oft erlebt, dass sie mich mit einem anderen Namen ansprachen.
Mir war klar, dass sie in seiner Fantasie nicht mich schlugen, sondern die eigene Frau, die Sex verweigerte oder sie wegen anderer Dinge erzürnte.
Für mich war es jedes Mal eine Demütigung, die ein Stück von mir zerstörte.
Hastig verdrängte ich die Erinnerungen an die schreckliche Zeit und ging unter die Dusche. Ich war in einer merkwürdigen Hochstimmung, was meine Verwirrung noch verstärkte. Unbewusst fing ich an, eine Melodie zu summen, während ich mir den Schaum aus den Haaren wusch. Außerdem sah ich ständig Tom vor mir, wie er mich mit seinen schönen dunklen Augen ansah und mir liebevoll die Haare aus dem Gesicht strich.
Normalerweise zuckte ich panisch zurück, wenn mich jemand berühren wollte.
Nur Michelle, meine Anwältin, durfte mir näherkommen und selbst bei ihr hatte es einige Zeit gebraucht, bis ich ohne Angst ihre Berührung aushielt.
Bei Bellas Umarmung, als sie mich vor ein paar Tagen begrüßt hatte, war ich auch zuerst starr geworden, vor Angst.
Zum Glück hatte sich meine Angst im Laufe der Tage gelegt. Ich wollte Bella nicht vor den Kopf stoßen. Sie war so nett zu mir und las mir jeden Wunsch von den Augen ab.
Bei Tom war von Anfang an alles anders. Ich genoss seine Berührungen und spürte eine seltsame Leere, wenn er seine Hände zurückzog.
Energisch vertrieb ich sein Gesicht aus meinem Kopf. Es gab in meinem Leben keinen Platz für romantische Träume, die sowieso niemals erfüllt wurden. Ich war nun einmal keine Frau, die sich ein Mann an seiner Seite wünschte. Benedikt hatte recht; ich sah abschreckend aus mit meinen Narben und ich war ein seelisches Wrack. Ich konnte mich ja selbst nicht ansehen, ohne Ekel zu verspüren.
Unglücklich betrachtete ich mich im Spiegel und fuhr mit den Fingerspitzen über die mittlerweile verheilten Narben. Erst als ein Tropfen auf meine Brust fiel, merkte ich, dass ich weinte.
Schnell wandte ich den Blick von den Zeichen aus dieser qualvollen Zeit und schrubbte wie eine Besessene meine Zähne. Sobald ich an die Männer dachte, denen ich die Narben zu verdanken hatte, bekam ich einen bitteren Geschmack in den Mund. Es schmeckte fast wie Eisen oder Blei – jedenfalls war es so eklig, dass ich mich meist übergeben musste.
Mit Zahncreme und Zahnbürste versuchte ich, den bitteren Geschmack zu vertreiben. Meine Therapeutin hatte mir erklärt, der Geschmack wäre mein Blut, an das ich mich erinnern würde. Ich hatte ihr versprechen müssen, die Zähne nicht mehr so exzessiv zu putzen. Mittlerweile konnte ich mein Versprechen die meiste Zeit halten, doch heute musste ich es einfach tun. Mein Mund sollte sauber werden, damit ich mich nicht mehr beschmutzt fühlte.
Beim Ausspülen sah ich Blut im Waschbecken. Ich hatte es wieder einmal übertrieben. Seufzend putzte ich das Waschbecken und ging, in meinen kuscheligen Bademantel gehüllt, in mein Zimmer, um mich anzukleiden.
Als ich wenig später die Küche betrat, saßen Tom und Bella bereits an dem großen Tisch, der die Mitte des großzügigen Raumes bildete, und frühstückten.
Zögerlich trat ich näher. Ich schämte mich plötzlich für die Ereignisse der letzten Nacht.
„Guten Morgen.“ Meine Stimme war nicht mehr als ein zittriges Piepsen. Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Die Situation überforderte mich ziemlich, doch Bella und Tom schienen meine Unsicherheit nicht zu bemerken.
Bella, die mit dem Rücken zur Tür saß, drehte sich zu mir um und bedachte mich mit einem freundlichen Lächeln. „Guten Morgen, Claire“, begrüßte sie mich herzlich. „Setz dich zu uns. Ich schenke dir gleich frischen Kaffee ein.“ Schon sprang sie auf und ging zur Anrichte, um die Kanne mit frisch aufgebrühtem Kaffee zu holen.
Ich setzte mich mit gesenktem Kopf Tom gegenüber auf die massive Holzbank und starrte auf den Teller vor mir.
Plötzlich schob sich ein Korb mit frischen, verführerisch duftenden Brötchen vor meinen Blick. Prompt knurrte mein Magen laut und ungehalten. Ich hörte Tom leise lachen und konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Als ich aufsah, hielt Tom mir nach wie vor den Korb mit Brötchen unter die Nase und grinste breit. „Ich glaube, dein Magen hat gerade Nahrung gefordert.“
Verlegen nahm ich ein Brötchen aus dem Korb und bedankte mich leise.
Bella goss mir Kaffee in die Tasse und nahm wieder Platz.
„Greif zu, Liebes.“ Bella zeigte auffordernd auf die Tischmitte, wo mehrere Sorten Marmelade, Käse und Wurst appetitlich angerichtet waren.
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