1 ...8 9 10 12 13 14 ...19 Ich war wirklich sehr hungrig, deshalb überwand ich meine Scheu und bediente mich.
Genüsslich schloss ich die Augen und seufzte zufrieden. Gott schmeckte das lecker!
Als ich die Augen wieder öffnete, blickte ich direkt in Toms Gesicht.
Er sah mich so merkwürdig an, dass ich schnell zu Bella sah, die seelenruhig an ihrem Kaffee nippte. Mein Herz schlug schneller und meine Hände zitterten, als ich meine Tasse hochnahm. Ich traute mich nicht mehr, Tom anzuschauen. Ich hatte in seinen Augen etwas gesehen, das mich verwirrte. Dann verwarf ich den Gedanken schnell wieder. Ich hatte mich ganz bestimmt geirrt.
Bella und Tom unterhielten sich angeregt während des Frühstücks. Sie versuchten immer wieder, mich in ihr Gespräch mit einzubeziehen, doch ich war zu beschäftigt damit, Toms tiefer Stimme zu lauschen. Er sprach ruhig und selbstbewusst, seine Stimme klang angenehm melodisch. Sein Lachen hinterließ ein sanftes Kribbeln auf meiner Haut und ein warmes Gefühl in meinem Bauch.
Heimlich riskierte ich einen Blick auf ihn. Er hob seine Tasse an den Mund und schaute mich genau in diesem Augenblick an. Erschrocken starrte ich ihn an, nicht fähig, den Blick von seinen dunklen Augen zu nehmen. Er zwinkerte mir zu und trank von seinem Kaffee. Ich spürte, wie ich rot wurde, und senkte den Blick. Mittlerweile klopfte mir das Herz im Hals, so nervös war ich plötzlich.
Was war nur mit mir los? Weshalb reagierte ich so auf ihn?
Das musste schnellstens ein Ende finden, sonst würde ich keine Ruhe finden.
Hastig stand ich auf. Der Stuhl schrubbte unüberhörbar über den Küchenboden, sodass Bella zusammenzuckte. Ich flüsterte schnell eine Entschuldigung und verlies fluchtartig die Küche.
Es war mir unangenehm, einfach wegzulaufen, doch ich konnte nicht anders. Ich brauchte dringend ein paar Minuten für mich, um meinen Herzschlag zu beruhigen und wieder klar denken zu können.
Ohne es bewusst wahrzunehmen, war ich in mein Zimmer geflüchtet, doch hier fühlte ich mich nicht wesentlich wohler. Ständig sah ich Tom auf meinem Bett sitzen, was meinen Herzschlag eher beschleunigte, als beruhigte.
Ich beschloss, einen Spaziergang zu machen. Die frische Luft würde mir guttun und die Bewegung könnte mich auf andere Gedanken bringen.
Ich schnappte mir meine Jacke und schlüpfte in bequeme Sneakers. Wie ein Einbrecher schlich ich die Treppe hinunter. Ich schämte mich für mein Verhalten am Frühstückstisch. Bella und Tom waren so liebevoll um mich bemüht und ich benahm mich wie eine Verrückte.
Als die Haustür hinter mir ins Schloss fiel, atmete ich erleichtert aus. Die Sonne schien und es war kein Wölkchen am blauen Himmel zu sehen. Die Luft roch nach Frühling; tief atmete ich ein und stieß geräuschvoll die Luft wieder aus. Es war so herrlich friedlich hier oben. Zielstrebig ging ich in die Richtung, in die ich am ersten Tag mit Tom gelaufen war. Ich hatte bei unserem Spaziergang einen großen Findling entdeckt. Dort wollte ich mich ausruhen und den Blick auf die Felder genießen. Vielleicht gelang es mir, meine Gedanken zu sortieren, wenn ich eine Zeit lang dort verbrachte.
Ich war schon ein großes Stück gelaufen, als ich Hundegebell hörte. Ängstlich sah ich mich um. Tom sagte, hier oben würden sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, so einsam wäre es. Vielleicht waren es einfach nur Spaziergänger, versuchte ich, mich zu beruhigen. Immerhin war in der Nähe ein Dorf und die Felder waren bestellt. Also konnte es auch ein Bauer sein, der mit seinem Hund unterwegs war.
Angestrengt blickte ich über die Felder. In weiter Entfernung sah ich irgendwann tatsächlich einen Mann und einen Hund, der vor ihm herumsprang. Die Entfernung war zu groß, um zu erkennen, wie der Mann bekleidet war. Ich sah nur an seinem Gang, dass es sich um einen Mann handeln musste.
Was wäre, wenn Benedikt herausgefunden hätte, wo ich mich versteckt hielt?
Der Gedanke kam so plötzlich, dass ich einen Moment glaubte, mein Herz bliebe stehen.
Angst stieg wie eine Stichflamme in mir hoch und versetzte mich in Panik.
Ich drehte mich um und rannte los. Ich rannte, als wäre der Teufel hinter mir her, was der Realität entsprach, wenn es Benedikt war, der mich gefunden hatte.
Mein Herz raste, während ich versuchte, Steine und Wurzeln zu umlaufen oder über sie hinweg zu springen. Ich durfte auf keinen Fall stürzen, dann wäre ich verloren hier draußen.
Warum hatte ich Bella und Tom nicht gesagt, wohin ich ging? Warum musste ich mich wie ein Dieb davonschleichen? Wenn mir jetzt etwas zustieß, war es allein meine Schuld.
Ich sprang über einen kleinen Graben und blickte hoch. Im nächsten Moment prallte ich gegen einen harten Gegenstand. Ein heißer Blitz schoss durch meinen Kopf, dann wurde es dunkel.
Tom
Als ich den Schrei hörte, rannte ich in die Richtung, aus der ich ihn gehört hatte. Instinktiv wusste ich, dass es Claire war, die geschrien hatte. Hier oben kam selten ein Spaziergänger vorbei. Nur die Bauern kamen mit ihren Traktoren, um die Felder zu pflügen oder die Ernte einzuholen. Ich hatte Claire gerade noch gesehen, als sie das Haus verließ, und war ihr gefolgt. Sie hatte beim Frühstück die Küche fluchtartig verlassen, nachdem sie mich angesehen hatte. Ich machte mir Sorgen und war verwirrt. Hatte sie bemerkt, dass ich sie beobachtete?
Ich hatte ihr zugesehen, wie sie mit großem Appetit zwei Brötchen und ein Croissant verputzte. Wie ein Magnet zog sie meine Blicke auf sich, wenn sie über ihre Lippen leckte. Immer wieder war ihre kleine Zungenspitze hervorgeschnellt, um Marmelade oder Butter einzufangen, die auf ihrer Lippe klebte. Sie sah dabei so verführerisch aus, dass mir das Blut in die Lenden schoss. Verdammt! Ich Idiot hatte sie verängstigt – schon wieder.
„Claire!“ Angestrengt horchte ich, ob sie antwortete, doch es blieb still. Ich lief weiter in die Richtung, aus der ich den Schrei gehört hatte. Als ich den Körper auf dem Boden liegen sah, gefror mir das Blut in den Adern. Das war Claire, die regungslos am Boden lag. Verdammt!
Bei ihr angekommen, sank ich auf die Knie. Entsetzt sah ich, dass ihr hellblondes Haar eine rote Färbung hatte. Vorsichtig strich ich ihre Haare aus ihrem Gesicht, da sah ich die Bescherung. Auf ihrer Stirn prangte eine Platzwunde, die heftig blutete. Nachdem ich ihre Atmung und den Puls kontrolliert hatte, atmete ich erst einmal auf. Claire war ohnmächtig, aber sie atmete ruhig.
Mit dem Handy informierte ich Bella über unseren Standort. Sie würde mit dem Jeep kommen, um uns abzuholen. Wir befanden uns ein ganzes Stück von Bellas Grundstück entfernt und ich wollte Claire so schnell wie möglich ärztlich untersuchen lassen.
Behutsam zog ich ihren Oberkörper auf meine Schenkel, sodass ihr Kopf nicht länger auf dem harten Boden lag. Sie wimmerte leise und verzog das Gesicht. Ich nahm ihre Hand und redete beruhigend auf sie ein, doch ich war mir nicht sicher, ob sie mich hörte.
„Bleib ganz ruhig liegen. Gleich kommt Hilfe. Alles wird gut. Hab keine Angst, Claire.“
Ich redete leise mit ihr, bis ich das Geräusch von Bellas Jeep hörte. Ich hatte wohl eher mich beruhigen wollen, denn Claire gab noch immer keinen Mucks von sich.
Bella sprang aus dem Wagen und lief auf uns zu.
„Ach du lieber Himmel!“, flüsterte sie erschrocken. „Wie ist das denn passiert?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung. Sie ist scheinbar gerannt und dabei gegen die Birke geprallt.“ Ich zeigte auf den Baum direkt vor uns. Die Birke war das einzige Hindernis, das infrage kam. Sie stand einsam, inmitten riesiger Felder und Claire blutete an der Stirn. Ich fragte mich, was geschehen war, dass Claire den einzigen Baum in der Umgebung übersehen hatte. Sie musste panisch gerannt sein … aber weshalb? Was hatte sie so erschreckt, dass sie so in Panik geraten war? Ich blickte beunruhigt immer wieder über die Felder, doch es war keine Menschenseele hier oben zu sehen.
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