“Aber sicher. Später.” Heli weist auf einen kleine weiß gestrichenen Holz-Pavillon im Garten. “Schau nur! Der Pavillon! Wie süß! Paolo hat gesagt, dass Luise immer eine Pavillon wollte und ... voilá!” Sie drehen sich zum Haupthaus um, das wie ein orientalischer Palast wirkt, umsäumt von hohen Zypressen.
Mila seufzt und zuckt die Schultern. “Ja, ja, manche haben’s eben!”
Heli schubst sie, tadelnd. “Sei jetzt nicht neidisch. Paolo ist ein absolut Süßer, du wirst sehen!”
“Ja, eine tolle Hütte. Hast Recht.” Mila seufzt, bitter. “Der Hausherr muss seine Liebste ja wirklich anbeten.”
“Paolo ist ein sehr erfolgreicher Unternehmensberater. Braucht natürlich auch ein repräsentables Haus. Und Luise ist eine aufstrebende Künstlerin.”
Am Ende der Terrasse steht eine Skulptur, und sie wandern hinüber und betrachten das Ding, das wie ein senkrechter Müllhaufen wirkt, etwas ratlos. Heli berührt die Skulptur. “Paolo verkauft diese Werke. Er hat da diesen genialen Architekten, der ihm diesen Palast geschaffen hat ...” Sie dreht sich um und betrachtet die Party-Gruppe, während Mila immer noch den Swimming-Pool anstarrt.
“Hey! Dort ist er ja! Paolo!” Heli nimmt Mila am Arm und zieht sie mit sich über die Terrasse zurück ins Foyer, aber Mila stemmt sich dagegen. “Oh, wie peinlich, dass ich auch hier bin!”
“Unsinn! Du bist meine Freundin! Und Paolo wird von dir begeistert sein.”
Mila runzelt misstrauisch die Stirn. “Wieso?”
“Na, du bist ja auch eine Künstlerin und hast Talente, die –“
Mila bleibt stehen und schaut Heli scharf an. “Nein! Du hast ihm nichts erzählt von den Puppen!”
Heli zuckt harmlos die Schulter und winkt über Milas Schulter hinweg. “Wieso, was wäre denn ...?!” Mila ergreift ihren Arm und schüttelt sie. “Schwöre!”
“Cara mia!” Eine tiefe exotische Stimme erklingt hinter Mila, die erstarrt, und Heli lächelt glücklich und streckt die Arme nach Paolo aus. “Paolo! Sweetie! Hi!” Heli strebt an Mila vorbei, die ihr “Du Hexe!” nach zischt und sich ebenfalls umdreht. Sie sieht den etwa vierzigjährigen, hochgewachsenen Mann mit den pechschwarzen Haaren mit angegrauten Schläfen und den dunkelbraunen Augen, der einen perfekt sitzenden weißen Anzug trägt und darunter ein dunkelblaues T-Shirt, und ihre Knie werden weich. Mila schnappt nach Luft und hält sich an Heli fest, flüstert. “Oh Gott. Nein. Das ist er? Kann man vom Anschauen einen Orgasmus bekommen?”
Heli wendet sich ihr halb zu, streckt aber schon die Arme nach Paolo aus. “Du schon. Du kannst ja auch von einem Anblick kotzen.” Sie legt den Kopf schief und juchzt: “Paolo! Mein Schatz!”
Mila bleibt der Mund offen, als Paolo Heli umarmt und sie ihn erstmals aus der Nähe sieht, seine oliv-braune Haut mit den leichten Fältchen, sein kleinen Muttermale, die perfekten, schneeweißen Zähne, die langen Wimpern, die schlanken Hände ... Paolo schließt kurz die Augen, als er Heli umarmt, und Mila ist zutiefst gerührt. “Cara Wilhelmina! Welche Freude! Du bist gekommen!” Er küsst Heli auf die Wangen und schaut dann Mila an, die Heli an der Hand ergreift und näher zieht. “Ja, sie auch.”
Mila errötet zutiefst und starrt Paolo wortlos an. Heli schubst Mila leicht. “Paolo, hiermit stelle ich dir endlich meine Freundin Mila vor! Und sie kann sprechen, da bin ich sicher.”
Paolo streckt seine Arme nach Mila aus, die einen Schritt zurück macht. “Welche Freunde, Mila! Welcher schöne Name!”
Mila grinst, verlegen. “Ja. Für eine Katze. Fast hätten sie mich Mia getauft.” Heli rollt die Augen, aber Paolo ergreift Milas Hand und küsst sie schmatzend, und Mila hält sich an ihm fest, weil ihr Knie weich werden. Sie macht einen mädchenhaften Knicks, und Heli schlägt die Hände zusammen und kichert. “Sie knickst! Wer hat einen Fotoapparat?”
Paolo hält Milas Hand fest und betrachtet sie bewundernd, als sei sie eine Aristokratin, und Mila bricht in ein scheues Kichern aus, wendet sich dann an Heli. “Komm schon, Heli! Du kannst mich sicher noch ein bisschen mehr lächerlich machen!?”
Paolo lacht und winkt ab, zieht Mila an sich und macht mit ihr einen Tanzschritt, dem sie nur stolpernd folgt. “Oh, es ziert jede Frau, wenn sie etwas von dem süßen Mädchen zeigt, das sie im Tiefen immer ist.” Er seufzt und verbeugt sich vor Mila. “Ich entschuldige meine Sprache. Ist immer noch nicht ... wie sagt man!” Mila fällt ihm eilig ins Wort. “Perfekt!”
Paolo verneigt sich, “Genau. Nicht perfekt. Sie verzeihen?” Er legt den Kopf schief und lächelt Mila an, die hektisch den Kopf schüttelt. “Oh, nein, so habe ich das nicht gemeint! Es ist perfekt, wie du sprichst, ... oder Sie? Sind wir per Sie? Ich wollte nicht sagen, dass ...” Paolo küsst Mila auf die Wange, und sie kichert. “Per du. Okay. Verstanden. Ist gut. Na dann ...” Sie macht sich von Paolo los und winkt, “ich gehe jetzt mal. Weil ... es gibt sicher noch einige Fettnäpfchen ...”
Heli stellt sich ihr in den Weg und gestikuliert, begeistert. “Ein herrliches Haus, Paolo! Wie im Märchen! Wo ist denn die Hausherrin?” Paolo und Heli schauen sich nach der Hausherrin um, und Mila starrt Paolo derweil an, betäubt von seinem Anblick, murmelnd, “Ja ... herrlich.” Sie wendet sich heimlich ab, aber Paolo fasst sie an der Schulter. “Mila, es kommt live Musik später. Wir tanzen?”
Mila erbebt bei seiner Berührung und schüttelt eifrig den Kopf. “Ich kann gar nicht tanzen.” Paolo lächelt, betörend. “Jede Frau kann tanzen.”
“Dann ...“Mila haucht, in tiefer Verlegenheit, “bin ich keine ...” Heli hängt sich bei Paolo ein. “Aber wo ist Luise?” Paolo verneigt sich vor Mila, um sich zu entschuldigen, und Mila ist versucht, wieder einen Knicks zu machen, aber sie hält sich im letzten Moment zurück. Paolo geht mit Heli ein paar Schritte und deutet dann in eine Richtung. “Dort! Mit meinem Architekten ist Luise!”
Neue Gäste kommen, und Paolo winkt ihnen zu, während Heli und Mila neugierig in die Richtung, in die er gedeutet hat. Dort steht eine bildschöne, gertenschlanke Frau mit fast hüftlangen blonden Haaren, Luise (32) in einem bodenlangen schwarzen Schlauchkleid, und als sie einen Schritt zur Seite macht, sieht Mila, dass der Architekt, mit dem sie plaudert – Flobert ist. Er schaut ebenfalls in ihre Richtung - und erstarrt.
Milas Augen werden groß, und sie dreht sich auf der Stelle um, murmelt eine Entschuldigung in Paolos Richtung und strebt davon, aber Heli fasst sie schnell am Arm. “He, der kommt mir bekannt ... Moment! Wohin gehst du?”
Mila reißt sich erstaunlich heftig los, und flüchtet auf die Terrasse. Heli folgt ihr eilig. “Stopp! Das gehört sich nicht! Was ist denn mit dir?” Sie holt Mila ein und schaut sie von der Seite her an, während Mila keuchend dahin hastet. “Ich muss weg. Mir ist schlecht. Wo ist etwas zu trinken? Luft?”
“Ich glaube, du hast schon genug! Reiß dich zusammen!” Heli versucht Mila den Weg zu verstellen, aber sie stolpert auf die Terrasse hinaus und flüchtet zu einer dunklen Stelle hinter einer riesigen Vase mit langstieligen Rosen. Heli folgt ihr und hält sie an der Schulter fest. “Was faselst du?”
“Ich werd’ mich gleich ...” Heli hält Mila fester, um ihr Halt zu geben. “Nein, du wirst hier nicht kotzen!”
“... eingraben.” Mila versucht, neben Heli ums Eck zu spähen, und Heli runzelt irritiert die Stirn. “Was?”
Mila versucht, sich hinter Heli zu verstehen, aber Heli nimmt sie an der Schulter und dreht sie herum, um ihr ins Gesicht schauen zu können. Mila macht erregte Augenbewegungen in eine Richtung hinter Heli. “Dort!”
Heli dreht sich um. “Was? Wer? Luise?” Sie folgt Milas Blick, während diese bitter den Kopf schüttelt. “Es gibt keinen Gott.”
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