Mila schaut hartnäckig weg, während Flobert geräuschvoll kaut und schluckt. Sein Milchglas ist leer, und er winkt dem Kellner, dass er noch eines bringen solle, und der Kellner nickt.
Flobert stopft sich noch ein Stück Gebäck in den Mund und spricht vollbackig kauend und Krümel spuckend. “Also, Mila, was machst du beruflich?”
Mila bewegt sich gespielt angstvoll zur Seite, als müsse sie den gespuckten Krümeln wie Geschoßen ausweichen und spricht angriffslustig. “Lustig. Gerade wollte ich dich dasselbe fragen.”
“Ich hab' schon gefragt. Also?” Er schaut Mila gelassen an und will einige speichelnasse Krümel mit der Hand vom Tischtuch wischen, verschmiert sie aber nur. Mila schweigt und schaut fasziniert zu.
“Wir können auch über etwas Anderes reden.” Flobert zwinkert Mila bemüht humorig zu. “Übers Wetter, zum Beispiel.”
Mila schaut aus dem Fenster. “Mhm. Ist mir Recht.”
“Ist dir Recht? Hm, na dann ist ja alles gut, wenn das Thema dir genehm ist.”
Mit einer heftigen Kopfbewegung zischt Mila Flobert an. “Wieso? Passt dir das nicht?”
Flobert schaut sich im Restaurant um, während er mit der Zunge saugend seine Zähne von Krümeln reinigt. Mila starrt ihn ungläubig an. Der Kellner schaut ihnen von der Speisenausgabe her zu und merkt, dass es eine gute Zeit wäre, die Speisen zu bringen.
“Ich mag die Ausstattung hier.” Flobert nickt, eifrig. “Sehr geschmackvoll.”
Der Kellner eilt mit einem Tablett von der Speisenausgabe heran, Mila und Flobert etwas besorgt musternd.
Etwas später sitzen Mila und Flobert vor den vollkommen leer gegessenen Tellern und leer getrunkenen Gläsern ... während sie aneinander vorbei ins Nichts starren. Der Kellner steht mit gezücktem Block vor ihnen, in den Knien wippend. “Also, das waren ...”
“Scholle!” Mila lächelt den Kellner ungeduldig an und vermeidet es, Flobert anzusehen.
Der Kellner nickt und wendet sich Flobert zu. “Und der Herr den Karpfen.”
“Und Apfelstrudel!” Mila fällt ihm ins Wort, und Flobert deutet zustimmend auf sie. “Schoko-Mousse, Wein und noch mehr Wein. Vier.”
Mila ignoriert ihn und schaut den Kellner an. “Sechs. Keine Milch.”
“Milch war für den Herrn.” Der Kellner nickt, schreibt und streicht. Mila kichert provokant. “ Oh ja.” Sie erzittert, angeekelt, und Flobert betrachtet sie kurz, genervt und widmet sich ebenfalls dem Kellner, der eifrig nickt und schreibt, alles auf eine Rechnung. Mila und Flobert merken es und schauen dem Kellner verlegen auf die Finger
Milas Beine zucken nervös unter dem Tisch, und einer ihrer Füße berührt irrtümlich Floberts Fuß, und beide ziehen ihre Beine jeweils so heftig an, dass ihre Knie an den Tisch stoßen und das Geschirr zum Klirren bringen. Der Kellner zuckt zusammen, ignoriert aber alles beflissen, rechnet. Die anderen Gäste schauen heimlich, neugierig, herüber.
Flobert klopft sich mit der Brieftasche rhythmisch auf seinen Oberschenkel.
Der Kellner lächelt ihn an: “Vierundachtzig Euro und 40 Cents.” In Milas Gesicht zuckt es zufrieden. Flobert hüstelt. “Ja. Hm. Und das ... Gebäck?”
Der Kellner schreibt weiter. “Plus extra Gebäck.”
Flobert lacht: “Oh, Frauen knabbern ja so gern.”
“Wenn sonst nichts Interessantes passiert.” Mila zuckt die Schultern und widmet sich gelangweilt ihrer Tasche. Flobert schaut den Kellner hilfesuchend an, deutet auf die Rechnung, murmelt, verlegen. “Könnten Sie das ... eventuell aufteilen?”
Mila spricht so laut, dass die anderen Gäste sie hören, mit trauriger Stimme: “Oh! Also ladest du mich doch nicht ein?”
Flobert starrt Mila nach Worten ringend an, während der Kellner innehält. Mila zuckt resigniert die Schultern und schaut den Kellner groß an. “Ihre Frau sollte Gott Danken, dass Sie kein Spieler sind.”
Der Kellner beißt sich auf die Lippen, und Flobert holt tief Luft und legt seine Hand auf Milas Hand. “Liebling, vergiss nicht, wer immer die vielen Sachen online bestellt.” Er schüttelt verzweifelt den Kopf und seufzt, zum Kellner gewandt, spricht aber laut genug, dass die anderen Gäste ihn hören können. “Diese Bestellsucht ist eine Neurose.”
Mila starrt ihn mit offenem Mund an und tastet dann fahrig in der Handtasche herum. Mit zitternden Fingern zieht sie ihre Brieftasche und dann Banknoten heraus und hält sie dem Kellner hin. “Stopp! Genug! Wieviel? Hier! Passt das?” Der Kellner nimmt die Geldscheine, während Mila polternd vom Tisch aufsteht. “Zusammen, die Dame?”
Mila stammelt und reißt ihre Jacke vom Sessel, sodass dieser beinahe umkippt, während Flobert sie betreten anschaut. “Egal, ist mir egal! Schnell! Nehmen Sie!” Sie hält dem Kellner mehr Banknoten hin und deutet dann auf Flobert. “Und geben Sie ihm bitte noch eine Salzstange, ...” Sie flüstert dem Kellner ins Ohr, aber Flobert kann es dennoch hören, “und sagen Sie ihm, dass er sie sich sonstwohin schieben soll. Bezahlt ist sie ja.”
Der Kellner verneigt sich leicht und flüstert. “Sehr wohl.”
Mila zieht sich hektisch die Jacke halb über, findet das Armloch nicht, gibt es auf, danach zu tasten, würdigt Flobert keines Blickes mehr, schnappt ihre Tasche und eilt aus dem Restaurant, zuweilen stolpernd und sich an Tischen, dem Tresen und anderen Leuten festhaltend.
Der Kellner schaut Flobert höflich an und hüstelt. “Ich soll Ihnen von der Dame etwas ausrichten.”
Flobert grinst bitter und blinzelt nervös.
Mila und Heli, beide in langen Röcken und eleganten bunten Blusen und Modeschmuck, stehen im Foyer eines eleganten, festlich geschmückten Hauses mit vielen Pfeilern, Bögen und Stiegen und schauen sich um. Eine Party ist in vollem Gang. Servierpersonal in bunten Fantasie-Outfits wandert mit Tabletts mit Getränken und Snacks herum. Gäste stehen und gehen herum, plaudern, trinken, essen, lachen. Gedämpfte Musik mit leicht psychedelischen und lateinamerikanischen Klängen spielt im Hintergrund. Einige Gäste tanzen in einer Ecke. Ein ausgedehntes Buffet ist die Wand entlang aufgebaut. Ein kleiner Hund fegt durch die Räume. Viele hohe Vasen stehen dekorativ herum, gefüllt mit frischen Blumen und mit Schilf.
Die Gartenterrasse ist mit Laternen erleuchtet, und im Garten brennen einige Fackeln um den Swimmingpool, in dem sich die nächtlichen Lichter spiegeln.
Mila schnuppert an ihrem Getränk. “Riecht Champagner immer wie Most?” Sie nimmt einen Schluck, leert das Glas dann. Heli raucht eine Zigarette und kichert. “Lass das bloß niemanden hören” Sie schaut sich gut gelaunt um. “So viele schöne Leute, und die Musik ...” Sie wiegt sich leicht.
Mila greift nach Helis Zigarette, aber diese wehrt ab. “Nein. Das ist kein Woody-Allen-Film! Du rauchst gar nicht.” Mila nimmt ein weiteres Glas Champagner von einem Tablett, das gerade von einem Kellner, der wie eine Katze gekleidet ist, an ihr vorbei getragen wird, stellt das leere Glas darauf. “Wie kann man sich so täuschen?”
Heli schaut sie etwas verwirrt an, seufzt dann: “Ach du meine Güte! Immer noch der Typ?” Sie legt Mila den Arm um die Schultern, und sie wandern auf die Terrasse hinaus. “Wie war es denn früher? Da haben wir eben Typen in der Disco kennengelernt und waren total verknallt –“
“Ja! Was haben wir herumgeschmust! So besoffen.”
“Genau. Und in der Früh ... beim Heimgehen ...”
“Oder beim Aufwachen bei ihnen daheim ...”
Heli schaut sie verblüfft an. “Ja, also ... da waren dann alle so käsig und bartstoppelig und stinkig und gar nicht so perfekt, ...” kichert, “wie wir, die Schönheitsköniginnen.”
Mila schaut auf den Swimming-Pool hinunter. “Das waren Zeiten. Kann man drinnen schwimmen?”
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