1 ...6 7 8 10 11 12 ...23 »Zurück, Terwin!«, schrie Kormund auf. »Das Biest lockt dich zwischen
die Felsen!«
»Er ist scharf auf das Fell«, knurrte der andere Schwertmann.
»Verdammter Narr.«
Die beiden Reiter zogen ihre Pferde herum und trieben sie in Terwins
Richtung. Der Wind stand auf dem Hang und verhinderte so, dass das Pferd
des Schwertmanns den Geruch der Raubkrallen aufnahm. Erneut hörte
Terwin den warnenden Schrei des Scharführers hinter sich, aber er hatte die
verletzte Raubkralle nun deutlich im Blick und konnte den Bogen endlich
zum Schuss spannen. Dann, gerade als er den Pfeil lösen wollte, geschah es.
Auf dem Felsen, an dem Kormund die verräterischen Spuren gesehen
hatte, erschien eine weitere Raubkralle und duckte sich zum Sprung. Nervös
peitschte ihr Schwanz, während sie mit dem Becken die typischen
Bewegungen machte, mit denen die Tiere ihre Muskeln spannten. Begleitet
von Kormunds Aufschrei sprang die Raubkralle los.
Terwin schoss in dem Moment den Pfeil ab, als das Tier gegen ihn prallte.
Mit seinem Körper von der Größe eines Schafes und der Wucht des Sprunges
warf es Mann und Pferd einfach um. Der Schwertmann schrie auf, als sein
eines Bein unter dem stürzenden Pferd begraben wurde und brach, während
das liegende Tier auskeilte und versuchte, wieder auf die Läufe zu kommen.
Der Räuber hatte unterdessen seine Krallen in den Leib des Mannes
geschlagen und riss ihm blutige Wunden, bevor der Schwung des Sturzes sie
wieder voneinander trennte.
Der Pfeil Terwins ging ins Leere, denn die scheinbar verletzte Raubkralle,
auf die er gezielt hatte, war plötzlich herumgefahren und hastete nun mit
weiten Sprüngen heran. Zwei weitere Tiere erschienen zwischen den Felsen
und näherten sich ebenfalls.
Das Pferd kam hoch und wieherte erregt, als es die anstürmenden
Raubkrallen sah. Seine Instinkte verlangten, dass es flüchtete und sich in
Sicherheit brachte, aber Terwins Reittier war gut ausgebildet, und so stellte es
sich zum Kampf, statt zu fliehen. Noch während der Gestürzte versuchte, sich
vom Boden zu erheben, stieg sein Hengst auf die Hinterhand und
zerschmetterte einer der Raubkrallen mit dem Vorderlauf den Schädel.
Die andere sprang jedoch am Pferd vorbei und traf den Schwertmann, der
mittlerweile aufrecht stand, das gebrochene Bein aber nicht belasten konnte.
Er wollte gerade den Bogen fallen lassen und sein Schwert ziehen, als das
frontal von vorn kommende Tier gegen seine Brust prallte. Terwin stürzte
hintenüber, und eine der Tatzen der Raubkralle zog eine blutende Wunde über
sein Gesicht. Wäre der schützende Helm nicht gewesen, hätte er sicherlich ein
Auge verloren. Aber er war auch so schon übel zugerichtet.
Innerhalb weniger Augenblicke hatten ihn zwei Raubkrallen angegriffen.
Nun blutete er aus mehreren tiefen Wunden, hatte ein gebrochenes Bein, und
zudem war auch noch sein Schwert weg. Er warf sich herum und versuchte
die Klinge zu ergreifen, dann setzte auch die dritte Raubkralle zum Angriff
an.
Kormund schrie in einer Mischung aus Schmerz und Wut auf. Er war
kaum mehr eine halbe Hundertlänge vom Geschehen entfernt und schleuderte
die Wimpellanze mit aller Kraft. Der daraufhin einsetzende Schmerz in seiner
Wunde raubte ihm fast die Sinne, und er konnte sich nur mühsam im Sattel
halten. Aber die Lanzenspitze bohrte sich bis zum grünen Tuch des Wimpels
in die Brust der heranschnellenden Raubkralle, die durch die Wucht des
Aufpralls zurückgeworfen wurde und mit zuckenden Läufen liegen blieb.
Die Raubkralle, die als Erste angegriffen hatte, war unterdessen
herumgeschnellt und rannte nun geduckt mit weiten Sätzen über den Boden.
Terwin hatte sein Schwert ergriffen und rollte sich genau in dem Moment
herum, als die Bestie sich auf ihn warf. Die stählerne Klinge fuhr ihr
zwischen die Rippen, traf ihr Herz und tötete sie auf der Stelle. Aber selbst im
Tod zuckten ihre krallenbewehrten Läufe noch und rissen Terwin weitere
Wunden.
Kormunds Begleiter löste einen Pfeil, ein zweiter folgte, und der vierte
Räuber maunzte getroffen auf und humpelte hastig in die Deckung einiger
Felsen zurück. Jetzt waren Kormund und sein Begleiter endlich heran, und
während sich der Scharführer schmerzerfüllt im Sattel hielt, sprang der andere
Mann behände vom Pferd, zog mit einer gleitenden Bewegung seine Klinge
und vergewisserte sich, dass die Raubtiere tot waren.
Erst danach warf er einen forschenden Blick auf Kormund. »Geht es,
Scharführer, oder braucht Ihr Hilfe?«
Kormund verbiss sich den Schmerz und schüttelte den Kopf. »Kümmert
Euch um Terwin, er hat es nötiger. Die Krallen haben ihn übel zugerichtet,
und er verliert viel Blut.«
In dem Moment näherte sich das Geräusch von Hufschlag; es war einer der
beiden Schwertmänner vom Taleingang. »Wir haben zwei von ihnen
erwischt«, sagte er, als er sein Pferd neben ihnen gezügelt hatte. »Eine andere
sprang irgendwo zwischen den Felsen hervor und versteckt sich nun weiter
hinten im Tal. Eldwin ist ihr auf der Spur. Sie blutet stark und wird ihm nicht
entkommen.«
»Wir können Eure Hilfe brauchen«, brummte Kormund. »Terwin ist
verletzt.«
Der Schwertmann sah sich kurz um und stieß dann ein verächtliches
Schnauben aus. »Er hat sich zwischen den Felsen überrumpeln lassen, nicht
wahr? Verdammter Narr, man sollte diese Biester niemals unterschätzen. Sie
sind verflucht schlau, Scharführer.«
»Ja, ich weiß.«
Dann kümmerten sich die beiden Schwertmänner um Terwin. Der
Verletzte stöhnte gelegentlich auf, als die Männer seine Kleidung auftrennten,
um an die Wunden heranzukommen. Sein Pferd war nun, da die Gefahr
vorüber war, ein Stück zur Seite getrabt, hielt sich aber in der Nähe, um auf
den Pfiff seines Reiters hin herbeizueilen.
Kormund ließ sich unterdessen langsam aus dem Sattel gleiten. Für einen
Moment hielt er sich am Sattelknauf fest und löste die Wasserflasche. Er hatte
keinen Durst, aber er wollte nicht, dass die Männer sahen, wie sehr er im
Augenblick den zusätzlichen Halt des Sattels brauchte. So heftig war der
Schmerz schon lange nicht mehr gewesen, aber der stämmige Scharführer
hatte auch schon lange keinen solchen Wurf mehr gemacht. Er nahm einen
Schluck, spülte den Mund und spuckte aus, um anschließend zu trinken.
Nachdem er die Flasche wieder verschlossen hatte, hängte er sie zurück und
trat zu der toten Raubkralle, in deren Körper noch die Wimpellanze steckte.
Er befreite diese vorsichtig, darauf gefasst, erneut den Schmerz zu spüren,
doch diesmal blieb er verschont. Kormund würde Spitze und Tuch im
Wasserloch säubern, sobald Terwin versorgt war.
»Raffinierte Biester«, brummte einer der Männer. »Es war tatsächlich ein
Muttertier mit seinen fünf Jungen. Ganz, wie Ihr vermutet habt, guter Herr
Kormund. Die vier Jungtiere hier versuchten uns abzulenken und aufzuhalten,
während sich das Muttertier mit einem weiteren Jungtier davonschleichen
wollte. Sie opfern sich für ihr Rudel auf.«
Kormund lächelte halbherzig. »Darin sind sie uns ähnlich, nicht wahr? Wie
geht es ihm?«
Terwin stöhnte noch immer, aber er versuchte, sich den Schmerz zu
verbeißen. Er wusste, dass er die Wunden seinem Übereifer zu verdanken
hatte, der Ausdruck in seinen Augen verriet es. Mit einem verzerrten Lächeln
erwiderte er Kormunds Blick.
»Es war mein Fehler, Scharführer. Ich hätte auf Euch hören müssen, aber
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