„Oh mein Gott, der Hund tötet meinen Husky“, schrie der Rentner entsetzt auf und die drei Frauen kreischten.
Bingo stand über dem Husky und knurrte bösartig, dann ließ er ihn aufstehen und trieb Hund samt Herrchen zu unserer Gruppe. Nachdem der Rentner und sein Tier neben mir standen, ließ Bingo noch einmal ein Knurren hören und der Husky setzte sich gehorsam auf seinen Hintern.
Der Malinois brauchte nichts weiter zu tun und ich sah ihm an, dass er am liebsten die Malteser auch noch aufgemischt hätte, doch die betrachteten ihn ängstlich und einer nach dem anderen setzte sich neben sein Frauchen in das Gras. Bingo trat neben mich und ließ sich mit einem zufriedenen Grunzen nieder, behielt aber den Husky und die Malteser im Auge.
„Es geht mir um das Zertifikat, Frau Fengeler“, erklärte ich nach dieser Aktion, die die Dicke mit aufgerissenen Augen verfolgt hatte. „Mein Chef besteht darauf, dass ich ihm diese Urkunde vorlege und bis sie sich in meinem Besitz befindet, werde ich an ihrem Kurs teilnehmen müssen. Ob sie nun wollen, oder nicht. Und jetzt fangen sie endlich an, damit wir es bald hinter uns haben!“
Sophie Fengeler rang nach Luft und Worten, dann keuchte sie: „Sie dürfen ihren Hund nicht von der Leine lassen, der ist ja gemeingefährlich.“ Sie sah den Rentner an: „Hat er ihren Liebling gebissen? Geht es dem Husky gut?“
Der Rentner war immer noch von der Wanderung aus der Puste, nickte aber. „Alles in Ordnung ...“, keuchte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Ich warf einen unauffälligen Blick auf meine Armbanduhr und stellte fest, dass der Kurs in wenigen Minuten enden würde. Erleichtert atmete ich auf.
Die dicke Frau mit dem unvorteilhaften Kurzhaarschnitt nickte und warf ebenfalls einen Blick auf ihre Uhr. „Oh, wie die Zeit verfliegt“, meinte sie daraufhin und in ihrer Stimme klang Erleichterung mit. „Ich danke ihnen für die Teilnahme und freue mich darauf, sie morgen wiederzusehen. Bitte seien sie pünktlich!“ Dann fixierte sie mich: „Herr Lärpers, darf ich sie noch kurz in mein Büro bitten?“
Ich nickte und konnte mir vorstellen, was nun auf mich zukam. Nach dieser Aktion hier wäre ein Rausschmiss nur logisch. Während die anderen Kursteilnehmer zu ihren Autos gingen und um Bingo und mich einen großen Bogen machten, folgte ich mit dem Malinois an meiner Seite der Dicken zu dem Bauernhaus. Als ich einen Blick zurück auf die Wiese warf, sah ich den Jugendlichen mit seinem Smartphone dort immer noch stehen.
Ich hielt mitten im Schritt an. „Einen Moment bitte“, bat ich die Gelbhaarige ebenfalls stehen zu bleiben. Dann nickte ich Bingo zu und wies mit dem Kopf auf den jungen Mann, der die Welt um sich herum vergessen zu haben schien.
Bingo stürmte los, kam neben dem Stoppelhaarigen zum Stehen und stupste ihn mit der Schnauze am Bein an. Erschrocken sah der von seinem Handy hoch, bemerkte, dass er alleine auf der Wise stand und blickte auf Bingo, der aber schon wieder zu mir unterwegs war. Rasch hob der junge Mann seinen Hund auf den Arm und folgte uns.
„So, jetzt können wir“, lächelte ich die Dicke an, als Bingo wieder neben mir stand.
„Herr Lärpers“, begann Sophie Fengeler, als wir in einem kleinen Büro in dem Bauernhaus standen. „Ich möchte sie nicht aus dem Kurs werfen, jedoch ...“ Sie überlegte, was sie sagen wollte, dann atmete sie tief durch. „Wenn es ihnen so sehr auf das Zertifikat ankommt, dann bin ich bereit, es ihnen auszustellen. Den Lehrgangstoff haben wir ja in der Theorie zur Genüge durchgenommen und ich bin sicher, dass sie anhand des Gelernten auch selbständig in der Lage sein dürften, Praxisübungen durchzuführen. Falls sie also einverstanden sind, fertige ich jetzt die Bescheinigung aus, womit der Lehrgang für sie dann endet. Wäre das in ihrem Sinne?“
Ich nickte und Bingo ließ ein freudiges Fiepen hören. Ich war mir sicher, dass er ebenfalls mit dieser Lösung einverstanden war. Ebenso wie Bernd, der dem Oberstaatsanwalt die Urkunde würde vorlegen können. Und vermutlich auch die Sicherheitschefin des Flughafens Claire Rouyer, der ich fortan dann ganztätig zur Verfügung stehen könnte.
Alles in allem eine Win-Win Situation, die alle zufriedenstellen dürfte.
Wenige Minuten später ratterte der Tintenstrahldrucker los und die dicke Sophie überreichte mir die Urkunde. „Herzlichen Glückwunsch zum bestandenen Lehrgang“, lächelte sie erleichtert und gab mir zum Abschied sogar die Hand.
Im Wagen zog ich mein Handy hervor und wählte Bernds Nummer. Sekunden später meldete sich mein Freund auch schon. „Jonathan. Nett von dir zu hören. Meinen Glückwunsch zu der Aktion am Flughafen heute Vormittag. Das war gute Arbeit und diesmal gab es sogar keine Toten.“
Ich nickte. „Danke Bernd. Aber das war reiner Zufall. Dank Bingos Spürnase fiel mein Verdacht auf die drei Herren und als ich sie überprüfen wollte, zogen sie ihre Waffen. Das Sicherheitskonzept am Flughafen muss unbedingt überarbeitet werden.“
Bernd lachte leise. „Deswegen haben wir ja dich dorthin geschickt. Ich denke aber, du hast mich nicht angerufen, um mit mir darüber zu plaudern?“
„Nein, das weniger. Bist du noch eine Weile im Büro, ich muss kurz mit dir sprechen.“
„Ich bin im Studio. Lässt sich das nicht am Telefon klären? Geht es um den Mantrailing Lehrgang?“
„In gewisser Weise. Warte einfach auf mich. Ich muss dir auch etwas zeigen.“
„So geheimnisvoll? Du findest mich im Schießstand, Jonathan. Bis gleich.“ Er unterbrach das Gespräch und ich betrachtete zufrieden die Urkunde, die in einer Klarsichthülle steckte. Da sollte noch jemand behaupten, Jonathan Lärpers wäre kein Überflieger.
Bernd befand sich in der Waffenkammer neben dem Schießstand und überprüfte die dort lagernden Waffen. Ich wusste, dass er das regelmäßig machte, um sichergehen zu können, dass sie sich stets in einem einwandfreien Zustand befanden. Mein Freund reichte mir die Hand und umarmte mich kurz. „Das muss ja wichtig sein, wenn du nach Feierabend noch mit mir sprechen willst.“
„Ist es auch. Außerdem bin ich morgen früh ja wieder am Flughafen.“ Ich zog die Urkunde hervor und reichte sie ihm.
Band blickte auf das Papier, sah mich kurz an und überlegte. „Es hat Ärger gegeben, nicht wahr?“, schlussfolgerte er schließlich. „Der Lehrgang dauert doch eigentlich noch eine Weile, doch du hast schon nach zwei Tagen bestanden? Was war los, Jonathan.“ Er betrachtete das Zertifikat von allen Seiten. „Und erzähl mir keinen Scheiß. Zumindest scheint es sich hierbei nicht um eine Fälschung zu handeln.“
„Fälschung?“ Ich tat entrüstet. „Traust du mir wirklich zu, dass ich eine Urkunde fälschen würde?“
Bernd legte mir eine Hand auf die Schulter und sah mir in die Augen. „Nein, natürlich nicht, Jonathan. Also, was ist schiefgelaufen?“
Ich seufzte. Ich würde schonungslos bei der Wahrheit bleiben müssen, denn Bernd besaß die Eigenschaft, mich zu durchschauen. Oder er war in der Lage Gedanken zu lesen, was aber auf das Gleiche herauskam. „Der Lehrgang war ein Witz“, erklärte ich. „Die Hundetrainerin scheint mir nicht wirklich für den Umgang mit Tieren geeignet zu sein und bei den Lehrgangsteilnehmern handelte es sich um eine bunt zusammengewürfelte Truppe von Hausfrauen, einem Rentner, sowie einem Jugendlichen, dessen Interesse mehr seinem Smartphone, als dem Unterricht galt. Allerdings bestand der theoretische Teil lediglich aus einem heruntergeleierten Monolog und anschließend erhielten wir die Informationen noch einmal als Fotokopien. Da habe ich in unserer Bibliothek oben bessere und umfangreichere Unterlagen gefunden.“
Ich machte eine kurze Pause und blickte auf Bingo, der sich von meinem Freund den Kopf kraulen ließ. Bernd nickte und bedeutete mir, fortzufahren.
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