»Na, wie geht´s beim Schreiben…?«
»Gutgut, ich hab endlich entschieden, dass ich das Ganze chronologisch ordne, immer eine Geschichte von mir und dann ein Statement, so eine Art kurzes Essay, im Anschluss daran, damit…«
»Aber wär´s nicht geschickter, die Geschichte in einem zu erzählen und dann im Anschluss die Statements?«
Ich nehm´s ihr nicht krumm. Ich mag sie zu sehr, da fährt die Eisenbahn drüber. Ich sage:
»Naja, auch eine Möglichkeit, ich denk mal drü…«
»HE FREUNDE, ALLE MAL HERHÖREN«, schreit S in die Menge, »ES REGNET VIELLEICHT BALD UND WIR GEHEN DANN ALLE REIN. NEHMT DANN BITTE EURE SACHEN MIT!«
Ich wühle in der riesigen Vase neben der Bar rum, die zum Zweck der Feier mit Flaschen und Eiswürfeln gefüllt ist. Cola, Almdudler, Fanta, Bier - lauter Zeug, auf das ich keine Lust habe. Ich sehe ganz unten nach, ob´s Apfelsaft gibt, finde aber keinen und ziehe ein Cola raus. Ich öffne die Dose und trinke einen Schluck und der Zucker beleidigt schon im nächsten Moment meine empfindlichen Zahnhälse. Puah , denke ich, so kann´s einem ergehen. Muss ich jetzt wirklich bei der nächsten Einladung selbst Apfelsaft mitnehmen? Doch wie immer vergleiche ich mich mit Ärmeren, die weniger haben und komme zum Schluss: Mensch, du hast doch wenigstens IRGENDWAS zu trinken und andere nicht, jammere hier nicht rum! Da spricht mich H an.
»Kann man mal ein paar Seiten lesen von deiner Geschichte?«
»Nein, nicht drin«, sage ich und ich weiß, dass es unfreundlich klingt, aber so ist es nun mal, was soll ich sonst sagen? Das ist schließlich schwer zu erklären und ich bin dankbar, dass er nicht fragt warum, denn es wäre nicht erfreulich für ihn, die Hintergründe zu erfahren. Trotzdem ist es eine freundliche Frage von ihm und ich will ihn nicht alleine im Regen stehen lassen.
»Weißt du, das machen Worteschmiede nicht so gern, die glauben dann irgendwie, das bringt Pech, wenn das andere lesen, bevor es fertig ist…«
Eine glatte Lüge von mir und auch das tut mir leid, der Grund ist doch vielmehr, dass es einen auf die Palme bringt, wenn Menschen ohne Ahnung von Stil oder Rhythmus Statements zu einem Manuskript abgeben. Als ging´s darum, RICHTIG zu schreiben. Schlimmer noch: Wenn man dann verglichen wird mit anderen Schreiberlingen, die einem vielleicht nicht so ganz ans Herz gewachsen sind. Das tut dann echt weh und ich schütze mich nur vor dem Schlimmsten. Es geht einfach um Respekt und bevor ich respektlos bin, lüge ich lieber, was das Zeug hält.
»Schade«, sagt H und ich weiß, ich kann ihm nicht helfen, seinen Wissensdurst nicht stillen.
»Hast schon den neuen Coelho gelesen, wie findst´n den?« F bringt sich ins Spiel.
Ich blicke kurz in den verwaschenen Himmel hinauf, aber da ist nur Blau und Grau und keine Raumschiffe mit durchgeknallten, androgynen Geschöpfen im Landeanflug, die extra gekommen sind, um Leute meines Schlages abzuholen, für die hier keine artgerechte Haltung möglich ist, und ich fühle mich wie ein Tischler, den man auf einem Planeten ohne Bäume abgesetzt hat. Ich sollte einfach nur mehr zuhause bleiben bei meinen Geschichten, denke ich und weiß, dass das auch keine Lösung ist. Man muss sich schon seine Portion Grauen abholen im Leben, da führt kein Weg dran vorbei. Mir fällt Roald Dahl ein und ich kann nachvollziehen, wie er auf die Idee mit den Gremlins gekommen sein muss und auf die Unwirklichkeit in seinen Geschichten.
»Nein, hab ich nicht gelesen, den Coelho…«
»Waaaas? Den musst du lesen, ist das Beste seit ewig!«
»Jaja, die Geschmäcker sind eben verschieden…«
Nett von A, dass sie versucht, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Trotzdem hasse ich den Spruch und mir wird nicht wohler dabei.
»Aber das ist doch der Star, den muss man doch als Schriftsteller gelesen haben. Ich versteh dich einfach nicht, das ist doch Weltliteratur vom Besten«, hakt F nach.
Der gute H ahnt, dass das so nicht weitergehen kann, sieht in meine Richtung und kneift die Lippen zusammen, während er seine Augäpfel bis zum Anschlag nach oben drückt. Nette Geste, wieder einer auf meiner Liste für die Freiexemplare, falls ich mit dem Buch rauskommen sollte, denke ich. F muss das irgendwie mitgekriegt haben und empört sich.
»Was, was ist denn? Ist doch so wie ich´s sage!«
Null Feedback für F. Coelho ist in dieser Runde scheinbar nicht der Hammer, von F mal abgesehen. Ich drehe mich um und sehe B mit einem Joint vorbeigehen, der kommt mir jetzt gerade recht, auch wenn ich nur mehr sehr selten kiffe. Teufel noch mal, denke ich und renne ihm einfach hinterher in sein Versteck, denn jeder hier muss das nicht sehen, da gibt´s sonst Stunk. Außerdem bin ich wegen dem Zeug vorbestraft. Wir setzen uns auf ein Bänkchen hinter einem Busch, dessen Art oder Gattung oder wie man das nennt, mir partout nicht einfallen will und das finde ich irgendwie schade, denn der Worteschmied sollte doch wenigstens die heimische Flora beim Namen nennen können, wenn er schon nicht so viele Bücher verkauft wie Coelho. Ich ziehe am Joint und muss lachen, denn ich hätte nicht mitgeraucht, wenn die Verzweiflung mich nicht hier und jetzt am Schopf gepackt hätte, und ich denke: So funktioniert das also mit der Flucht in die Sucht.
»Kommst eigentlich voran beim Schreiben…?« fragt B entspannt.
»Ja, geht gut was weiter…«
»Schön… Das ist schön, freut mich für dich…«
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