„Mit dieser Haltung bist Du im Kollegium sicher allein auf weiter Flur, die meisten Kollegen hassen den Unterricht in der Mittelstufe, weil die Schüler sich und den Lehrern das Leben durch unbotmäßiges Verhalten schwer machen. Ich verstehe Dich aber, auch ich sehe mich manchmal in der Rolle einer Person, die den Mittelstufenschülern etwas vorlebt, von dem ich glaube, dass es nachahmenswert für sie ist, ich finde es sehr schwer, die Balance dabei zu halten und mich nicht lächerlich zu machen.“ Das Hirschgulasch schmeckte gut, Doris und Chuck aßen langsam und mit Genuss, sie waren beide nie jemand gewesen, der sein Essen verschlang. Sie saßen an einem großen runden Tisch mit weiteren sechs Kollegen, mit denen sie sich aber kaum unterhielten, weil die fast nur Belanglosigkeiten miteinander austauschten.
Nach eineinhalb Stunden wurde die Mittagspause beendet, und man fuhr wieder zur Schule zurück, wo Chuck sich von Doris bis zum nächsten Tag verabschiedete, sie wollten am Nachmittag ins Fitnessstudio. Chuck fuhr mit der Straßenbahn nach Hause, setzte sich in seinem Wohn-/Arbeitszimmer in einen Sessel und dachte über Doris und den Lehrerausflug nach. Doris war zwar schon etwas älter, aber immer noch sehr attraktiv, sie schied aber als Partnerin für Chuck aus. Chuck fand, dass sie viel Wärme ausstrahlte, weshalb es sehr angenehm war, sich in ihrer Gesellschaft aufzuhalten und mir ihr zu reden. Er konnte sich gut vorstellen, wie sie im Unterricht war, sie konnte auf die Schüler eingehen und ihnen zu verstehen geben, dass sie für sie da war. Chuck ging an dem Tag erst spät ins Bett, schaltete den Fernseher an und sah sich einen „Tatort“ an, den er vor Jahren schon einmal gesehen hatte, es ärgerte ihn, dass ihm als Fernsehzuschauer permanent Wiederholungen alter Sendungen vorgesetzt wurden.
Er lag im Bett noch eine Zeit lang wach, stierte zur Decke hoch und dachte nach, bevor er einschlief und am nächsten Morgen wieder um 6.30 h aufstand. Er brauchte morgens immer zwanzig Minuten im Badezimmer, in denen er sich die Zähne putzte, duschte, sich rasierte, seine Haut mit Niveacreme einschmierte und seine Haare in Ordnung brachte. Gelegentlich stellte er dann noch das Bügeleisen an, um ein Hemd zu bügeln. Das Bügeln hatte er sich während seiner Studienzeit beigebracht, als es niemanden gab, der ihm seine Wäsche gebügelt hatte. Er fand es schon immer sehr schwer, ein Hemd knitterfrei zu bügeln, heute gab es Freiarmbügelbretter, die einem das Hemdenbügeln etwas erleichterten, ansonsten aber war der technische Fortschritt an der Tätigkeit des Bügelns vorbeigegangen. Chuck hasste das Bügeln, liebte auf der anderen Seite aber frisch gebügelte Hemden, also musste er ran und die Sachen glätten. Er parfümierte sich nicht, wie das viele Männer inzwischen taten, er benutzte auch kein Deo, es gab unter den hunderten von Deos solche, die so penetrant rochen, dass einem fast der Atem wegblieb. Manchmal benutzte er nach dem Sport einen Deo-Stick, der aber völlig geruchsneutral war. Das Einzige, was an ihm nach der Badezimmeraktion roch, war die Niveacreme, er war aber auch nicht der Typ, der viel Körpergeruch entwickelte, wie das manche taten. Chuck hasste es, wenn sich manche Zeitgenossen gehen ließen und ihre Umgebung mit ihrem Körpergeruch belästigten, er ertappte sich gelegentlich dabei, wie er drauf und dran war, solchen Leuten das Duschen nahezulegen, bislang hatte er sich aber noch nicht dazu verstiegen.
In der Schule trug er immer festes Schuhwerk, nie hatte er seine Trekkingsandalen im Unterricht an, er fand, dass sich die Kollegen vergaßen, wenn sie in Schlappen, Trekkingsandalen oder im Sommer sogar in kurzen Hosen in die Schule kamen, da war er ganz eigen. In der Straßenbahn umgab ihn der Duft der vielen Rasierwasser, Deos und Herrenparfüms, der ihn einnebelte und nach Luft schnappen ließ, er war immer froh, die Straßenbahn an der Schule verlassen zu können und frische Luft einatmen zu dürfen. Auch im Lehrerzimmer atmete er immer den Duft verschiedenster Parfums von Frauen und Männern ein, er sah immer zu, dass er schnell zu den Klassen hochlief. An jenem Morgen traf er Doris, wie sie auf dem Weg zum Kunstsaal war und grüßte sie, sie lächelte freundlich und grüßte zurück, sie wünschten sich beide einen schönen Tag und gingen ihrer Wege, Chuck erinnerte Doris noch an das Fitnessstudio am Nachmittag. Beide hatten sie an dem Tag sechs Stunden Unterricht hintereinander und waren dann dementsprechend geschafft. In den letzten beiden Stunden hatte Chuck einen Mathekurs in der Jahrgangsstufe 12, in dem er entspannen konnte, Doris aber hatte durchgängig die Mittelstufe und war die ganze Zeit dem Lärm ausgesetzt, den die Schüler verbreiteten. Sie trafen sich nach der Schule und fuhren zu Chucks Wohnung, Doris hatte ihre Sportsachen dabei und würde sich im Fitnessstudio umziehen.
Chuck machte für Doris und sich einen Espresso, Doris schaute sich in der Zeit in Chucks kleiner Wohnung um und bescheinigte ihm einen guten Geschmack bei der Einrichtung. Chuck bedankte sich für das Kompliment und setzte sich mit Doris auf seine Couch, er hatte Cantuccini geholt und sie auf den kleinen Couchtisch gelegt. Nach einer halben Stunde forderte Chuck Doris auf, mit ihm zum Fitnessstudio zu laufen, das würde zwar etwas länger als normal dauern, er hätte aber nur ein Fahrrad und die Straßenbahn fuhr nicht am Studio vorbei. Doris hatte, genauso wenig wie Chuck, ein Auto, sie erledigte ihre Einkäufe und sonstigen Termine in der Stadt mit der Straßenbahn, sie und Chuck ersparten sich so eine Menge Kosten und Parkplatzärger. An der Studiorezeption stellte Chuck Doris vor und sagte:
„Doris möchte gerne ein Probetraining absolvieren.“
„Das geht in Ordnung“, bescheinigte man ihm, „viel Spaß beim Training.!“, rief man ihnen hinterher. Chuck lief mit Doris, nachdem sie sich umgezogen hatte, zum Rücken-Bereich hoch, er wollte mit ihr etwas für den Rücken tun und es für den Tag dabei bewenden lassen. Er legte sich mit dem Rücken auf eine Crunch-Bank und machte Situps, die Doris nachmachen sollte und wo sie nach zehn Wiederholungen passen musste, weil ihre Buchmuskeln schmerzten. Chuck sagte
„Das ist völlig normal, Du musst nach und nach Bauchmuskeln ausbilden, bis Du ohne Probleme fünfzig Situps hintereinander machen kannst.“ Doris versprach, täglich zu Hause zu üben, „ich werde mich auf meinen Wohnzimmerteppich legen und dort meine Situps machen, jeden Tag ein paar mehr, bis ich bei fünfzig Situps angekommen bin.“ Anschließend ging Chuck doch noch mit Doris in den Geräteraum und setzte sich an den Lattzieher, er machte die Übung zunächst vor und bat Doris dann, sie nachzumachen. Er legte ihr für den Anfang zwanzig Kilogramm auf, die sie ganz gut bewältigen konnte, er sagte ihr:
„Du musst immer bestrebt sein, gerade zu sitzen und die Stange des Lattziehers hinter ihrem Kopf bis zu ihrem Nacken herunterzuziehen.“ Doris schaffte 3x10 Wiederholungen und stand dann erschöpft auf, sie nahm ihr Handtuch und wischte sich den Schweiß aus ihrem Gesicht, Chuck wollte aber noch eine Übung mit ihr machen und es danach für den Tag genug sein lassen. Er ging mit ihr zum Beinstrecker, machte zunächst vor, worauf es dabei ankam und bat Doris dann, sich an das Gerät zu setzen und 3x10 Wiederholungen mit zwanzig Kilogramm zu machen. Beim dritten Satz begann Doris, über Schmerzen in den Oberschenkeln zu klagen und rieb sich, als sie fertig war, mit den Händen ihre Muskeln. Auch das wäre eine Übung, die sie immer wieder trainieren müsste, sagte Chuck.
„Die Oberschenkel werden im Alltag kaum beansprucht, außer, man fährt Fahrrad und das regelmäßig über längere Strecken.“ Doris war völlig erledigt und Chuck sagte ihr, das sie für den Tag aufhören wollten, es gäbe, wie sie gesehen hätte, noch eine Fülle weiterer Geräte, an denen sie sich beim nächsten Mal versuchen wollten. Doris sollte sich umziehen und vor der Rezeption mit ihm einen Cappuccino trinken, er würde sie einladen. Als sie an dem kleinen Tischchen saßen, klagte Doris über Muskelschmerzen:
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