mit dem besten Geruchssinn.«
»Den haben die Jungen«, sagte ein Reiter lakonisch.
»So ist es.«
Die Männer sahen Anschudar an, und der junge Schwingenreiter begriff.
»Ich?«
»Nein, Showaa«, korrigierte Mordeschdar und lächelte knapp. »Sie ist
unbestreitbar die Jüngste. Aber da du ihr Schwingenreiter bist, wirst du sie
begleiten.« Der Schwingenführer legte eine Hand auf die Schulter des
überraschten Jungen. »Es wird ein großes Abenteuer für dich und deine
Showaa werden. Du musst das nördliche Gebirge erkunden und nach
Gelbstein suchen. Das bedeutet eine große Verantwortung für dich und
Showaa. Eine Verantwortung für die Zukunft unseres Volkes,
Schwingenreiter.«
Anschudar nickte benommen. »Dann werden wir sie auf uns nehmen.«
Mordeschdar sah unbewusst nach Norden. »Ein fremdes und vielleicht
feindliches Gebirge, junger Schwingenreiter. Dort gibt es Bodenläufer.
Angeblich sollen einige von ihnen auf Pferden reiten. Aber das ist sicherlich
nur eine alte Legende.«
»In jedem Fall wird es dort Orks geben«, meinte Palschudar. »Diese Brut
der Finsternis hat sich ja überall ausgebreitet.«
Anschudar nickte. »Ich werde vorsichtig sein und auf Showaa achten.«
»Dann nutze Wind und Schwingen, Anschudar«, sagte Mordeschdar
freundlich.
»Nutze Wind und Schwingen«, stimmten die anderen Schwingenreiter ein.
Am kommenden Morgen würden Anschudar und Showaa aufbrechen.
Nach Norden. Der Fremde entgegen. Um nach der Zukunft des Horstes zu
suchen und vielleicht den Tod zu finden.
Der Wind war schneidend und strich unbarmherzig durch die Täler der
Hochmark. Der Winter kam früh. Eigentlich viel zu früh, und er würde sehr
lang und kalt werden. Obwohl die Menschen der Mark daran gewöhnt waren,
bereiteten sie sich in diesem Jahr besonders gründlich darauf vor. Überall auf
den Feldern um die Stadt Eternas wurde fieberhaft die zweite Ernte
eingebracht. Denn Getreide, das nicht innerhalb weniger Tage in den
Scheunen und Vorratshäusern lag, würde dem Frost zum Opfer fallen. Viel
früher als gewohnt wurden die Ställe ausgebessert und die Dächer darauf
überprüft, ob sie der Last von Schnee und Eis standhalten würden.
Es war früh am Morgen, und die Schritte des Mannes knirschten auf dem
Boden der kleinen Koppel, der von Reif überzogen war. Er war von schlanker
Statur und hatte sich eng in den grünen Umhang der Pferdelords gehüllt,
dennoch konnte er ein Frösteln nicht unterdrücken. An seinem rotbraunen
Helm mit dem goldenen Symbol des Pferdevolkes wippte bei jedem Schritt
ein blau gefärbter Rosshaarschweif auf und nieder. Dieser und der schmale
blaue Saum des Umhangs zeigten an, dass er ein Schwertmann der Hochmark
war. Und wie das goldene Symbol bewies, kein beliebiger, sondern der Erste
Schwertmann der Hohen Dame Larwyn, der Herrin der Mark. Er trug die
Verantwortung für die Sicherheit der Menschen hier und führte das Banner
Larwyns in die Schlacht.
Nedeam strich nachdenklich über die Holme des Gatters. Das einst glatte
und frisch geschälte Holz war nun rissig und dunkel. Die vielen Jahre waren
nicht spurlos an dem kleinen Gehöft vorübergegangen, der Geburtsstätte
Nedeams, wo er unter der Obhut des Vaters und seiner Mutter Meowyn
aufgewachsen war. Bis die Horden der Orks seinen Vater töteten und seine
Mutter schwer verletzten. Sie lebte nun in der Burg von Eternas und war eine
berühmte Heilerin geworden. Nedeam hingegen hatte das elterliche Gehöft
viele Jahre zusammen mit seinem älteren Freund und Mentor Dorkemunt
bewirtschaftet. Nun war Dorkemunt tot, gefallen im Kampf gegen einen
mächtigen Zauberer, und es gab nichts mehr, was Nedeam noch an das alte
Gehöft gebunden hätte. Die Witwe Henelyn und ihre beiden Söhne, die es
nach Nedeams Aufstieg zum Ersten Schwertmann gemeinsam mit Dorkemunt
bewirtschaftet hatten, lebten seit dem Tod des alten Pferdelords im
Hammergrundweiler.
Nedeam hörte ein unterdrücktes Hüsteln und blickte kurz zum Haupthaus
hinüber. Dort standen Elbort und seine Familie und erwiesen ihm ihren
Respekt. Trotz der Kälte harrten sie aus, denn sie wussten, dass der erfahrene
Kämpfer nun endgültig Abschied von den Jahren seiner Kindheit nahm.
Elbort war ein Pferdelord, aber kein Schwertmann. Daher stand er nicht
ständig unter Waffen, sondern ergriff diese nur, wenn die Losung des
Pferdevolkes gegeben wurde und die Mark verteidigt werden musste. Nedeam
unterdrückte ein leises Seufzen. Der Anblick der kleinen Familie erinnerte ihn
an die glücklichen Jahre seiner Kindheit, und er hoffte, dass ihr das Leid
erspart blieb, dem er schon zu oft gegenübergestanden hatte. Denn mit seinen
siebenunddreißig Jahren hatte Nedeam schon manchen Kampf gefochten.
Die Sorge um die Zukunft der Hochmark bedrückte ihn. Zu dem alten
Feind im Osten, dem Schwarzen Lord und seinen orkischen Legionen, war
ein neuer und heimtückischer Gegner hinzugekommen: Garwin, der Sohn der
Hohen Dame Larwyn, ein Verräter und Renegat.
Er zuckte zusammen, als seine Hand gegen einen Splitter in dem
verwitterten Holz stieß. Instinktiv zog er sie zurück, entfernte den Splitter und
ließ ihn achtlos fallen. Nedeam wusste, dass sich diese Wunde sehr rasch
wieder schließen würde.
Er seufzte erneut und versuchte, die schwermütigen Gedanken
abzuschütteln. Vielleicht wäre er besser nicht hergekommen, um von dem
alten Gehöft Abschied zu nehmen. Aber er fühlte sich dazu verpflichtet,
zumal der Abschied auch einem treuen alten Gefährten galt. Stirnfleck, einst
das Pferd seines Vaters, hatte Nedeam über viele Jahre treu gedient, doch nun
war endgültig die Zeit gekommen, da sich ihre Wege trennen mussten.
Nedeam stützte sich leicht auf das Gatter und blickte zu dem Hengst hinüber,
der ein wenig abseits auf der Koppel stand und ihn noch nicht bemerkt hatte.
Stirnfleck war hager geworden und auf einem Auge fast blind. Es betrübte
den Ersten Schwertmann zu sehen, wie kraftlos das Tier an den Halmen
zupfte. Für einen Moment war er versucht, zu dem alten Gefährten
hinüberzugehen. Doch es war wohl besser, es nicht zu tun. Die Trennung war
ihnen beiden schwergefallen, und ein Wiedersehen mit erneutem Abschied
würde den Schmerz nur vergrößern.
Nedeam nickte Stirnfleck schweigend zu und wandte sich dann ab.
Langsam ging er zum Haupthaus zurück, wo Elbort und seine Familie noch
immer ausharrten. Elbort wusste, was in dem Mann vor sich ging. Jeder
Reiter des Pferdevolkes hätte es nachempfinden können.
»Wir werden uns gut um Stirnfleck kümmern, Hoher Herr Nedeam«,
versicherte der Pferdelord. »Seid unbesorgt. Er wird in Ehren und in Frieden
altern.«
»Dessen bin ich mir gewiss«, erwiderte Nedeam leise. »Bei Euch ist er in
guten Händen, und das gilt auch für das Gehöft. Ich sehe, Ihr habt den Stall
ausgebaut, guter Herr Elbort.« Der Erste Schwertmann nickte anerkennend.
»Das Dach wird jeder Schneelast standhalten.«
»Wir bekommen noch ein paar Schafe vom Horngrundweiler.« Elbort
lächelte Frau und Kindern zu. »Enyana versteht sich darauf, gute Wollfäden
zu spinnen. Das bringt noch immer Gewinn, trotz der feinen Tücher, die man
inzwischen aus dem Reich Alnoa erhält.«
»Ja, das Pferdevolk weiß gutes Wolltuch zu schätzen.« Nedeam strich
unbewusst über seinen grünen Umhang, der bis fast auf den Boden reichte.
»Nun, guter Herr Elbort, es ist an der Zeit zurückzureiten. Mir bleibt nur
Читать дальше