Jetzt war seine Nichte echt entsetzt. „Was? Aber…! Nein, das geht nicht! Niemals! Mom?“ Sie schaute ihre Mutter hilfesuchend an.
Kate verdrehte nur stöhnend die Augen. „Ihr seid wie Hund und Katze!“ rief sie. „Aber jetzt ist Ruhe! Theresa?“ Sie wartete, bis ihre Tochter sie wieder ansah. „Frank hat Recht! I-Ah muss in die Wäsche. Die nächste Runde ist seine!“ Sie sah ihre Tochter mit großen Augen an, bis diese widerstrebend nickte. Dabei warf sie ihrem Onkel einen bösen Blick zu, der daraufhin mit breitem Grinsen sein Kinn vorschob. „Und du Frank!“ Kate sah ihren Bruder mit ernster Miene an. „Du trägst deine Sachen zu lange. So bekomme ich bestimmte Flecken nur noch sehr schwer raus!“ Frank verlor sein Grinsen und blickte beschämt. „Und wenn du auf den Umschlag in der Hosentasche anspielst…!“ Sie sah wie er plötzlich seine Augen aufriss. Daraufhin öffnete sie einen der Hängeschränke und holte den weißen Umschlag, den Arturo ihm gestern gegeben hatte und auf dem sein Name mit schwarzer Tinte geschrieben stand, heraus. „Den habe ich natürlich vorher rausgenommen!“ Sie warf ihm einen tadelnden Blick zu und schüttelte mit verzogenen Mundwinkeln den Kopf, während sie ihm den Umschlag reichte. Frank war sofort sichtlich erleichtert und riss ihn ihr förmlich aus der Hand. „Hat das eine Frau geschrieben?“ fragte seine Schwester neugierig.
Frank war jedoch so fixiert auf den Umschlag, dass er ihre Frage nur am Rande registrierte. „Was?“
„Deinen Namen!“ Kate deutete mit dem Kopf auf den Umschlag. „Hat das eine Frau geschrieben?“
Frank schaute seine Schwester verblüfft an. Darüber hatte er sich nie Gedanken gemacht. Aber eigentlich war er immer davon ausgegangen, dass Arturo ihre Namen auf die Umschläge schrieb.
„Also ich finde, dass ist eine weibliche Handschrift!“ Kate nickte zur Selbstbestätigung und ein sanftes Lächeln erschien auf ihren Lippen. Dabei drehte sie sich zu Theresa und zwinkerte ihr zu, woraufhin auch das junge Mädchen lächeln musste.
„Das…!“ Arturo und feminin? Plötzlich lächelte Frank geheimnisvoll. „Ja, du hast Recht!“
„Oh!“ Kate war sichtlich überrascht. „Wow!“ Sie zog die Augenbrauen in die Höhe.
„Du hast einen Liebesbrief bekommen?“ stieß Theresa hervor und schaute ihren Onkel mit großen Augen beinahe geschockt an.
„Was?“ Franks Lächeln wurde zu einem verzogenen Grinsen. „Nein!“ Er schüttelte den Kopf und prustete die Luft aus den Lungen. „Blödsinn!“
Doch so jung seine Nichte auch noch war, sie durchschaute ihn sofort. Ihr Blick wurde ernst und musternd. „Hast du doch!“ beharrte sie und grinste dann über beide Ohren. „Hast du doch!“
„Also wirklich!“ Frank spielte den Ertappten, um von der Wahrheit abzulenken. „Mädels, man kann aber auch nichts vor euch geheim halten!“ Er wirkte beeindruckt.
Kate und Theresa grinsten sich breit an.
„Wir lieben dich und gönnen dir das!“ sagte seine Schwester und seine Nichte nickte dazu.
„Das weiß ich!“ Frank lächelte. „Aber eigentlich ist das gar kein Liebensbrief, sondern nur…eine Einladung zu…einer Party!“ Ihm fiel das Treffen mit di Maria ein. „Morgen Abend!“
„Aha!“ Kate zog die Augenbrauen in die Höhe und nickte.
„Aber sie ist süß!“ fügte Frank sofort hinzu. „Und ich wäre nicht abgeneigt!“
„Na dann…!“ Kate grinste wieder und schaute zu ihrer Tochter. „…wünschen wir dir alles Gute dafür!“
„Klar!“ bestätigte Theresa trocken. „Lass krachen, Onkel Frank!“
Daraufhin erschallte von den beiden Erwachsenen einvernehmlich lautes Gelächter.
„Alles klar!“ rief Frank. „Ich geh mich dann erst mal anziehen!“ Und damit verließ er die Küche.
Anziehen war in diesem Fall jedoch nicht ganz richtig, denn Franks erster Weg war erneut das Badezimmer, wo er seinen Körper zunächst einer Dusche unterzog. Da er sich immer noch müde und matt fühlte, aber keine Lust mehr auf Schlaf hatte, sollte eine vernünftige Handvoll Wasser Erfrischung bringen.
Das tat sie auch und Frank fühlte sich danach gleich um einiges wohler.
Wieder in seinem Zimmer zog er sich frische Wäsche an und verstaute den Umschlag dann sicher in seiner Jackentasche.
Hiernach verspürte er Hunger und er beschloss zu frühstücken.
Auf dem Weg zur Küche kam er an Kates Zimmer vorbei. Die Tür war einen Spalt geöffnet und er konnte zufällig seine Schwester darin erkennen. Da er nicht allein sein wollte, wollte er sie fragen, ob sie noch eine Tasse Kaffee mit ihm trinken mochte, doch als er seinen Oberkörper in das Zimmer schob, verschlug es ihm beinahe die Sprache.
Kate war wohl gerade dabei, sich ebenfalls anzuziehen und streifte sich in diesem Moment ihren Pyjama ab. Darunter war sie bis auf einen Slip vollkommen nackt.
Das an sich war jedoch noch nichts Besonderes. Kate und Frank hatten ein inniges Verhältnis und sich gegenseitig schon mehrfach so gesehen. Doch als ihr Bruder sie jetzt so erblickte, erschrak er sichtlich.
Frank wusste, dass Kate eine schöne, nein, sogar eine wunderschöne Frau war und er war immer stolz auf das Aussehen seiner Schwester gewesen. Seinen Geschmack bei Frauen hatte sie unbewusst mitgeprägt. Kate war stets schlank, sportlich aktiv und besaß feste Formen. Ihr Busen füllte eine Männerhand. Auch hatte er durch sie eine Vorliebe für längere Haare entwickelt, ebenso trug Kate gern feminine Kleidung, sodass auch Frank dies bei anderen Frauen mochte.
All das aber war gewesen, bevor Kate erkrankt war. Und so sehr sich diese unglaublich starke Frau auch dagegen wehrte – und Frank sie dafür unendlich bewunderte – so konnte sie die Auswirkungen ihrer Krankheit mit zunehmender Dauer nicht mehr kaschieren.
Anfangs waren diese Veränderungen kaum wahrnehmbar. Obwohl ihr Körper schwächer wurde, trieb sie weiterhin Sport – bis sie es übertrieb und einen Zusammenbruch erlitt. Hiernach war Sport kein Thema mehr, doch das führte dazu, dass der körperliche Verfall schneller zunahm. Mittlerweile hatte Kate ihren gutbezahlten Job bei einer Werbeagentur verloren. Das stürzte sie in ein tiefes Loch, denn neben der Tatsache, dass ihr ein wichtiger Teil ihres Lebensinhalts genommen wurde, machten sich Existenzsorgen für sich und für Theresa breit. Da ihre Eltern früh gestorben waren, war Frank ihr einziger näherer Verwandter. Und Palmer war sich seiner Verantwortung sofort bewusst. Da er seine Schwester wirklich und sehr liebte, war für ihn der Einzug in eine gemeinsame Wohnung eine absolute Selbstverständlichkeit, denn so konnte er sich mit um Theresa kümmern und auch um Kate, wenn die Krankheit wieder einmal einen ihrer tückischen Schübe hatte und ihr aller Leben von einer Sekunde zur nächsten durcheinanderwirbelte.
Kates Zustand beraubte sie aber nicht nur ihres Jobs, sondern nach und nach auch ihrer Freunde – und somit der Männerwelt, die kaum noch Interesse an ihr zeigte. Damit endete dann auch irgendwie Kates feminine Einstellung, denn sie zeigte sich nur noch in Jeans und Sweatshirts oder Pullovern, ließ sich ihre wundervolle Haarpracht abschneiden und benutzte nur noch selten und dann auch nur wenig Make-up.
Zum heutigen Tag war die grausame Diagnose fast fünf Jahre her. Seither gab es ein ständiges Auf und Ab, was Kate Befinden anging. Es gab Zeiten, da fühlte sie sich wohl und es war fast so, als wäre alles Okay. Dann aber tat die Krankheit einen ihrer gefürchteten Schübe und Kate musste ins Krankenhaus gebracht und versorgt werden, wieder zu Kräften kommen, um sich dann auch zuhause noch eine Zeitlang zu schonen, bevor das Leben wieder seinen normalen Gang gehen konnte.
Eines aber blieb seit dem Moment der Diagnose stets vorhanden: Kates Körper zerfiel mit jedem neuen Tag immer mehr und hatte jetzt, da Frank sie zum ersten Mal seit langer Zeit wieder einmal nackt sah bereits ein erschreckendes Maß angenommen.
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