Dienstags Frauen, was nun
Irgendwann sind wir wieder fest eingeschlafen und jemand klopfte an unsere Tür. Durch das kleine Fenster konnten wir sehen, dass es schon dämmerte. Ich ging mit meinem Kurzschwert an die Tür und sah, dass Dienstag draußen stand und gar keinen glücklichen Eindruck machte. Ich ließ ihn in die Küche und da stammelte er immer wieder: „Seine Golombka und die Kotschka, seine Lebensgefährtin und seine kleine Schwester. Wir zogen uns warm an und gingen mit ihm in seine Behausung. Und da zeigte er uns immer wieder, wenn ich seine Handbewegungen richtig deute, waren es die vielen Blitze, die sie die Tür aufmachen ließen und beide nach draußen entschwanden und bis jetzt nicht zurückkamen. Ich ging hinaus, um eventuelle Spuren im Schnee zu finden. Da war nicht mehr viel zu finden, denn der Hagel hat eine starke Eisschicht über den Schnee gelegt und darunter so ziemlich alles, was uns eventuell zur Aufklärung hätte helfen können unkenntlich verwischt. Unwillkürlich schaute ich zum grauen Himmelszelt und sagte recht laut zu meinem Chef da droben: „Wenn uns einer jetzt noch helfen kann, dann bist du es allein.“ Und da sagte mir meine innere Stimme, die Stimme des Himmels: „Geh mal in den Pferdestall zu deinen Pferden!“ So schnell ich auf dem eisglatten Boden gehen konnte eilte ich zum Pferdestall. Zu meinem Staunen merkte ich, dass die Stalltür nicht abgeschlossen war, obwohl ich ganz genau weiß, dass ich sie gestern Abend abgeschlossen habe. Man wird doch nicht etwa mit einem einzigen Schlüssel alle Türen hier in der kleinen Siedlung auf- und zuschließen können?
Und wer saß da in der einen Ecke im Stroh und schlief ganz fest? Es waren beide Frauen, die große Golombka und die kleine Kotschka, die bass erstaunt waren, als wir sie weckten, dass sie noch leben. Zwischen den dreien fand ein sehr erregtes Gespräch statt, von dem ich aber auch gar nichts verstand, warum und wieso. Vielleicht hatte ihr Verschwinden beim Eisgewitter doch etwas mit ihrem slawischen Götter- oder Aberglauben zu tun? Aber ich bin mir auch ziemlich sicher, dass ich es einmal von Dienstag erfahren werde! Als nächstes probierte ich mit dem Pferdestallschlüssel Dienstags Haustür auf- und zuzuschließen; er passte. Dann versuchte ich mit dem Pferdestallschlüssel alle unsere abschließbaren Türen an allen Räumen auf- und zuzuschließen und es klappte prima. Auweia, mein Hafer und die Goldfische in der Wagenremise auf dem Wagen, wie sicher seid ihr da noch? Und das nächste Frischfleisch am Flaschenzug in dem Werkraum, das da zum Abhängen hängt? Da müssen schleunigst einige neue Schlösser her, die ich dann, wenn wir weiter fahren wieder auswechseln kann. Vorerst stellte ich die drei sehr weh tuenden Mausefallen in drei offene Säcke auf den Hafer, während die anderen Hafersäcke zugebunden bleiben. Wenn ein Hafer Spitzbub mit seinen Fingern in die zuklappende Mausefalle gerät, geht dieser Fang ganz bestimmt nicht nur unblutig, sondern auch sehr schmerzhaft ab! Dann ging ich in unsere Küche zu Didilind und erzählte ihr alles, was heute Nacht bei Dienstag im Häuschen passiert ist, auch das kleine Ausreißerabenteuer der beiden jungen Dienstagsmädchen und dass wir mit einem Schlüssel alle Türen in unserer kleinen Siedlung auf- und zuschließen können. „Das heißt, während wir glauben, sicher, und abgeschlossen schlafen zu können, kann jeder, der nur einen Schlüssel von hier hat, uns zu ganz armen Leuten machen und mit allem was wir haben, sicher davon fahren. Ich meine, ich müsste jetzt noch mit Thor hinunter in den Flecken reiten und vier verschiedenen Schlösser kaufen, zu denen kein hier verwendeter Schlüssel passt und schnellstens bei der Wagenremise, denk an unsern Wagen mit all den vielen Goldfischen, beim Werkraum mit dem Mahlraum dahinter mit dem Aufgang zum Schüttboden, beim Pferdestall mit all unseren Pferden und an unserer Haustür die Schlösser auswechseln.“ Da sagte Didilind zu uns, leicht schmunzelnd: „Wenn du glaubst unbedingt hinunter zu müssen, dann können wir auch mitfahren und auf dich aufpassen, dass dich niemand entführt. Und vielleicht finden wir doch noch das eine oder das andere, an das wir gerade nicht denken.“ Ich ging noch vor dem Frühstück in den Pferdestall, gab den Pferden frisches Heu und zwei Eimer Wasser, holte vom Wagen in zwei Eimern bisschen Hafer für die beiden Pferde, die uns zum Flecken bringen sollen und fragte dann Dienstag, ob er mit in den Flecken fahren wolle. Er verneinte, aus mir verständlichen Gründen meine Frage. Also konnten wir zu dritt heute hinunterfahren. Nach unserm Frühstück spannte ich Thor und Odin an den Schlitten, gab ihnen die extra Haferportion, zog meine warmgefütterte Pelzgarnitur an und mit den zwei sehr warm in ihren Pelzen angezogenen Mädchen verließ ich unsere Hütte, schloss sie ab und bat sie aufzusteigen. Doch Luzia fragte mich, ob sie auch heute auf dem Schlitten den Kutscher spie-len darf, denn das ist schon mal ein nicht alltägliches Erlebnis auf dem Schlitten auch mal den Kutscher zu spielen. Ich schaute Didilind sehr fragend an, denn ich war fest überzeugt, dass sie auf dem Schlitten heute den Kutscher spielt und ich locker mich hinten platzieren werde. Doch Didilind nickte zustimmend. Die beiden Mädchen nahmen vorne Platz und ich hinten, als der Graf Kox von Habenichts. Da ich mit meinem Universalschlüssel schon alles abgeschlossen habe, konnte unsere Abfahrt in Richtung Markt beginnen. Luzia hat sicher, so eine Schlittenfahrt mit lautem Geläut und noch dazu als Kutscher, in ihrem ganzen kurzen Leben sicher noch nie er-lebt, wie die Pferde samt Schlitten regelrecht über den eisbezogenen Schnee dahinschwebten und dazu das ununterbrochene Geläut der kleinen Glocken am Geschirr der beiden Pferde. Ich konnte sie von hinten bestens beobachten und hatte so den Eindruck, dass sie sich im Himmel sicher nicht besser fühlen kann, denn ihr Gesicht glühte förmlich von innerlicher Ergriffenheit und begeisternder, aufregender Teilnahme. Im leichten Dauertrab kamen wir unten an die Kreuzung. Auch heute konnte man noch nicht nach links abbiegen, denn der umgekippte Baum versperrte die Einfahrt. Als wir uns der Kreuzung näherten rief ich: „Gerade aus, bitte!“ Nach fünfzehn Mi-nuten etwa sahen wir auch schon die Silhouette, das Ziel unserer Reise. Luzia lenkte den Schlitten wunderbar in und durch den Flecken direkt zum Wochenmarkt. Die zwei Pferde samt Schlitten stellten wir auf dem Pferdeparkplatz ab. Da die Pferde leicht ins Schwitzen kamen, deckte der Parkwächter die beiden Vierbeiner mit einer warmen Decke ab und gab ihnen zur Belohnung einen Futterbeutel.
Ich nahm noch meinen Rucksack vom Schlitten und ab ging es zunächst zu einem Schlosser wegen der Türschlösser. Und er hatte tatsächlich sechs verschiedene Schlösser. Das heißt, alle sechs Schlösser hatten verschiedene Schlüssel, und der mitgebrachte Schlüssel passte zu keinem der neuen Schlösser. Für die sechs Schlösser, samt zwei Schlüsseln für jedes Schloss, habe ich eine Goldflocke bezahlt und alles in meinem großen Rucksack verstaut. Didilind meinte dann, dreißig Eier, ein Klumpen Butter, einen Salzhut und zehn Pfund Nudeln würden uns glatt über die nächste Woche hinweghelfen. Beim Bezahlen sagte uns der Bauer: „Ich gebe euch noch zehn Eier und ihr gebt mir eine halbe Goldflocke. Didilind nickte zustimmend und ich brach eine Goldflocke in zwei gleichgroße Hälften. Eine davon bekam der Bauer, die er sich selbst aussuchte, die andere Hälfte verschwand in meinem Lederbeutel und dann in einer meiner warmen, pelzgefütterten Hosentaschen. Didilind schaute so fragend auf die Eier, dann in die Luft und machte mich auf die Eier aufmerksam, die bestimmt, bis wir heimkommen, einen kleinen Frostschaden abbekommen und platzen! „Vielleicht schauen wir einmal, ob wir nicht ein warmes Tuch bekommen, mit dem wir die Eier zudecken können, obwohl sie ja schon in einer Stofftasche sind?“ Salz und Butter packte ich noch in meinen Rucksack, Eier in die linke Hand und Nudeln in die rechte Hand und ab ging es zum Stoffhändler. Hier erwarb Didilind für die zweite Hälfte der Goldflocke eine warme, nicht zu klein geratene Wolldecke, mit der ich nicht nur die Hühnereier auf meinen Knien in der Stofftasche zudecken konnte, sondern auch meine Knie auf der Hinterpartie im Schlitten. Am Pferdeparkplatz bezahlte ich meine Schulden fürs Parken, die Futterbeutel und die Tränke. Er wollte eine viertel Goldflocke, doch ich gab ihm meine zweite halbe Goldflocke von vorhin. Der Parkwächter war so ergriffen, dass er beiden Pferden noch eine fast doppelte Portion Hafer pur gab. Ich glaube, dass sie für die Rückfahrt die extra Portion sicher verarbeiten werden. Luzia spielte wieder die Kutscherin, Didilind die Beisitzerin und ich den Loganten mit den Eiern auf den Knien, alles zugedeckt mit der warmen Decke auf der Rückbank, der sich genüsslich durch die verschneite und teilweise immer noch vereiste Landschaft gleiten ließ.
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