Dienstag hat inzwischen den Pferden im Stall bisschen Heu nachgelegt und frischem Wasser nach gefüllt. Dann fragte ich ihn mit allen Mitteln, die mir zur Verfügung standen, wann wir Matula beerdigen wollen und wann verarbeiten wir das im Werkraum hängende Fleisch. Ich meinte, was seine Matula anbelangt, wir sollen sie nach dem Frühstück versuchen zu beerdigen, soweit der Boden noch nicht zugefroren ist, und dann am Nachmittag zunächst die Vorderkeulen grillen. Nach dem Frühstück ging ich bewaffnet mit einem Pickel und einem Spaten zu Dienstag, um einen Platz für Matulas Grab zu finden. Ich begann danach bald mit dem Ausschachten. Zum Glück war der Boden unter dem Schnee noch nicht sehr tief gefroren und so hatte ich, als Dienstag kam, schon das Grab gut einen Meter tief ausgehoben. Ich ging dann, um Didilind und Luzia zur kleinen Beisetzungsfeier zu holen und gingen zusammen zu Dienstag ins Haus. Die zwei Weiblein standen gebeugt über der toten Matula und weinten herzerbrechend, was ich vollauf verstehen konnte, denn man hat nun mal nur eine Mutter, und die zu verlieren ist keine halbe Sache! Ich machte mit meiner rechten flachen Hand ein großes Kreuzzeichen über sie, wickelten sie in den Bettlaken auf dem sie schlief und trugen sie hinaus. Beim Hinaustragen bestand Dienstag darauf, dass er die vordere Hälfte seiner Mutter auf seinen Schultern trägt und ich die hintere Hälfte. Wie er mir später sagte, ist die obere Hälfte die wertvollere Hälfte, nämlich die Hälfte mit dem Kopf und dem Herz. Als wir am offenen Grabe ankamen, haben wir sie noch einmal auf die Erde gelegt, den Kopf freigelegt und ihre beiden Kinder aber auch ihre Schwiegertochter konnten noch einmal sich schmerzvoll von ihr auf nimmer Wiedersehen hier auf Erden verabschieden, was verständlich sehr lange gedauert hat. Der Bettlaken um ihren Kopf herum war von ihren Tränen schon steif gefroren. Ich versuchte einen nach dem andern wieder aufzurichten und deckte, so gut es noch ging, ihren Kopf zu. Didilind packte sie unter die Füße und ich unter ihre Schultern und ganz sachte ließen wir sie in das Grab fallen. Dann bekannten wir für sie unseren Glauben, sprachen für sie das Gebet, das uns der Herr zu beten gelehrt hat. Ich bat dann noch unsern Chef da oben, dass er ihrer armen Seele, die heute Nacht zu ihm zurückgekehrt ist, ein gnädiger Richter sein wolle, denn sie hat ja so gelebt, wie sie es von klein auf vorgelebt bekam und noch nichts von dir und deinem Sohn gehört hat. Lass sie bei dir mit ihren beiden mir bekannten Angehörigen, die auch ich auf eine unliebsame Art habe kennen lernen dürfen, die ewige Freude, den ewigen Frieden bei dir in alle Ewigkeit feiern Amen. Dann machten wir alle gemeinsam über dem offenen Grab das Kreuzzeichen und sprachen dabei die Worte: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes Amen.“ Noch ein kurzer Wiedersehensblick ins noch offene Grab und dann begannen wir, so schwer es uns fiel, das Grab wieder zuzuschütten. Schweigend gingen wir zu unseren Hütten. Ich stellte Picke und Spaten wieder in den Werkraum und brachte einen vollen Arm abgelagerte Holzscheite mit in die Küche, denn heute Nachmittag wird wieder viel Holz zum Grillen benötigt. In der Küche habe ich Didilind gefragt, ob sie etwas von den Gerids und den Dennis Leuten während der Beerdigung mit bekommen hat, was sie vernein-te. „Sollten sie diese Vormittagseinlage wirklich verschlafen haben? Oder sind sie wegen der nicht angekündigten Schlittentour so eingeschnappt, dass wir ihrer nicht würdig sind. Machen wir erst mal die Mittagpause. Nach dem Mittagessen sieht die Welt mit einem vollen Magen wieder ganz anders aus. Am andern Ende unseres Holzstadels habe ich einen stabilen Holzschlitten zum Transport von Holz aus dem Wald entdeckt, der von Menschen leer im flachen Land gezogen wurde; beladen mit Holz bergab fuhr er alleine, und von einem Waldarbeiter gesteuert wurde. Nach dem Essen kam Dienstag zu mir und ich zeigte ihm den Schlitten. Gemeinsam haben wir ihn ins Freie gebracht, sauber gemacht und vor den Werkraum gefahren, direkt unter den oben baumelnden Ur. Dann breiteten wir ein Leinentuch unterm Ur auf dem Schlitten aus und trennten die Vorderhälfte von der Hinterhälfte ab, spaltete sie in zwei gleichgroße Teile und luden sie auf den Schlitten.. Eine Hälfte fuhren wir zu uns und legten sie Didilind auf den Küchentisch. Ich fragte Didilind, ob sie eventuell, falls die beiden da drüben mit dem grillgerechten Zerlegen und dem Salzen der Keule nicht klar kommen, helfen würdest, was sie bejahte. Wir fuhren mit der zweiten Keule zu Dienstag, die mir zu verstehen gaben, dass sie zu dritt sicher mit dem Zerlegen der Keule in grillgerechte Portionen, dem Einsalzen der Stücke und das Aufspießen auf dem Grillspieß zurecht kommen werden. „Falls Hilfe gebraucht wird, kommen wir fragen!“ Den Schlitten habe ich vorerst vor dem durchgekühlten Werkraum abgestellt, und ihn dann abgeschlossen. Didilind wartetet auf mich, denn sie war schon mit Luzia beim Aufspießen der nicht zu klein geratenen und gesalzenen Fleischbrocken auf den Grillspieß, was für Luzia langsam zu schwer wurde. Mit vereinten Kräften haben wir den Grillspieß überm Feuer in die Halterung verfrachtet und das Drehen konnte langsam beginnen. Da die Stücke nicht zu klein waren, und der Ur nicht mehr zu den Jüngsten gehörte, habe ich schon mal drei Stunden für die erste Grillportion eingeplant. Die erste Stunde habe ich gedreht. Dann durfte ich für etwa eine halbe Stunde hinaus zu den Pferden, die ich alle hinaus in den Schnee ließ. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Thor hier draußen etwas nicht gefiel, denn er durchfuhr mit erhobenen Nüstern die Luft, als wollte er etwas sichern. Ich eilte schnell in unsere Hütte, nahm Bogen und Köcher und eilte wieder nach draußen. Da sah ich auch schon die Ursache, warum Thor eben noch in der Luft herumschnupperte: Wölfe kamen aus dem Wald, direkt neben Matulas Grab auf uns zu. Ich rief Didilind, dass auch sie mit ihrem Bogen und dem Köcher kommen möge. Ich schickte sie vor die Pferdestalltür, um notfalls im Stall verschwinden zu können und sagte ihr noch: „Immer auf den Brustkorb zielen!“ Weiter kam ich nicht, denn der erste war schon in meinem Schussbereich, der getroffen sich regelrecht in der Luft überschlug. Aber auch Didilind hat dem ihr am nächsten das Lebenslicht ausgeblasen. Didilind hat noch dreien das Lebenslicht ausgepustet und ich noch zweien. Nachdem sieben da blutend im Schnee lagen, haben die vier anderen die weitere Jagd nach den Pferden aufgegeben und räumten kampflos das Feld. Unsern Pferden, den großen wie den kleinen ist, nach diesem Wolfsabenteuer die Lust zum weiteren Herumtollen draußen im Schnee vergangen. Im Gänsemarsch marschierten sie in den Stall und ich machte die Tür zum Stall wieder zu. Dann zog ich die Wölfe einen nach dem andern in Richtung Wagenremise, denn die Wölfe müssen noch heute nackig ausgezogen werden. Die sieben Winterfelle, die bisher nur ein Einschussloch aufweisen, sind an und für sich sehr wertvoll. Und die nackten Kadaver wiederum stillen den Hunger der eigenen, davongelaufenen Rasse. Aber zunächst erst mal in die Küche, denn da werde ich bestimmt einen müde gewordenen Dreher abwechseln müssen. So war es auch. Beim Drehen konnte ich durch das kleine Küchenfenster sehen was sich da draußen auf der Lichtung abspielt. Da ritten doch zwei Männer hoch zu Ross in voller Kriegsmontur in Richtung Wald. Auweh, das sind ja Dennis und Gerid! Da wünsch ich euch schon mal Weid-manns Heil im Wald. Es war schon fast dunkel, als die beiden wieder zurückkamen und in ihrem Schlepptau einen recht kapitalen Hirsch hatten. Recht großspurig klopften sie an unsere Tür und fragten mich, ob ich nicht für das Geweih ihnen den Hirsch abziehen möchte. Ich bedankte mich auch sehr großzügig für das Angebot und sagte ihnen, dass ich noch sieben ausgewachsene Wölfe Abziehen muss. „Ich bin bis morgen Abend voll ausgelastet und außerdem haben wir noch eine Hinterhälfte des Ur zum Grillen.“ „Deshalb riecht es schon heute so gut bei euch“, sagte Gerid. Und ich sagte ihm: „Was ihr hier glaubt, was da so gut riecht, ist das Vorderviertel, das gerade jetzt gegrillt wird“, sagte ich ihm. „Ansonsten bin ich immer gern bereit, den Armen und Hilfsbedürftigen zu helfen. Aber das werdet ihr ja verstehen, dass die eigene Arbeit Vorfahrt hat, zumal der Ur ja heute schon den zweiten Tag auf unserm Flaschenzug hängt. Ansonsten einen schönen Abend beiderseits und viele ganz liebe Grüße an die Gemahllinnen, die sich doch bitteschön nicht die Finger schmutzig machen werden,“ sagte ich, mit der rechten Hand ihnen noch zuwinkend und verschloss die Haustür. Hier half ich Didilind beim herausnehmen der Grillstange, denn das Fleisch darauf war fertig. Die nächste Grillstange war sehr schnell wieder bestückt und lag wieder in den Halterungen über dem Feuer. Ich spielte den ersten langen Dreher. Dann hat Luzia das Amt des Drehers übernommen und Didilind spielte den dritten Dreher. Während die beiden Mädchen die bespickte Grillstange drehten, habe ich drei Wölfe mit Hilfe unseres Handkrans am Wagen nackig ausgezogen. Die nassen Felle zum Trocknen über die Wagendeichsel gehängt und die drei nackten Tiere den Wölfen zum Fraß auf das andere Ende der Lichtung gefahren. Ich löste Didilind beim Spießdrehen ab und sie zerlegte das restliche Fleisch und meinte, dass wir das restliche Fleisch heute nicht mehr grillen müssen, das wird ganz einfach kühl gelagert und dann roh verkocht. „Das heißt Didilind, dass ich bald wieder hinausgehen kann und die Wölfe weiter zur Nachtruhe ausziehen kann“, sagte ich scherzend zu ihr. Und sie meinte: „Wenn du noch zehn Minuten fleißig drehst, kannst du deine Wölfe weiter ihrer kostbaren Bekleidung berauben!“ Ich glaube es hat keine zehn Minuten gedauert und ich war wieder bei meinen schon kalten Wölfen. Den letzten Wolf habe ich blindlings im Dunkeln abgezogen. Alle vier nackten Wölfe habe ich zu den andern drei gefahren, musste aber feststellen, dass nur zwei nackte Wölfe noch da lagen; den dritten haben sie wahrscheinlich schon in den Wald gezerrt, wo es zum Fressen sicher sicherer und viel ruhiger war als hier.
Читать дальше