1.12 Den Mainstream der Kundenanforderungen erkennen
Der Titel eines Blog-Beitrags - "People Don’t Dislike Sales People, They Dislike Bad Selling!" - ist auch auf die Arbeit des Pharma-Außendienstes anwendbar. Die Ergebnisse des Sales Talk Insights-Projektes (Wie Ärzte die Informationsgespräche des Pharmazeutischen Außendienstes empfinden) zeigen eine von Ärzten als deutlich zu gering eingestufte Betreuungsqualität (vgl. Abb.). Die Hauptgründe: fehlendes Kundenzufriedenheits-Monitoring und falsch ausgerichtetes Kundenmanagement (Best Practices im Pharma-Außendienst: Ausschöpfung ungenutzter Erfolgspotenziale durch Kunden-Assessment und B2B-Konzepte). Die Lösung: eine konsequente Umsetzung des Delving-Ansatzes (Was Pharma-Außendienstmitarbeiter von Archäologen lernen sollten: Die Delving-Strategie für professionelles Pharma-Kundenmanagement). Nur eine Arztnutzen-basierte Strategie kann verhindern, dass der Außendienst durch Internet-Informationsangebote ersetzt wird (Wie ersetzbar ist der pharmazeutische Außendienst aus der Sicht niedergelassener Ärzte? Ergebnisse einer Exploration), eine Tendenz, die bereits sehr ausgeprägt ist und der auch durch den Einsatz neuer Medien in der Außendienst-Kommunikation nicht entgegengewirkt werden kann (Wie hat sich die Informations-Qualität der Gespräche mit Pharma-Referenten durch den Einsatz von Tablet PCs verändert?).
1.13 Was Pharma-Außendienstmitarbeiter von Archäologen lernen sollten: Die Delving-Strategie für professionelles Pharma-Kundenmanagement
„…wenn Archäologen wie Pharma-Außendienstmitarbeiter arbeiteten, würden wir nur die Hälfte unserer Vergangenheit kennen…“
Die Arbeit von Archäologen ist vor allem durch einen als Deving-Strategie (to delve: forschen, entdecken, vertiefen) bezeichneten Handlungsansatz gekennzeichnet, Er basiert darauf, nichts als gegeben anzusehen, sondern selbst bei spektakulären Entdeckungen kontinuierlich weiter zu forschen, um so immer mehr Informationen und Einblicke zu erlangen. Ganz anders gestaltet sich die kundenbezogene Informationssuche in der Verkaufsrealität des Pharma-Außendienstes. Viele Pharma-Außendienstmitarbeiter arbeiten weit unter den Möglichkeiten, die sich ihnen bei ihren Zielpersonen bieten. Der Grund: sie wissen für eine umfassende Ausschöpfung und Entwicklung der Kundenpotentiale zu wenig über ihre Ansprechpartner. Dieses Defizit betrifft nicht nur neue, sondern auch etablierte Pharma-Referenten und –Berater mit längerfristig existierenden Kundenbeziehungen. Die Ursachen:
- Eigen- und Fremdbild differieren zum Teil sehr stark und verstellen die Sicht auf die Kundenrealität. Das führt dazu, dass im Durchschnitt nur 63% der Kundenanforderung erfasst werden und die Beurteilung der Kundenzufriedenheit aus Arzt- und Außendienst-Sicht sich nur zu 54% deckt.
- Arztpraxen, aber auch Krankenhäuser werden mit einem falschen Ansatz betreut. So ist die unternehmerische Komponente für ein erfolgreiches ärztlich-medizinisches Handeln immer wichtiger geworden, die Außendienstbetreuung geht hierauf bislang jedoch kaum oder gar nicht ein, da in den Firmen in diesem Bereich kein Know-how aufgebaut oder ein Aufbau für nicht wichtig erachtet wurde.
Die Lösung bietet eine Pharma-spezifisch ausgerichtete Delving-Strategie mit drei Bausteinen:
- Durchführung regionaler Kundenzufriedenheitsanalysen, die Bedarfs- und Zufriedenheits-Strukturen identifizieren sowie die Deckungsgleichheit von Eigen- und Fremdbild sicherstellen,
- Monitoring von Kunden-Mikro-Trends, um Entwicklungen frühzeitig erkennen,
- Umsetzung von B2B-Modulen, die die unternehmerische Tätigkeit der Ärzte unterstützen, z. B. Hilfen für ein Adhärenz-zentriertes Praxis- und Klinikmanagement, bei denen Außendienstmitarbeiter als Adhärenz-Development-Manager agieren.
Voraussetzung einer erfolgreichen Umsetzung der Delving-Strategie sind eine tragfähige Kongruenz und intensive Abstimmungen zwischen Innen- und Außendienst.
1.14 Backward-looking: Strategische Pharma-Vertriebsentwicklung
Retrograder Blickwinkel bei der Zukunftsgestaltung des Außendienstes
Betrachtet man die Leitsätze pharmazeutischer Anbieter, so ist neben dem Aspekt der Patientenorientierung vor allem die Zukunftsausrichtung ein elementarer Baustein. Betrachtet man die zugehörigen Entwicklungs-Perspektiven für den Vertrieb, dominiert eine eher rückwärtsgerichtete Sicht.
Verfolgt man die Debatte über die zukünftige Rolle des Pharma-Außendienstes, wird immer wieder darüber gesprochen und geschrieben, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusätzliche Fähigkeiten entwickeln müssen. Dieser Denkansatz basiert darauf, dass das existierende Aufgaben-Spektrum weitgehend erhalten bleibt und für eine Perspektiv-Entwicklung lediglich ergänzt werden muss. Doch dieser bestandswahrende Ansatz engt die Sichtweise ein und schließt eine Vielzahl von Möglichkeiten bereits im Vorfeld aus. Erforderlich ist, das gesamte Aufgabenprofil zunächst einmal grundsätzlich in einem Strategie-Assessment zur Disposition zu stellen, um dann entscheiden zu können, welche Aktivitäten und Ausrichtungen in welcher Kombination zeitgemäß und zukunftsorientiert sind. Es geht also nicht um die Frage, welche Zusatzqualifikationen benötigt werden, sondern um die Klärung, auf welche Kernkompetenzen es in den kommenden Jahren ankommt. An dieser Stelle der Argumentation wird häufig darauf verwiesen, dass doch nicht alles schlecht war, was bislang mit Hilfe des Vertriebs realisiert wurde. Doch Aspekte wie die geringe Erfüllung von Arztanforderungen, gravierende Eigen- / Fremdbild-Diskrepanzen von Pharma-Referenten, ein hohes Internet-Substitutionspotential und die wachsende Aversion niedergelassener Ärzte gegen hochfrequente Calls belegen, dass bereits das Portfolio der gegenwärtigen Außendienstarbeit grundsätzlich zu überdenken ist.
1.15 Trendscouting „Pharmareferent der Zukunft“: Verengter Blickwinkel
Die in letzter Zeit vermehrt gestellte Frage, wie denn wohl der Pharmareferent der Zukunft aussehen könne, lenkt den Fokus der Betrachtung auf ein zu eng gefasstes Analysegebiet. Auszuloten ist nicht die zukünftige Rolle des Außendienstes, sondern es geht um die generellen Formen der Präsenz pharmazeutischer Unternehmen bei ihren Kunden. Ausgang der Überlegungen ist hierbei, dass sich die gegenwärtige Vertriebsarbeit in einer Sackgasse befindet und Experten ohnehin von einer 30%igen Reduktion der Kapazitäten ausgehen, denn :
- der Anteil von Best-Practice-Playern und Candidates im Außendienst liegt gerade bei etwa 45%,
- durchschnittlich werden nur 56% der Kundenanforderungen erfüllt,
- der Anteil der Präparate-Informationen an den Gesamtgesprächen beläuft sich auf knapp 52%,
- die durch die Gespräche ausgelöste Handlungsrelevanz in Bezug auf den Präparate-Einsatz wird von 57% der Ärzte als “ohne Konsequenz” und von 14% als “deaktivierend” bezeichnet.
Unter Kosten-Nutzen-Aspekten rechnen sich damit dauerhafte Außendienstbesprechungen für etablierte Präparate kaum mehr, Leasing-Außendienste sind eine deutlich bessere Alternative. Vor allem fehlt gegenwärtig vielen Mitarbeitern eine B2B-orientierte Betreuungs-Strategie, die den Arzt in seiner Doppelrolle als Arzt und Unternehmer sieht. Diejenigen Mitarbeiter, die von Ärzten hervorragende Betreuungs-Noten erhalten, setzen vor allem dieses Prinzip um.
Doch zurück zur Zukunft: analog zum Prinzip der Personalisierten Medizin existiert bei Ärzten ein starker Trend zu Personalisierter Information. Das bedeutet, dass sie individuelle Informationen zu einer von ihnen gewünschten Zeit an einem für sie bequemen Ort wünschen. Das Internet ist hierbei ein wichtiges Instrument. So erstaunt es nicht, dass der Außendienst aus Kundensicht bereits jetzt bei Präparate- und Indikationsinformationen durch Internetquellen fast vollständig ersetzbar ist. Der neu aufgekommene Hybrid-Außendienst ist ein weiterer Schritt in Richtung Personalisierter Information.
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