Die Fähigkeit von Pharma-Außendienstmitarbeitern, die Anforderungen der von ihnen besuchten niedergelassenen Ärzte möglichst weitgehend zu erfüllen und so eine optimierte Betreuungsqualität zu realisieren, ist bei den Pharma-Herstellern sehr unterschiedlich ausgeprägt. Das ergab eine firmenbezogene Stichprobe aus dem Pool des Außendienst-Kompass-Projektes (Methodische Basis: Regionale Kundenzufriedenheitsanalysen, RKA). Hierbei wurden für zwanzig zufällig ausgewählte Unternehmen jeweils hundert ebenfalls nach dem Zufallsprinzip ausgesuchte Außendienstbewertungen verglichen. Der niedrigste unternehmensbezogene CQS-Durchschnittswert (Customer Care Quality Score, erzielte Arzt-Zufriedenheit in Relation zu den Anforderungen) lag bei 39,7%, der höchste bei 71,2%.
1.8 Wo bleibt das Update für den Pharma-Außendienst?
Updates sind ein fester Bestandteil des privaten und beruflichen Kommunikations- und Arbeitsalltags. Sie dienen der Aktualisierung von Softwareprogrammen und Betriebssystemen, um deren Anwendungsmöglichkeiten zu erweitern und / oder zu verbessern. In der Regel basieren die Update-Inhalte auf Fehlerhinweisen und Ratschlägen von Anwendern. Die zentralen unternehmerischen Ziele von Updates sind Kundenbindung und -gewinnung, aber auch Image- und Positionierungs-Aspekte. Greift man diese Zielsetzungen auf, lässt sich der Update-Blickwinkel von der technischen Seite auch auf andere Bereiche, z. B. die Arbeit des pharmazeutischen Außendienstes erweitern. Wieso gibt es eigentlich hier keine Updates? Der Handlungsrahmen der Vertriebsarbeit und die Kundenanforderungen verändern und entwickeln sich kontinuierlich, die Arbeit der Referenten bleibt jedoch nahezu unverändert. Das hat Konsequenzen: der Pharma-Außendienst erfüllt nur zu etwas mehr als der Hälfte die Anforderungen seiner Kunden. Der Grund: Ansichten, Wünsche und Kritik der besuchten Ärzte werden kaum erhoben und untersucht, die Anzahl der Kontakte zählt mehr als deren Qualität. Kundenzufriedenheits-Befragungen auf Gebiets- bzw. Mitarbeiterebene gibt es kaum. Und der Einsatz von Tablets zur Gesprächsunterstützung kann - in der Software-Begrifflichkeit ausgedrückt - nur als "Patch" oder "Hotfix" bezeichnet werden. Kundenanforderungen sowie eine hohe Ersetzbarkeit des Pharma-Außendienstes durch Internet-Medien zwingen jedoch dringend zu einem echten, Delving-Strategie basierten Update. Ohne grundlegende Erneuerung wird der Pharma-Vertrieb zum Auslaufmodell.
1.9 Was macht man mit Blockheads und Glücksrittern? - Entwicklungs-Strategien für den Pharma-Vertrieb
Die mitarbeiterbezogene Bestimmung der Kundenzufriedenheit (Regionale Kundenzufriedenheitsanalyse RKA) ist für eine nachhaltige Steuerung des Außendiensterfolges unerlässlich. Entscheidend für die strategische Gebiets- und Mitarbeiter-Entwicklung ist dabei nicht nur die Mitarbeiter-individuelle Bestimmung der Customer Care Quality Scores (CQS), sondern auch ein ergänzender Eigenbild-Fremdbild-Vergleich der Kunden-Anforderungen. In einem Matching-Portfolio kann nach der Datenermittlung kategorisiert werden, wie ausgeprägt die Übereinstimmung der tatsächlichen Kundenanforderungen mit der Einschätzung des sie betreuenden Pharma-Referenten ist und welcher Grad an Kundenzufriedenheit erzeugt wird. Hieraus lassen sich vier Typen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern identifizieren und die zugehörigen Entwicklungs-Strategien ablesen (die in den Quadranten jeweils aufgeführten Prozentzahlen geben die durchschnittliche Verteilungshäufigkeit für den Pharma-Vertrieb an):
Strategen: sie erkennen den Bedarf ihrer Kunden und handeln adäquat. Bei diesen Mitarbeitern besteht kein Korrekturbedarf, sie können zudem für das interne Kundenmanagement-Coaching anderer / neuer Außendienst-Kollegen eingesetzt werden.
Verlierer: sie sind das Gegenteil der Strategen und senken der Gesamterfolg jeder Außendienst-Organisation. Eine Entwicklung zu eigenständig handelnden Strategen ist fast gar nicht möglich. Ihre Kundeneffektivität kann - in Abhängigkeit vom ihrem grundsätzlichen Fähigkeiten-Potential - ausschließlich durch Besuchs- und Handlungsvorgaben oder im Rahmen repetierender Erhaltungskontakte gewährleistet werden.
Blockheads: die Mitarbeiter sehen ihre Möglichkeiten, handeln aber nicht adäquat, zum Teil, weil sie nicht wissen, wie sie die Anforderungen erfüllen sollen, zum anderen Teil, weil sie ihre eingefahrenen, aber nicht mehr zeitgemäßen Betreuungsroutinen nicht verlassen wollen. Diese Gruppe kann durch individuell angepasste Verkaufstrainings-Maßnahmen, deren Inhalte sich aus ihren RKAs ergeben, in Richtung des Strategen-Typs entwickelt werden.
Glücksritter: auch diese Mitarbeiter-Typ ist entwicklungsfähig, da er intuitiv das Richtige tut, aber zu wenig systematisch arbeitet und deshalb unter den erzielbaren Erfolgsmöglichkeiten seines Bezirks bleibt. Ihr Trainingsbedarf liegt im Bereich des Kunden-Strukturmanagements.
1.10 Deutliche Unterschiede der Betreuungsqualität des Pharma-Außendienstes nach Facharzt-Gruppen
In Zusammenhang mit der Exploration zur Betreuungsqualität des pharmazeutischen Außendienstes bei Fachärzten wurde mehrfach die Frage gestellt, ob zwischen den einzelnen Fachgruppen Unterschiede im Hinblick auf den Untersuchungsparameter bestehen. Eine Stichproben-Auswertung bei ausgewählten Facharzt-Gruppen zeigt: es existieren deutliche Unterschiede. Vergleicht man je Gruppe die Anzahl der Praxen, die für die Pharma-Mitarbeiter, die sie besuchen, einen hohen Betreuungsqualitäts-Index (erreichte Zufriedenheit in Prozent der Anforderungen \> 80%) vergeben, ergibt sich die in der Abbildung dargestellte Verteilung.
1.11 12 x Kundenzufriedenheit, 96 x Verkaufstechniken: Über die strategisch-konzeptionelle Schieflage im Pharma-Vertrieb
Der Besuch in einer Wirtschafts-Fachbuchhandlung erbrachte als "Nebenwirkung" eine erstaunliche Beobachtung: unter dem Stichwort "Kundenzufriedenheit" fanden sich insgesamt 12 Titel, die diesem Thema gewidmet waren, der Bereich "Verkauf / Verkaufstechniken" konnte jedoch mit 96 Publikationen aufwarten. Eine Nachfrage ergab, dass es sich hierbei um die aktuellen Bücher zu den Themen handelte. Der stichprobenartige Blick in die Inhaltsverzeichnisse einiger Sales-Ratgeber zeigte, dass auch hier natürlich das Thema "Kundenorientierung" aufgegriffen wird, aber in Relation zum übrigen Inhalt nur als Randerwähnung, zusammengefasst in der Klassiker-Appell, man müsse immer daran denken, "im Kopf des Kunden zu denken". Die Beobachtung dieses Verhältnisses der Buchtitel spiegelt sich auch in der Arbeitsrealität des Pharma-Vertriebs wieder. Die durchschnittliche Betreuungsqualität von Pharma-Referenten und -Beratern liegt bei nur 56% (Pharma-Außendienst-Strategie 2013: Den Mainstream der Kundenanforderungen erkennen). Die Techniken sind hierbei nicht für den niedrigen Wert verantwortlich, denn hier werden die Kundenanforderungen zu gut 74% erfüllt. Vielmehr hapert es bei Kompetenz und Serviceorientierung. Im Mittelpunkt der Kundenanforderungen stehen in beiden Aktionsbereichen vor allem Aspekte der Praxisführung. So verwundert es nicht, dass Pharma-Berater, die sehr gute Noten von ihren Kunden für ihre Betreuungsqualität erhalten, neben den Produkt-Informationen konkrete und vor allem praxisbezogene Serviceleistungen anbieten, z. B. Abrechnungshilfen, Patientenbefragungen, Telefonschulungen für Mitarbeiterinnen, IGeL-Unterstützung, Organisations- und Praxisberatungen sowie Zeitmanagement-Tipps für die Praxisinhaber (Quelle: Sales talk insights: Wie Ärzte die Informationsgespräche des Pharmazeutischen Außendienstes empfinden). In allen anderen Fällen wird ein zu großer Schwerpunkt auf Präsentations- und Argumentationstechniken gelegt, die Kundenorientierung im Sinne einer Bedarfserkennung und -deckung kommt dabei zu kurz. Ergänzend wird die Arbeit dadurch erschwert, dass viele Außendienstmitarbeiter ihre Zielärzte nicht gut genug kennen, Eigen- und Fremdbild deutlich. Eine Beseitigung dieser Schieflage mit entsprechender Erfolgssteigerungs-Option ist in drei simplen Schritten möglich (Delving-Strategie für professionelles Pharma-Kundenmanagement). Eine Voraussetzung besteht jedoch: der Wille für eine solche die etablierten Routinen verlassende Veränderung muss als strategische Grundhaltung vorhanden sein und von allen Akteuren mitgetragen werden.
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