Cedric hatte zwiespältige Gefühle.
Er empfand es einerseits als wunderschön und erregend, auf der anderen Seite verspürte er ein schlechtes Gewissen. Warum eigentlich?
Sie löste sich von seinen Lippen.
„Na?“, fragte sie und blickte ihn erwartungsvoll an, so als erwarte sie den Friedensnobelpreis.
Als Cedric nichts sagte, beugte sich Michelle noch einmal nach vorne und küsste ihn erneut.
Diesmal erwiderte Cedric das Spiel ihrer Zunge.
Auch eine Antwort, dachte sie innerlich grinsend. Mir kann kein Junge widerstehen!
Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie sich voneinander lösten. Liebevoll streichelte sie über seine Wange.
„Mein Gott, Cedy Bärli! Du hast ja richtig Temperament. Wer hätte das gedacht?“
„Sag bitte nicht Bärli zu mir, das ist ja peinlich.“
„Natürlich, Cedylein“, antwortete sie und küsste ihn nochmals zärtlich auf seine Lippen. Dann ergriff sie seine Hand und zog ihn zu einer freien Sitzgruppe. Dort rutschte sie in eine dunkle Ecke, zog Cedric zu sich und legte ihren Arm um seinen Nacken. Wie selbstverständlich küsste sie ihn erneut. Es fühlte sich gut an, aber es erzeugte kein Feuerwerk von Gefühlen, wie er geträumt hatte.
Irgendwann schaffte er es, heimlich auf die Uhr zu schauen. Halb zwölf! Er hatte seinen Eltern versprochen, allerspätestens um zwölf zu Hause zu sein.
Okay, er hatte bereits gegen eine Hexe und einen Dämon gekämpft, war in Schottland durch finstere Geheimgänge geschlichen, musste aber um zwölf Uhr zu Hause sein.
Das würde er jetzt wohl nicht mehr schaffen.
Wie schnell die Zeit plötzlich vergangen war.
Plötzlich ergriff Michelle seine Hand und drückte sie auf die Wölbung ihrer Bluse, unter der sich ihre Brust befand.
„Du darfst mich hier gerne berühren, aber bitte sanft und zärtlich“, hauchte sie lüstern.
Cedric sprang auf, als hätte ihm der Höllenfürst persönlich ein Schwert in den Rücken gerammt.
„Ich muss heim“, rief er hektisch und blickte erschrocken in die zornigen Augen von Michelle. Oh je, da habe ich wohl etwas falsch gemacht, stellte er fest. Er schob seine Gedanken jedoch mit dem Hinweis zur Seite, dass er sowieso niemals eine Frau verstehen würde.
Nach einigen Verabschiedungen verließen sie gemeinsam die Disko und fuhren zurück nach Germering. Vor seinem Elternhaus parkte sie den Wagen.
„Äh, war nett mit dir, Michelle“, sagte er unsicher. „Bis bald.“
Sie lächelte ihn an, als würde sie noch etwas erwarten. Cedric blieb verwundert im Auto sitzen.
Wieso strahlte sie jetzt so?
Vor wenigen Augenblicken war sie noch zornig gewesen!
Völlig unerwartet beugte sie sich zu ihm herüber und gab ihm einen zärtlichen Kuss. Ihre Zunge streichelte seine Lippen entlang. Er spürte ein merkwürdiges Ziehen in seinem Lendenbereich. Während sie ihre Lippen wieder von seinem Mund löste, streichelte sie mit ihren Fingerspitzen seine Wange entlang.
„Ich fand es auch unheimlich toll, Cedric. Rufst du mich morgen an?“
Er schluckte. Morgen? Hatte sie ernsthafte Absichten?
Wir haben uns geküsst, bedeutet das, wir sind ein Paar?
Ich will aber mit Michelle kein Paar sein, lieber mit Laura.
Alle möglichen Ausreden fielen ihm ein, über die Lippen brachte er jedoch nichts weiter als ein leises „Okay“.
„Wann rufst du mich an?“, hakte sie nach. „Sonntags schlafe ich immer länger, aber ich möchte mich auf deinen Anruf einrichten können.“
Cedric wurde es mulmig. Worauf hatte er sich da nur eingelassen?
Viel lieber hätte er jetzt in Schottland gegen eine Hexe gekämpft, dies erschien ihm einfacher.
„Gegen zwei“, murmelte er, da sie eine Antwort von ihm erwartete.
„Toll. Um vier bin ich mit Johanna verabredet, aber ich werde nicht eher gehen, bis du angerufen hast. Weißt du, Cedric, ich habe schon so lange davon geträumt, dass du mein Freund bist. Du bist so muskulös und siehst wahnsinnig gut aus. Gute Nacht.“
Sie küsste ihn und spielte mit ihrer Zungenspitze an seinen Lippen. Als sie mit ihren langen Fingernägeln die Innenseite seiner Oberschenkel entlangstreichelte, erschrak er so heftig, dass er sich den Hinterkopf an der Kopfstütze anschlug.
Schnell öffnete er die Tür und hechtete aus dem Wagen.
Mit einem unwohlen Gefühl sah er ihr nach.
Michelle, diese wunderschöne blonde Frau, war eine völlig fremde Welt für ihn.
Er war sich nicht sicher, ob er diese Welt kennenlernen wollte!
Als Cedric am Sonntag aufwachte, schoss ihm gleich als Erstes in den Kopf, dass er heute Michelle anrufen musste. Ärgerlich drehte er sich noch mal um und zog sich die Decke über den Kopf.
Wieso hatte er sich bloß wieder breitschlagen lassen?
Er wollte doch kein Mädchen zur Freundin haben, mit dem man sich nicht richtig unterhalten konnte!
Okay, sie sah wirklich klasse aus, besonders ihre langen blonden Haare, die blauen Augen und ihre attraktive Figur. Alle Jungs in der Schule waren scharf auf sie und würden vor Neid erblassen, wenn er ihr Freund sein würde.
Aber wenn er die Augen schloss, sah er keine blonden Haare sondern lange mittelbraune Haare und grüne Augen. Mist, dachte er, warum sind Mädchen so kompliziert.
Angestrengt versuchte er, noch ein bisschen weiterzuschlafen, aber es gelang ihm nicht. Er machte sich die ganze Zeit Gedanken darüber, was er Michelle am Telefon sagen sollte.
Na ja, der Morgen ist jedenfalls gründlich verdorben, dachte er. Gerade hatte er seufzend beschlossen aufzustehen, da vibrierte sein Handy und kündigte einen Anruf an.
„Hallo Laura“, sagte Cedric erfreut, nachdem er am Display erkannt hatte, wer ihn anrief. „Schön, dich zu hören.“
Sein Herzschlag beschleunigte sich. Warum ruft mich Laura an?
„Wie war´s gestern in Gilching?“, fragte sie sofort, ohne lange um den heißen Brei zu reden.
Hat die Frage eine tiefere Bedeutung?, überlegte er.
„Ja, äh, war okay“, stammelte er.
Laura schwieg. Cedric war die Gesprächspause unangenehm.
„Michelle, na ja, äh, ist ja soweit ganz nett“, fuhr er fort.
„Dachte ich mir, dass du das findest“, antwortete Laura.
„Aber sie redet ziemlich viel Mist“, sprach er weiter.
„Allerdings. Ein Orden für deine Erkenntnis.“
„Manchmal ist das ja ganz gut. Es macht vieles einfacher.“
„Einfacher?“, fragte Laura verständnislos.
Sie hatte heute Morgen beschlossen, Cedric von ihrem zu Traum erzählen. Nachdem sie nervös aufgestanden war, zwei Tassen Tee getrunken hatte, wählte sie seine Handynummer. Der Traum war wichtig!
Aber jetzt war Michelle wichtiger. Michelle! Blöde Ziege!
„Na ja, es entstanden keine peinlichen Gesprächspausen“, fuhr Cedric fort.
Laura schwieg. Sie befürchtete, dass noch mehr mit Michelle vorgefallen war, und war sicher, dass sie das nicht hören wollte.
„Michelle wollte unbedingt, dass ich sie heute anrufe“, erzählte Cedric weiter, als ihm die Gesprächspause zu lang wurde. „Ich habe es versprochen.“
„Was willst du ihr sagen?“
„Ich weiß es nicht“, stammelte er. „Am liebsten würde ich sie gar nicht anrufen.“
„Dann tu es doch auch nicht.“
„Aber ich habe es ihr versprochen. Ich möchte mein Versprechen nicht brechen, sonst hätte ich ein schlechtes Gewissen.“
„Männer haben bei attraktiven Frauen immer ein schlechtes Gewissen“, erklärte sie.
„Ja, kann sein.“
„Du findest sie hübsch?“, fragte sie nach.
„Ja, sicher. Sie ist doch sehr attraktiv, oder?“
„Wenn du meinst!“, antwortete sie bissig.
„Bist du sauer auf mich?“
„Mir ist doch egal, mit wem du dich triffst“, fauchte sie. „Du bist doch ein freier Mensch.“
„Ja, das bin ich“, murmelte Cedric.
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