dem Beritt des Pferdefürsten Garodem gewesen, doch hatte er nur Tod und
Verwüstung vorgefunden, die marodierende Orks über das Land brachten.
Mit Glück und Instinkt hatte der Junge überlebt und war dann auf Dorkemunt
getroffen. Zusammen mit den Pferdelords des Königs waren sie gerade
rechtzeitig in die Hochmark zurückgekehrt, um den Fall von Eternas zu
verhindern. Nedeam war die ungewöhnliche Ehre zuteilgeworden, im
knabenhaften Alter von zwölf Jahren in die Riege der Pferdelords
aufgenommen zu werden. Eigentlich war dies erst möglich, wenn man das
sechzehnte Jahr erreicht hatte.
Dorkemunt war froh, dass die letzten Jahre in Frieden vergangen waren. Er
kannte Nedeams Temperament, und der kleine Bursche hätte sich kaum
aufhalten lassen, wenn der Pferdefürst erneut die Losung gegeben hätte.
Selbst jetzt fand Dorkemunt den Jungen noch viel zu zierlich, um als Kämpfer
in die Schlacht zu ziehen. Es fehlte ihm gewiss nicht an Körpergröße,
schließlich war auch Dorkemunt selbst nicht gerade ein Hüne. Und auch an
Mut mangelte es Nedeam nicht, doch fehlte ihm die Kraft, eine ordentliche
Streitaxt oder die Stoßlanze zu führen.
Dorkemunt hatte sich mit widerstreitenden Gefühlen zu Balwins Gehöft
aufgemacht, denn was er für Nedeam vorsah, würde er in langwierigen
Diskussionen verteidigen müssen. Nicht unbedingt gegenüber dem Jungen,
sondern gegenüber Meowyn, Nedeams hübscher Mutter. Ja, Meowyn gefiel
ihm über alle Maßen, und wäre ihr Herz nicht so verschlossen gewesen, so
hätte Dorkemunt ihr wohl nach altem Brauch das Pferd gesattelt und um ihre
Hand angehalten. Sicher, er war reich an Jahren und Meowyn um so viele
Monde jünger, doch dafür war er auch reich an Erfahrung und galt als guter
Pferdelord.
Der kleinwüchsige Reiter trabte auf den Eingang der Schlucht zu, die in
eines jener vielen kleinen Gebirgstäler mündete, welche sich zahlreich in die
Landschaft der Hochmark kerbten. Zwei Tage dauerte für gewöhnlich die
Reise von der Stadt zu Balwins Hof. Auf seinem Ritt war Dorkemunt an
einzelnen Gehöften und einem Weiler vorbeigekommen. Schließlich sah er
den Hof vor sich liegen und nickte zufrieden, als er den Rauch eines
Dungfeuers aus dem Schornstein quellen sah. Nedeam war im Haus, und ihn
zu überzeugen würde die leichtere Aufgabe sein.
Unbewusst suchte der kleinwüchsige Pferdelord die Umgebung nach
einem Anzeichen von Gefahr ab. Von irgendwoher aus dem Tal ertönte das
Blöken der Wolltiere, und in der kleinen Koppel, die ein Stück vom Haus
entfernt lag, grasten die drei Pferde des Hofes. Dorkemunt erkannte
Stirnfleck, der den Kopf hochwarf und ihn gewittert zu haben schien. Er
schätzte den Hengst mit dem weißen Fleck, denn er war ein hervorragend
ausgebildetes Pferd und ein guter Kämpfer, wenn auch manchmal ein wenig
eingebildet. So schien er zu glauben, keine gewöhnliche Arbeit verrichten zu
müssen, und lahmte dann gerne, wenn man sie ihm abverlangte.
Hinter der Koppel plätscherte der kleine Gebirgsbach, der bis in das Tal
des Quellweilers führte, wo er in den Fluss Eten mündete. An dem Bachlauf
stand ein kleiner Verschlag, in dem man sich erleichtern konnte, ohne das
Haus mit unangenehmen Gerüchen zu füllen. Vor dem Zugang des
Verschlages hing ein Fell, das ein wenig half, die lästigen Flugstecher
fernzuhalten. Dorkemunt fragte sich, ob Nedeam während seiner
Abwesenheit darauf geachtet hatte, die Wolltücher auszuwaschen, die für die
persönliche Säuberung vorgesehen waren.
Als Dorkemunt die Tränke erreicht hatte, die unmittelbar vor dem Haus
stand, stieg er aus dem Sattel und ließ sein durstiges Pferd saufen, bevor er es
zum Grasen auf die Wiese schickte.
Das Haupthaus des Gehöfts war ungewöhnlich groß, denn Nedeams Vater
Balwin hatte zu jener Zeit, als lange und starke Balken in der Hochmark
selten gewesen waren, einen außerordentlich großen Baum gefunden, und so
maß das Gebäude fast fünf volle Längen. Es war, wie in der Hochmark
üblich, massiv aus Stein und Fels errichtet, und durch seine niedrige und lang
gestreckte Bauweise bot es genügend Raum und konnte zugleich den Stürmen
des Winters trotzen.
Dorkemunt schwang seine Streitaxt an die Schulter, pochte an die Tür und
trat ein.
Das Haus bestand aus dem eigentlichen Wohnraum und zwei abgetrennten
Kammern. Eine von ihnen hatten ursprünglich Balwin und Meowyn bewohnt,
doch nun nutzte Dorkemunt deren Bettstatt. Aus der anderen Kammer drang
vernehmliches Schnarchen, und der alte Pferdelord lächelte wohlwollend. In
seiner Abwesenheit bewirtschaftete Nedeam den Hof allein, und Dorkemunt
konnte nachvollziehen, dass der Junge hin und wieder von Müdigkeit
übermannt wurde. Er hörte das Knarren der Bettstatt, als Nedeam sich
bewegte, und nahm sich vor, die Schnürungen der Hölzer nachzuziehen.
Allmählich lockerten sie sich, vielleicht war eine von ihnen sogar angerissen,
und niemand schätzte eine Bettstatt, die des Nachts plötzlich nachgab.
Er warf einen Blick auf das dicke Wolltierfell, das Nedeams Kammer vom
Wohnraum abtrennte, und beschloss, den Jungen noch ein wenig ruhen zu
lassen. Dorkemunt stellte seine Streitaxt griffbereit neben die Tür, bevor er
sich auf die massive Holzbank setzte.
Als sein Blick auf die kleine Kochtruhe neben der Feuerstelle fiel, spürte
der kleinwüchsige Pferdelord plötzlich, wie hungrig er war. Er erhob sich
wieder, um Brot und Käse aus der Truhe zu holen, als er abermals das
Knarren der Bettstatt vernahm. Kurz darauf wurde das Wolltierfell
zurückgeschlagen, und Nedeam blickte verschlafen hervor.
»Schneller Ritt, junger Pferdelord«, begrüßte ihn Dorkemunt lächelnd.
»Hä?« Nedeam rieb sich schlaftrunken die Augen und schüttelte seinen
Kopf, um die Benommenheit zu vertreiben.
Indessen ging der kleinwüchsige Pferdelord zur Truhe hinüber und öffnete
sie. Er nahm Brot und Käse heraus, hielt kurz inne und zog dann noch den
kleinen Sack mit getrockneten und gesalzenen Fleischstreifen hervor. »Wir
werden länger als drei Tage unterwegs sein«, sagte er beiläufig. »Pack für
zwei Zehntage.«
»Was redest du da, Dorkemunt?«, fragte Nedeam, während er blinzelnd
den Raum durchquerte und dann aus dem Haus trat, um sich an der
Pferdetränke das Gesicht zu waschen. »Sag mir lieber, ob du das neue
Schurmesser besorgt hast. Die alte Klinge ist schon wieder stumpf.«
»Ja, ich habe die neue Klinge«, erwiderte Dorkemunt, der Nedeam gefolgt
war und nun an der Einfassung der Haustür lehnte. »Eine gute Klinge von
Guntram, dem Schmied. Und ich habe dir sogar etwas Süßwurzel aus Eternas
mitgebracht. Die isst du doch so gerne.«
Nedeam richtete sich mit erfreutem Gesichtsausdruck auf, und Dorkemunt
sah ihn verschwörerisch an. »Aber du wirst nicht viel Zeit haben, sie zu
genießen. Den Eid gilt es zu erfüllen, junger Pferdelord.« Er breitete seine
Arme theatralisch aus. »So, nun eile, junger Pferdelord, denn der Pferdefürst
ruft dich zu den Waffen.«
Nedeam sah seinen Mentor überrascht an. »Ist das dein Ernst?«
Dorkemunt grinste breit. »Nun, es ist nicht direkt der Pferdefürst, der ruft,
sondern Larwyn, die Hohe Dame, doch die Losung gilt.«
»Und die Losung gilt mir?« Nedeam sah den alten Pferdelord mit großen
Augen an.
»Unter anderem«, bestätigte Dorkemunt. »Ah, ich weiß, du bist noch ein
wenig jung, aber ich habe Kormund überzeugen können, dass wir deiner
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