»Okay, okay … ihr habt ja recht. Und Cynthia: O.C. und ich werden uns beeilen. Versprochen!«
Cracker Barrel, Fairview, Georgia
Michael saß nun schon seit mehr als zwei Stunden im Cracker Barrel und schaute immer wieder auf sein Handy, das er erwartungsvoll neben sich gelegt hatte. Abigail war bereits seit mehr als anderthalb Stunden wieder bei der Arbeit, und er bestellte einen Kaffee nach dem anderen. Es war bereits 16 Uhr durch, und noch immer hatte sich niemand gemeldet.
Doch auf einmal sah er Sheriff Thomas, wie er auf dem Parkplatz einem roten Pick-up entstieg und zusammen mit dem Fahrer des Trucks, einem kräftigen Mann mit blonden Haaren und einem Bart um den Mund herum, auf das Restaurant zuging. War dies vielleicht der Chief? Michael trank seine Tasse Kaffee leer und trocknete sich die Hände an einer Papierserviette ab.
Kurz darauf betraten die beiden Männer den Bereich des Restaurants, der sich hinter dem Country Store befand. Sie entdeckten ihn am Fenster und kamen auf ihn zu.
»Michael Luther White«, grüßte der Sheriff ihn, »darf ich Ihnen Chief William Justice vom Fairview Police Department vorstellen?«
Michael stand auf, gab William die Hand und stellte dabei fest, dass dieser zwar ein Stückchen kleiner war, dafür aber einen kräftigen Händedruck hatte. »Angenehm, Sir!«
Sie setzten sich hin, wobei O.C. und William sich nebeneinander Michael gegenüber setzten. William sah, dass der junge Deputy recht nervös war und beruhigte ihn: »Kein Grund zur Aufregung, Deputy White. Ich beiße nicht.«
O.C. musste angesichts der Worte grinsen, da er sie William gegenüber ebenfalls gebraucht hatte, als dieser ihn in Canton im Sheriff Department besucht hatte.
»Deputy White«, fuhr William unbeirrt fort, »Sheriff Thomas sagte mir, dass Sie gern bei uns in Fairview mitarbeiten würden. Ist das korrekt?«
»Ja, Sir!«
»Gut.« William blickte ihn lang und durchdringend an, und Michael White hielt seinem Blick stand. »Haben Sie ein Problem damit, wenn man Sie Nigger nennt?«
Michael starrte William erschrocken an. »Wie meinen Sie das, Sir?«
O.C., der Williams Grund für die Frage von ihrem Gespräch auf der Veranda her kannte, übernahm die Beantwortung von Michaels Frage: »Deputy, der Chief möchte wissen, wie Sie mit Rassismus umgehen, der Ihnen entgegenschlagen könnte.«
William fuhr entsprechend fort: »Ich habe einen Mitarbeiter in meiner Truppe, der gewisse … Abneigungen Latinos und Schwarzen gegenüber hat, um es mal gelinde auszudrücken.«
»Wie stehen Sie zu meiner Hautfarbe, Sir?«
»Ich habe mit Schwarzen keine Probleme, und auch nicht mit Latinos, Asiaten oder sonst einer Bevölkerungsgruppe. Mir ist nur wichtig, dass Sie Ihren Job gut machen. Und sollte man sich Ihnen gegenüber rassistisch äußern, dann erwarte ich, dass Sie mir das unverzüglich melden.«
»Jawohl, Sir!«
»Tun Sie mir bitte einen Gefallen, Deputy?«
»Gern, Sir! Was darf ich für Sie tun?«
»Nennen Sie mich bitte nicht Sir !«
»Gern, Sir … Chief!«
William musste grinsen. Der Junge gefiel ihm.
O.C. ergriff wieder das Wort: »Deputy, ich habe vorhin mit Ihrem Boss in Marietta gesprochen. Sollten der Chief und Sie sich einig werden, würden Sie bereits am Montag in Fairview anfangen.«
Michael wusste gar nicht, was er dazu sagen sollte.
Zum Glück ergriff William wieder das Wort: »Deputy, O.C. ist ein guter Freund von mir geworden, und ich vertraue seinem Urteil. Ihr erster Eindruck hat mich überzeugt, und ich denke, dass wir gut miteinander auskommen werden. Wenn Sie also bei uns in Fairview arbeiten wollen, sollen Sie den Posten haben.«
Deputy White war immer noch sprachlos. Stundenlang hatte er hier gesessen und auf einen Anruf gewartet, nun saßen Chief Justice und Sheriff Thomas ihm gegenüber und teilten ihm mit, dass er bereits übermorgen beim Fairview Police Department anfangen könne.
»Deputy White, haben Sie verstanden?«
»Äh … ja, Sir ... Chief! Bitte verzeihen Sie, ich war gerade in Gedanken. Ich wollte so gern zum Cherokee County Sheriff Department, da meine Freundin in Canton wohnt und hier, in Fairview arbeitet. Die ewige Fahrerei zwischen Kennesaw, Marietta und Canton war eine ziemliche Belastung. Und jetzt erfahre ich, dass ich bereits am Montag in Fairview arbeiten darf!?«
»Sie nehmen das Angebot also an?«, fragte William rein der Form halber. Er sah, dass Deputy White kurz davor stand, vor Freude zu tanzen.
»Ja, Chief, ich nehme das Angebot an. Sie ahnen gar nicht, wie sehr ich Ihnen beiden danken möchte!«
»Wunderbar! Deputy White, ich erwarte Sie am Montagvormittag pünktlich um 8 Uhr vorm Rathaus von Fairview.«
»Ich werde da sein, Chief.«
O.C. holte sein Handy aus der Brusttasche und ging zum Telefonieren vor die Tür. William ahnte, dass er den Sheriff von Cobb County informieren würde.
»Sehr gut! Bitte kommen Sie in zivil. Denken Sie bitte daran, dass Sie bereits ab morgen nicht mehr beim Sheriff arbeiten und folglich die Uniform nicht mehr tragen dürfen.«
Michael nickte und hörte aufmerksam zu.
»Am Montag werde ich Sie zunächst dem Bürgermeister vorstellen. Dort werden wir die Formalitäten erledigen, bevor ich Sie Ihren Kollegen vorstellen werde. Anschließend werde ich Ihnen den restlichen Tag frei geben, damit Sie sich um eine neue Uniform kümmern können. Ist das soweit für Sie okay?«
»Ja, Chief.«
»Dann, Deputy White, freue ich mich auf eine gute Zusammenarbeit mit Ihnen.« William stand auf und reichte Michael die Hand. »Und seien Sie am Montag bitte pünktlich!«
»Das werde ich, Chief. Worauf Sie sich verlassen können.«
Sweetwater Creek Drive, Fairview, Georgia
Gordon war begeistert von Cynthia. William hatte recht, sie sah nicht nur phantastisch aus, sie hatte auch das gewisse Etwas. Seit O.C. und William zum Cracker Barrel aufgebrochen waren, hatten Gordon und Cynthia es sich vor dem Kamin gemütlich gemacht. Und Gordon spürte, dass Cynthia William deutlich mehr als nur reine Sympathie und Freundschaft entgegen brachte. Er war sich sicher, dass sie ihn liebte. Hoffentlich würde das nicht in Tränen enden. William hatte ihm gesagt, dass er noch nicht wüsste, was er wollte. Und Gordon hoffte sehr, dass der Junge bald wieder klar sehen würde. Cynthia war so eine Frau, wie Gordon sie sich nach Jeannes Tod immer gewünscht hatte: Aufmerksam, verständnisvoll, liebevoll … und Williams Erzählungen nach wohl auch sehr zärtlich. Was für ein Glückspilz!
Es war beinah 17 Uhr als William und O.C. zurückkehrten. Beide schienen sehr zufrieden und lachten, während sie ins Haus kamen. Gordon und Cynthia standen von ihren bequemen Plätzen auf und gesellten sich zu den beiden Männern in der Küche.
»Und? Ist der Mann der Richtige?«, fragte Gordon, während er sich wieder Wasser aus dem Kühlschrank nahm.
»Ich denke schon, dass er der Richtige für mein Team sein wird«, antwortete William und nahm sich eine Sandwichecke. »O.C. hatte vollkommen recht – der Junge hat Potenzial.«
O.C. nahm sich einen Muffin und setzte sich neben William auf einen der Hocker am Küchentresen. »Mit dem Sheriff von Cobb County ist alles geklärt; Deputy White wird bereits übermorgen in Fairview anfangen.«
William erklärte Cynthia und Gordon, wie das Gespräch mit Michael Luther White verlaufen sei und auch, was dessen Beweggründe waren, sich nach Cherokee County zu bewerben. Anschließend sprachen die vier Freunde noch über alles Mögliche, was auch Mabels Backkünste mit einschloss.
Der Sheriff blieb noch gute zwei Stunden, ehe er sich zurück nach Canton aufmachen musste. Seine Regierung würde abends immer auf ihn warten; und wehe, es würde zu spät werden! Lachend verabschiedete er sich von allen und begab sich auf den Heimweg. William war ihm unendlich dankbar. Sobald das Wetter es zuließe, überlegte er, würde er sich einen Grill besorgen, damit sie draußen auf der Veranda und im Garten ein BBQ abhalten konnten.
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